OGH 12Os145/08b

OGH12Os145/08b19.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klugar als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Valentin M***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 11. April 2008, GZ 40 Hv 14/07b-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch Privatbeteiligtenzusprüche enthaltenden Urteil wurde Valentin M***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB, des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB schuldig erkannt. Danach hat er in Bregenz und Kärnten

A) zwischen dem 1. Mai 2004 und Juli 2006 die geistig behinderte

Sabrina P*****, mithin eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er

1) mehrfach zumindest seinen Penis an ihrer Scheide ansetzte, einen Finger in ihre Scheide einführte, ihre Brüste küsste und massierte, sohin geschlechtliche Handlungen an ihr vornahm;

2) geschlechtliche Handlungen von ihr an sich vornehmen ließ, indem er sie dazu anhielt, seinen Penis anzufassen;

B) im Zeitraum 1999 bis 2001 mit unmündigen Personen dem Beischlaf

gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, nämlich mit

1) der am 5. März 1990 geborenen Kathrin S***** im Zeitraum Ende 1999 in zumindest zwei Angriffen durch Einführen seines Fingers in ihre Scheide sowie zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2000 durch Einführen seiner Zunge in ihre Scheide;

2) der am 6. Juni 1992 geborenen Selina A***** zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen März/April 2001 und Oktober 2001 durch Einführen eines Fingers in ihre Scheide;

C) im Zeitraum Sommer 1999 bis 2001 außer dem Fall des § 206 StGB

geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen, und zwar hinsichtlich

1) der am 5. März 1990 geborenen Kathrin S***** im Zeitraum Sommer 1999 bis August 2001 in zahlreichen Angriffen durch Betasten/Massieren der nackten Scheide auch zwischen den Schamlippen, teilweise nach Aufforderung die Beine zu spreizen, Lecken an der Scheide, Einfahren mit der Hand in die Unterhose und Streicheln des nackten Gesäßes sowie Einfahren in die Po-Spalte und „Verabreichen von intensiven Zungenküssen";

2) der am 6. Juni 1992 geborenen Selina A***** im Zeitraum ca März/April 2001 bis Oktober 2001 in zahlreichen Angriffen durch Eincremen der nackten Scheide und Massieren derselben auch zwischen den Schamlippen, teilweise nach Aufforderung die Beine zu spreizen, Lecken an der Scheide, Einfahren mit der Hand in die Unterhose und Streicheln des nackten Gesäßes sowie Einfahren in die Po-Spalte und „Verabreichen von intensiven Zungenküssen";

D) durch die unter A, B und C geschilderten Taten unter Ausnützung

seiner Stellung gegenüber den seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Kathrin S*****, Selina A***** und Sabrina P***** an diesen geschlechtliche Handlungen vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie geht fehl.

Der Einwand der Mängelrüge, die Urteilsannahme, Sabrina P***** sei aufgrund seelischer Störungen unfähig gewesen, die Bedeutung des Vorgangs (einer geschlechtlichen Handlung) einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, stehe in einem - im Sinn der Z 5 zweiter Fall erörterungsbedürftigen - Widerspruch zu den Gutachten von Prim. Univ.-Prof. Dr. Reinhard H***** und Dr. Hans-Peter O*****, seien diese doch lediglich von einer leichten Behinderung bzw Intelligenzminderung ausgegangen, vernachlässigt das weitere Ergebnis der Expertise Dris. H*****, wonach die Genannte nicht in der Lage war, die Bedeutung geschlechtlicher Handlungen einzusehen (S 233/II, US 13), und den Umstand, dass die vom Erstgericht sehr wohl berücksichtigten (US 8) Begutachtungen durch Dr. O***** keinerlei Ausführungen zur Einsichtsfähigkeit des Tatopfers in sexualbezogene Vorgänge enthalten (S 437 ff/I).

Da dem Schuldspruch ausschließlich die mangelnde Diskretions- und Dispositionsfähigkeit der Sabrina P***** in Ansehung geschlechtlicher Handlungen zugrundeliegt, waren die Tatrichter nicht gehalten, auf deren von der Beschwerde aus der Aussage der Genannten im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung abgeleitete Wehrhaftigkeit einzugehen.

Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Mit Tatsachenrüge sollen nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen über entscheidende Tatsachen, das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände (nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) verhindert werden. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit der Wiedergabe isoliert herausgegriffener Passagen der Aussagen der Zeuginnen Sabrina P***** und Selina A***** und der bloßen Behauptung nicht näher bezeichneter Widersprüche in den Angaben der Kathrin S***** vermag die Tatsachenrüge keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs an der Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen methodengerechten Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung des Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei, zur Voraussetzung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Indem er behauptet, die Kinder seien nicht seiner, sondern lediglich der Aufsicht seiner allein beim Verein V***** in Bregenz angestellten Ehegattin unterstanden, wendet sich der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) gegen die Annahme des tateinheitlichen Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB. Er vernachlässigt jedoch die vom Erstgericht festgestellte Tatbegehung unter Ausnützung seiner Stellung als „de-facto-Vater", Erzieher und Aufsichtsperson (US 6 f, 9 f) und leitet überdies nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, weshalb ein derartiges Verhalten einer Subsumtion unter den genannten Tatbestand nicht genügen sollte (vgl Schick in WK² § 212 Rz 5). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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