OGH 11Os200/08h

OGH11Os200/08h17.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard S***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. August 2008, GZ 49 Hv 18/08d-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard S***** einer unbestimmten Anzahl von Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in K***** in wiederholten Angriffen mit nachgenannten unmündigen Personen eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung dadurch unternommen, dass er seine Finger in deren Scheide einführte, und zwar

I. in der Zeit von 2000 bis 2004 mit der am 7. Februar 1996 geborenen Saskia T*****;

II. in der Zeit von 2002 bis 2004 mit der am 27. Jänner 1998 geborenen Selina T*****.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Ein unter Berufung auf § 281 Abs 1 Z 3 StPO gerügter Verstoß gegen die Bestimmung des § 250 Abs 1 erster Satz StPO, wonach der Vorsitzende befugt ist, ausnahmsweise den Angeklagten während der Abhörung eines Zeugen oder eines Mitangeklagten aus dem Sitzungssaal abtreten zu lassen, ist nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 11 mwN).

Der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf „Einvernahme des Sohnes des Angeklagten, Dominik S*****, zum Beweis dafür, dass die Pornofilme frei zugänglich waren und die Kinder ihre Aussagen aus diesen Filmen beziehen können", wurde mit der Begründung abgewiesen, dass das Beweisthema irrelevant sei, „da alleine die Tatsache, dass die Pornofilme herumgelegen sind, nichts dazu beiträgt, dass die Kinder diese gesehen haben" (ON 26 S 89). Darin ist keine Schmälerung von Verteidigungsrechten gelegen, darf doch eine Beweisaufnahme unterbleiben, wenn das Beweisthema für die Beurteilung des Tatverdachts ohne Bedeutung ist (§ 55 Abs 2 Z 1 zweiter Fall StPO). Dass sich das Erstgericht zur Fundierung der zum Tatgeschehen getroffenen Feststellungen (US 4) vor allem auf die Angaben von Saskia und Selina T***** vor der Polizei (S 25 ff/I) und vor Gericht (ON 10, 11) stützte, dabei „geringfügige Abweichungen innerhalb der Aussagen" bedachte und auf Grund ausführlicher Erwägungen (US 5 bis 8) zur Überzeugung kam, dass die Abweichungen „keinen Zweifel an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit der Mädchen" ließen (US 7), ist als logisch und empirisch einwandfrei nicht zu beanstanden (Z 5 vierter Fall).

Warum die als übergangen reklamierten (Z 5 zweiter Fall) Angaben der Zeugin Birgit T***** darüber, dass sie von einer Kindergärtnerin auf den Verdacht sexuellen Missbrauchs hingewiesen worden sei (S 11/I sowie ON 26 S 7, 13), und der dies in Abrede stellenden Zeugin Gabriele L***** (S 543 f/I) erheblich, also für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung und daher erörterungsbedürftig (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409, 421) sein sollen, legt die Beschwerde nicht dar. Gleiches gilt hinsichtlich der vom Angeklagten vermissten Erwägungen zu Angaben der Zeugin Birgit T***** darüber, ob die Kinder ab Herbst 2004 noch alleine zur Schwester der Genannten, nämlich der Frau des Angeklagten, oder zu diesem „in das Haus" gehen durften (S 15/I), und zur Aussage des Zeugen Helmut T***** darüber, ob sich ihm seine Tochter Saskia „ganz geöffnet" habe (vgl S 21/I, ON 26 S 65). Soweit sich der Beschwerdeführer auf fehlende Genauigkeit in den Angaben der Mädchen über Tatzeiträume und Häufigkeit bezieht (Z 5 vierter Fall; vgl S 27 f/I), spricht er keinen für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Umstand an (RIS-Justiz RS0116736). Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) wird zwar nominell behauptet, aber nicht aufgezeigt. Sie läge dann vor, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine Aussage und der Urkunde oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht. Derartiges bringt der Angeklagte nicht vor.

Die übrigen Einwände der Mängelrüge (Z 5) richten sich mit ihren Erörterungen zur Glaubwürdigkeit der Zeuginnen Elisabeth I***** (S 465 ff/I) und Birgit T***** (ON 26 S 7 ff) nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag beim Obersten Gerichtshof keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken, indem sie auf die vom Beginn eines von der Mutter der Kinder gehegten Missbrauchsverdachts bis zur Anzeige gegen den Angeklagten vergangene längere Zeit verweist und weiters im Kern vorbringt, die Kinder seien von der Polizei (vgl S 25 ff/I) und bei Gericht von der Sachverständigen (§ 165 Abs 3 zweiter Satz StPO) Mag. Andrea P***** (ON 10, 11) suggestiv befragt und dabei „mit einem Vorwurf konfrontiert" worden, „welcher sich im Wesentlichen auf die fixe Idee der Kindesmutter reduziert".

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher (auch unter Berücksichtigung der gemäß § 24 StPO erstatten Äußerung des Angeklagten) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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