OGH 11Os3/09i

OGH11Os3/09i24.3.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred H***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster und zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 10. November 2008, GZ 9 Hv 107/08f-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen A./VI./, A./XIV./ und B./III./, demzufolge auch in der zu A./ gebildeten Subsumtionseinheit nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 erster und zweiter Fall, 15 StGB, sowie in der zu B./ gebildeten Subsumtionseinheit nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB ferner im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred H***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 erster und zweiter Fall, 15 StGB (A./) sowie der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (B./), des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4 StGB (C./) und der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt.

Danach hat Manfred H*****

A./ in Amstetten und anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung teils schwerer Betrugshandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Nachgenannte unter Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit sowie teilweise zusätzlich unter Verwendung verfälschter Urkunden, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet oder dies versucht, die diese bzw deren Unternehmen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten oder schädigen sollten, und zwar

I./ Verfügungsberechtigte nachgenannter Versicherungsunternehmen durch unwahre Angaben zu den Einkommensverhältnissen der Versicherungskunden sowie teilweise durch Vorlage verfälschter Kundenverträge, mithin unter Verwendung verfälschter Urkunden, zur Ausbezahlung von Provisionen, nämlich

1./ von Oktober 2006 bis Ende Februar 2007 Verfügungsberechtigte der A***** AG F***** in mehreren Angriffen zur Ausbezahlung von Provisionen in der Höhe von insgesamt 3.527,54 Euro für den Abschluss von Versicherungsverträgen, die in der Folge wieder storniert wurden, weil er die Kunden zur Vereinbarung nicht finanzierbarer monatlicher Prämienzahlungen überredet bzw teilweise die Beträge der Prämien nachträglich vereinbarungswidrig höher festgesetzt hatte, 2./ von März bis Mai 2007 Verfügungsberechtigte der Firma M***** zur Ausbezahlung von Provisionen in Höhe von insgesamt 6.832 Euro für den Abschluss von Versicherungsverträgen mit folgenden Personen, die in der Folge wieder storniert wurden,

a./ Manuela K*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 80 Euro nachträglich eingesetzt wurde (783 Euro Provision),

b./ Siegfried L*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 78 Euro nachträglich eingesetzt wurde (2.088 Euro Provision),

c./ Alexandra U*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 208 Euro nachträglich eingesetzt wurde (1.566 Euro Provision),

d./ Wolfgang S*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 150 Euro nachträglich eingesetzt wurde (1.560 Euro Provision),

e./ John L*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 150 Euro nachträglich eingesetzt wurde (835,20 Euro Provision),

f./ Manuela Sp*****, wobei im Vertrag vereinbarungswidrig eine monatliche Prämienzahlung von 100 Euro nachträglich eingesetzt wurde, es jedoch mangels Provisionsauszahlung beim Versuch blieb;

II./ im Juni 2007 Manfred Sch***** durch die wahrheitswidrige Ankündigung, er werde als Gegenleistung dessen Gasrechnung bezahlen, zur Ausfolgung von drei Laptops im Wert von ca 1.650 Euro;

III./ Ende Juli 2006 Verfügungsberechtigte der KFZ-Werkstätte St***** zur Durchführung einer Autoreparatur im Wert von 677,10 Euro;

IV./ im Jänner 2007 Verfügungsberechtigte der He***** GmbH in zwei Angriffen zur Ausfolgung von Farben, Laminatböden und anderen Waren im Gesamtwert von 1.526,39 Euro;

V./ von Jänner bis Februar 2007 Verfügungsberechtigte der Firma Se***** in zwei Angriffen zur Montage und Lieferung von Sicherheitsschlössern samt Zubehör im Wert von 822,20 Euro;

VI./ im Februar 2007 und im August 2007 Verfügungsberechtigte der N***** GmbH in zwei Angriffen zur Ausfolgung von Kaffee und einer Espressomaschine im Gesamtwert von 537 Euro;

VII./ im Februar 2007 Verfügungsberechtigte der B***** GesmbH zur Lieferung von drei Chefsesseln im Wert von 199,95 Euro;

VIII./ im März 2007 Verfügungsberechtigte der Of***** GmbH zur Lieferung von Büroartikeln im Wert von 2.118 Euro;

