OGH 10Ob15/09t

OGH10Ob15/09t21.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Elfriede B*****, vertreten durch Mag. Dr. Markus Ch. Weinl LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Alois B*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 4 C 665/06s des Bezirksgerichts Josefstadt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 27. Jänner 2009, GZ 41 R 162/08i-6, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen wiesen die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren (a limine) zurück.

Obgleich ein bestätigender Beschluss vorliegt, ist er gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar, weil die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde (vgl 6 Ob 286/01d mwN ua). Der Revisionsrekurs ist jedoch mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO unzulässig.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass eine auf § 530 Abs 1 Z 2 oder 3 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage nach Zurücklegung der Anzeige gemäß § 90 Abs 1 StPO aF (nunmehr: Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 190 Z 2 StPO) und Abweisung eines allenfalls gestellten Subsidiarantrags nach § 48 Abs 1 Z 1 StPO aF (nunmehr: Antrag auf Fortführung des Verfahrens gemäß § 195 StPO) gemäß § 539 Abs 2 ZPO ohne vorgängige mündliche Verhandlung als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl RZ 1992/63, 158; SZ 26/226 ua; RIS-Justiz RS0044634). Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO (falsche Beweisaussage gemäß § 288 StGB) liege im gegenständlichen Fall nicht vor, weil das aufgrund der Anzeige der Klägerin gegen die Zeugin Dr. H***** eingeleitete Strafverfahren rechtskräftig eingestellt wurde, da eine falsche Beweisaussage der Zeugin nicht nachgewiesen werden konnte, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Gegen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht wird im außerordentlichen Revisionsrekurs nur der allerdings nicht zielführende Einwand erhoben, dass die Erhebung der Wiederaufnahmsklage aus diesem Wiederaufnahmsgrund nicht verfristet sei.

Auch die weitere Rechtsansicht des Rekursgerichts, die Geltendmachung des Wiederaufnahmsgrunds nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sei verspätet, ist durch die Rechtsprechung gedeckt. Die vierwöchige Notfrist beginnt in diesem Fall gemäß § 534 Abs 2 Z 4 ZPO mit dem Tag, an dem die Partei die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen im Stande war. Diese Bestimmung wird allerdings in Lehre und Rechtsprechung dahin eingeschränkt, dass die Frist erst zu laufen beginnt, wenn eine für den Wiederaufnahmskläger ungünstige Entscheidung ergangen ist (vgl E. Kodek in Rechberger³ § 534 ZPO Rz 5; Jelinek in Fasching/Konecny² § 534 ZPO Rz 30; RIS-Justiz RS0044648, RS0044641 ua). Ist - wie hier - die Wiederaufnahmsklägerin bereits durch die erstinstanzliche Entscheidung im Vorverfahren beschwert, kann weder aus dem Wortlaut des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO noch aus dessen erkennbarem Zweck abgeleitet werden, dass die betreffende Partei die Entscheidung des Berufungsgerichts und allenfalls auch des Revisionsgerichts abwarten und erst im Anschluss daran die vierwöchige Frist in Anspruch nehmen könnte. Dem steht auch der Umstand entgegen, dass mit dem Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO eine unrichtige oder unvollständige Tatsachengrundlage moniert wird, die aber wegen des Neuerungsverbots auch im Berufungsverfahren des Vorprozesses grundsätzlich nicht mehr verändert werden kann (1 Ob 61/07p = RIS-Justiz RS0044648 [T3] = RS0044641 [T5] mwN). Da die Wiederaufnahmsklage gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO auch dazu bestimmt ist, einer Partei noch während der Anhängigkeit des Vorprozesses tatsächliches Vorbringen und Beweisanbote zu ermöglichen, die im Vorprozess am Neuerungsverbot scheitern müssten, kann der frühestmögliche Beginn der relativen Klagsfrist nicht vom Eintritt der Rechtskraft der den Vorprozess abschließenden Entscheidung abhängen (Jelinek aaO § 534 ZPO Rz 30). Die Klagsfrist beginnt im Fall des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO daher nicht erst mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess zu laufen (vgl auch 7 Ob 589/94; EvBl 1980/102, 324 ua).

Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, die auf den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO gestützte Wiederaufnahmsklage sei verfristet, weil die Wiederaufnahmsklägerin im Vorprozess bereits durch die ihr Klagebegehren abweisende Entscheidung des Erstgerichts beschwert gewesen sei, die nunmehr als neu geltend gemachten Beweismittel bereits während des Berufungsverfahrens im Vorprozess bekannt gewesen seien, die Wiederaufnahmsklägerin aber erst nach Zustellung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Vorprozess die gegenständliche Wiederaufnahmsklage eingebracht habe, steht daher ebenfalls im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Auch aus der in der Entscheidung 6 Ob 148/65 = SZ 38/135 vertretenen Ansicht, wonach die falsche Aussage eines Zurechnungsunfähigen nicht den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 2 ZPO, sondern nur gegebenenfalls, wenn die objektive Unrichtigkeit vom Strafgericht festgestellt wurde, den Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO begründe, lässt sich für den Prozessstandpunkt der Klägerin nichts ableiten, da ein solcher Fall selbst ausgehend von den Behauptungen der Klägerin hier nicht vorliegt. Wird nämlich - wie im vorliegenden Fall - im Strafverfahren bereits die Frage des Vorliegens des objektiven Tatbestands einer falschen Zeugenaussage verneint und aus diesem Grund das Strafverfahren eingestellt, dann ist auch nach der in der SZ 38/135 vertretenen Ansicht die Frage der Richtigkeit dieser Aussage für das Zivilgericht bindend entschieden und sie kann auch in einem Verfahren nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO nicht neuerlich aufgerollt werden.

Das Beharren auf der unrichtigen Rechtsansicht, die Notfrist des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO beginne erst ab Rechtskraft der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren, stellt nach der Rechtsprechung ein schon im Vorprüfungsverfahren zu berücksichtigendes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO dar. In diesem Fall ist die Klage im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen (vgl 7 Ob 589/94).

Die Entscheidung des Rekursgerichts steht somit in allen Fragen mit der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Einklang, weshalb der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

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