OGH 7Ob2/09h

OGH7Ob2/09h11.2.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ludwig S*****, vertreten durch Dr. Egbert Schmid und Dr. Michael Kutis, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1.) Dr. Peter V*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und andere Rechtsanwälte in Wien, 2.) K*****, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, und 3.) S*****, vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.000 EUR (sA) und Feststellung, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. September 2008, GZ 14 R 94/08h-73, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Februar 2008, GZ 28 Cg 32/05i-65, infolge der Berufungen des Klägers und der drittbeklagten Partei teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Erstbeklagte nahm am 22. 3. 2002 als Belegarzt im Krankenhaus der Zweitbeklagten die operative Entfernung eines Marknagels aus dem linken Oberschenkel des Klägers vor. Dabei wurde die Kniegelenksarterie durchtrennt. Obwohl der Erstbeklagte auf diese Verletzung, die ein seltenes, aber bekanntes Operationsrisiko darstellt, rasch und richtig reagierte, traten beim Kläger in der darauf folgenden Nacht krampfartige Schmerzen im linken Unterschenkel auf. Um 6:00 Uhr morgens konnte der Kläger, der vom Erstbeklagten noch um 0:45 Uhr visitiert worden war, die Zehen nicht spüren. Sein linker Unterschenkel war geschwollen und fühlte sich „bamstig" an. Der Erstbeklagte visitierte den Kläger um 8:00 Uhr morgens neuerlich. Er traf zunächst keine weiteren Veranlassungen, obwohl er aufgrund des Zustands des Klägers, dessen Knöchelpulse nicht zu tasten, aber mit der Doppelsonde zu orten waren, an einen Wiederverschluss der Arterie denken und diesen Verdacht durch eine Angiographie abklären hätte müssen. Tatsächlich war zwischen Mitternacht und 6:00 Uhr früh ein Wiederverschluss der Arterie eingetreten. Wäre dies am 23. 2. 2002 um 8:00 Uhr früh mittels Angiographie festgestellt und der Kläger sogleich operiert worden, wären ihm mit größter Wahrscheinlichkeit weitere Komplikationen, insbesondere massive Muskelnekrosen und dadurch bedingte weitere Operationen, erspart geblieben.

Der Kläger begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand aus dem Titel des Schadenersatzes ein Schmerzengeld von 10.000 EUR (sA) sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle Schäden, die ihm aufgrund der Behandlung im Zeitraum 22. bis 24. 3. 2002 künftig noch entstünden. Im Revisionsverfahren ist allein strittig, ob auch die Zweitbeklagte gemeinsam mit dem Kläger, dessen Haftung rechtskräftig festgestellt ist, solidarisch haftet.

Die Vorinstanzen haben eine Haftung der Zweitbeklagten als Belegspital verneint. Das Berufungsgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Erstbeklagte sei als Belegarzt für Operation und Behandlung von Komplikationen verantwortlich gewesen, während die Zweitbeklagte dem Kläger lediglich die krankenhausspezifischen Hilfs- und Zusatzdienste geschuldet habe. Dazu gehöre die ärztliche Grundversorgung wie beispielsweise die Verabreichung von Schmerzmitteln, nicht aber die eigenständige Vornahme von Diagnosen und Behandlungen von aufgetretenen Komplikationen. Soweit ärztliches Personal des Belegspitals den Belegarzt bei Operation und Behandlung von Komplikationen unterstütze, sei es dessen Weisungen unterworfen. Das Verhalten der Spitalsärzte sei daher nur dem Erstbeklagten, nicht aber der Zweitbeklagten zuzurechnen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zur Frage bestehe, ob der Krankenhausträger für Verschulden des von ihm dem Belegarzt zur Unterstützung beigestellten Personals hafte.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die vom Kläger gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat zur Aufgabenteilung zwischen Belegarzt und Belegspital bereits wiederholt Stellung genommen (1 Ob 267/99t, SZ 72/164; RIS-Justiz RS0112629; vgl auch RS0112628). Danach hat der Belegarzt die ihm obliegende Behandlung des Patienten eigenverantwortlich, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchzuführen. Der Belegarzt ist befugt, den Patienten im Belegspital zu operieren und, solange eine stationäre Behandlung erforderlich ist, dort nachzubehandeln und vom Spitalspersonal betreuen zu lassen. Zur Durchführung der Operation hat das Belegspital seine Räumlichkeiten, Apparate und Instrumente entsprechend zur Verfügung zu stellen. Dem Belegarzt wird grundsätzlich auch die Mitwirkung nachgeordneter Ärzte, Schwestern und Pfleger zugesagt. Soweit dies der Fall ist, unterstehen diese Personen im Rahmen der Behandlung des Patienten den Weisungen und Anordnungen des Belegarztes. Aufgabe des Belegspitals ist es hingegen, den Patienten unterzubringen, zu verpflegen und die für die Durchführung der stationären Behandlung des Patienten durch den Belegarzt erforderlichen Hilfen zur Verfügung zu stellen, soweit dies nicht der Belegarzt selbst besorgt. Die im Belegarztvertrag erkennbare Aufgabenteilung führt gegenüber dem Patienten zu einer entsprechenden Aufspaltung der Leistungspflichten des Belegarztes einerseits und des Belegspitals andererseits (9 Ob 152/04z). Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 267/99t weiter ausgesprochen hat, ist es allerdings möglich, dass die Pflichtenkreise des Belegarztes und des Belegspitals einander überschneiden. Dass zwischen den Patienten und dem Belegspital ein Krankenhausvertrag besteht, schließt keineswegs aus, dass Spitalsangestellte als Erfüllungsgehilfen des Belegarztes (im Rahmen einer von diesem durchzuführenden Operation, zweifellos aber auch im Rahmen der Behandlung operationskausal auftretender Komplikationen) agieren. Ob im Einzelfall eine solidarische Haftung sowohl des Belegarztes als auch des Krankenhausträgers zu bejahen ist, hängt aber von den konkreten Umständen ab und lässt sich daher nicht generell beurteilen. Dies muss hier nicht näher erläutert und vertieft werden, weil unter den festgestellten Umständen eine Haftung der Zweitbeklagten schon aus folgenden Erwägungen jedenfalls zu verneinen ist:

Die Ansicht des Klägers, auch die Zweitbeklagte habe neben dem Erstbeklagten zu haften, gründet sich auf den Vorwurf, dass der den Kläger um 6:30 Uhr visitierende Spitalsarzt und auch das übrige Krankenhauspersonal in der Zeit der Abwesenheit des Erstbeklagten (von 0:45 Uhr bis 8:00 Uhr früh) entsprechende Kontrolluntersuchungen und sonstige Maßnahmen, wie insbesondere die Verständigung des Belegarztes, unterlassen hätten. Auch wenn man darin ein (auch) der Zweitbeklagten zuzurechnendes Fehlverhalten erblickte, kann dies deren Haftung aber nicht begründen. Steht doch fest, dass bei einem pflichtgemäßen Verhalten des Erstbeklagten um 8:00 Uhr noch rechtzeitig eine Angiographie und eine Revisionsoperation durchgeführt hätte werden können und damit die hier strittigen Komplikationen mit größter Wahrscheinlichkeit zu verhindern gewesen wären. Schon mangels Schadenskausalität kommt eine Haftung der Zweitbeklagten also nicht in Betracht. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene, im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO für erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich im vorliegenden Fall daher gar nicht.

Da auch sonst keine Rechtsfragen von der von § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zu beantworten waren, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs konnten sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers nicht hingewiesen. Da ihre Revisionsbeantwortung daher einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht dienlich ist, hat sie deren Kosten nach § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen.

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