IX./ im März 2005 Verfügungsberechtigte des V***** AG in mehreren Angriffen zur Lieferung von Bekleidung und Einrichtungsgegenständen im Gesamtwert von 1.099,31 Euro;

X./ im März 2007 Verfügungsberechtigte des Autohauses La***** GmbH zur Ausfolgung von zwei Pkws der Marke Peugeot 407sw im Gesamtwert von 37.800 Euro, wobei es beim Versuch blieb, weil die Fahrzeuge trotz heftigem Drängen des Angeklagten nicht an ihn übergeben wurden;

XI./ Anfang März 2008 Eva Sti***** zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 8.500 Euro;

XII./ am 12. Oktober 2007 Verfügungsberechtigte der O***** GmbH zur Ausfolgung und Freischaltung eines Mobiltelefons zum Tarif „kleine Plaudertasche", wobei er die Bestellung via Internet unter Verwendung des Namens der Eva Sti***** und deren Kreditkartendaten, mithin unter Verwendung falscher Daten durchführte;

XIII./ am 7. Jänner 2008 Eva Sti***** zur Anmeldung und Veranlassung der Freischaltung eines O***** und eines O*****-Pakets samt Überlassung zur Nutzung;

XIV./ im Oktober 2007 Franz und Eva Stö***** in zwei Angriffen zur Gewährung eines Darlehens von insgesamt 380 Euro;

B./ ein ihm anvertrautes Gut in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert, dadurch, dass er dieses für sich behielt, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I./ von Ende Juli bis Anfang August 2007 in Aschbach Markt in zwei Angriffen den ihm von Ingeborg Hei***** zwecks Weiterleitung an das Autohaus La***** übergebenen Bargeldbetrag von insgesamt 4.000 Euro, II./ im Februar 2008 in Amstetten den ihm von der Nü***** AG Österreich zur Weiterleitung an Eva W***** übergebenen Betrag von 881,88 Euro,

III./ im Juli 2007 in Linz den ihm von Gerald Ho***** zwecks Weiterleitung an Gabriele Le***** übergebenen Bargeldbetrag in Höhe von 35 Euro;

C./ von Mitte Oktober 2007 bis 22. November 2007 in Wien fremde bewegliche Sachen in einem insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich Schmuckgegenstände im Wert von ca 4.500 Euro Eva Sti***** mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

D./ in Amstetten und anderen Orten seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gegenüber nachstehenden Kindern verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre, indem er keine Unterhaltszahlungen leistete, und zwar

I./ von 16. Februar 2001 bis 30. März 2008 für seine am 16. Februar 2001 geborene minderjährige Tochter Simone R*****,

II./ von Februar 2005 bis 30. März 2008 für seine am 7. Mai 2004 geborene Tochter Natalie-Fran H***** und seine am 31. Mai 2003 geborene Tochter Sophie-Elen H*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.

Im Ergebnis zutreffend weist die Beschwerde auf eine offenbar unzureichende Begründung sowie Unvollständigkeit der Beweiswürdigung des Urteils in den Schuldsprüchen A./VI./, A./XIV./ und B./III./ (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter und [der Sache nach] vierter Fall StPO) hin. Denn die vom Erstgericht als erwiesen angenommenen betrügerischen Handlungen zum Nachteil der N***** GmbH im Februar und August 2007 sind gänzlich unbegründet geblieben. Die Erwägungen der Tatrichter erschöpfen sich insoweit nämlich in einer allgemeinen Widerlegung der zu den Schuldsprüchen A./IV./ bis VIII./ gewählten Einlassung des Angeklagten (wonach ihm konkrete Anordnungen zur Anschaffung der gegenständlichen Waren vorgelegen seien und er in gutem Glauben auf das Eintreffen ihm zugesagter Geldmittel gehandelt habe) und einer Darstellung seiner finanziellen Situation (US 29 f). Die zu A./IV./ konkret festgestellten Tathandlungen blieben hingegen unbegründet. Zu den Schuldsprüchen A./XIV./ und B./III./ unterblieb (US 34) eine Auseinandersetzung des Erstgerichts mit der bestreitenden Verantwortung (ON 56 S 4 und S 19, 20) des Angeklagten, wobei die bezughabenden Feststellungen unter Hinweis auf das „umfassende Geständnis" (die insoweit bestehende Aktenwidrigkeit iSd Z 5 letzter Fall wurde nicht geltend gemacht) und die „Ergebnisse des Beweisverfahrens, nämlich die ... Verlesungen und die Aussagen der Zeuginnen K***** und Sti***** ..." zudem bloß scheinbegründet sind. In diesem Umfang war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung das angefochtene Urteil, demzufolge die zu A./ und B./ gemäß § 29 StGB gebildeten Subsumtionseinheiten sowie der Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285e StPO).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen. Soweit sie eine Aufhebung des gesamten Urteils („bis auf die Teilfreisprüche") beantragt, inhaltlich jedoch nur die Schuldsprüche A./I./ bis XIV./ und B./III./ bekämpft, mangelt es (zu den Schuldsprüchen B./I./ und II./, C./ und D./) an der erforderlichen deutlichen und bestimmten Bezeichnung von angeblich Nichtigkeit bewirkenden Umständen, sodass sie insoweit unausgeführt blieb und auf sie keine Rücksicht zu nehmen ist (§§ 285d Abs 1 Z 1, 285a Z 2 StPO).

Zum Schuldspruch A./I./:

Mit der bloßen Behauptung, das Erstgericht habe „Beratungsprotokolle und Polizzenübergabeprotokolle", in denen sich der Angeklagte „die Richtigkeit der Kundendaten, das Ergebnis der Beratung samt schriftlicher Bestätigung der Höhe der Prämienzahlung" sogar „mittels eidesstättiger Erklärungen" der Kunden habe bestätigen lassen, im Rahmen der Würdigung der vorliegenden Beweisresultate unberücksichtigt gelassen, ohne diese Urkunden konkret zu bezeichnen, wird eine Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 zweiter Fall nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung gebracht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 432). Das Erstgericht hat sich überdies in Ansehung der in A./I./2./ zusammengefassten Schuldsprüche sehr wohl mit den bezughabenden Unterlagen auseinandergesetzt (US 26, 27).

Zu den Schuldsprüchen A./II./ bis V./ und VII./ bis X./:

Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ist der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrunds hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810). Dem Vorbringen der Rechtsrüge zuwider hat das Erstgericht die vermissten Konstatierungen zur subjektiven Tatseite ohnedies getroffen (zu A./II./ s US 18 iVm US 2 und 23; zu A./III./ und IX./ s US 20 iVm US 2 und 23; zu A./IV./, V./, VII./ und VIII./ s US 19 f iVm US 2, 23 und 29; zu A./X./ s US 21 iVm US 2 und 23, 31). Mit der weiteren, unter lapidarem Hinweis auf die „sehr überzeugende" Einlassung des Angeklagten aufgestellten Behauptung, dieser hätte „keinerlei Vorsatz zur Begehung einer Straftat gehabt" und sich darauf verlassen können, dass „die getätigten Ausgaben von der A***** bezahlt werden würden bzw der Angeklagte die Rechnungen durch die ihm von der A***** zustehenden Prämien bezahlen kann", erschöpft sich die Beschwerde in der substratlosen Bestreitung der Urteilsannahmen und verfehlt solcherart den gesetzlich geforderten Bezugspunkt.

Zu den Schuldsprüchen A./XI./ bis XIII./:

Die zu diesen Schuldsprüchen erhobene Forderung (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) nach klärenden Feststellungen zu der Frage, ob „die mit dem Angeklagten in Partnerschaft lebende Eva Sti***** das gegenständliche Darlehen, das Zurverfügungstellen eines Telefons sowie eines Internetanschlusses aus persönlichen Gründen und aus freien Stücken gewährt hat", scheitert schon daran, dass der Nichtigkeitswerber nicht (und somit auch nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet) darlegt, inwiefern die vermisste Feststellung die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage (insbesondere angesichts der Urteilsannahmen US 23) hätte beeinflussen können und solcherart eine entscheidende Tatsache betraf.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher - ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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