Spruch:
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Antrag des Obersten Gerichtshofs vom 17. Dezember 2008, AZ 7 Ob 223/08g, eine Wortfolge in § 42 sowie § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76, als verfassungswidrig aufzuheben, unterbrochen.
Text
Begründung
Der Vater der Minderjährigen beantragte die Herabsetzung seiner Geldunterhaltspflicht für die beiden Minderjährigen von derzeit je 450 EUR ab dem 1. 1. 2008 auf je 410 EUR monatlich. Seit der letzten Beschlussfassung am 7. 6. 2006 hätten sich seine Verhältnisse dadurch geändert, dass er nunmehr auch für ein weiteres - am 30. 9. 2007 geborenes - Kind unterhaltspflichtig sei und seine nunmehrige Ehegattin Kinderbetreuungsgeld beziehe, weshalb beim Unterhaltsbemessungsvorgang für seine Ehefrau ein Abzug von 3 % vorzunehmen sei.
Die Kinder beantragten die Abweisung dieses Herabsetzungsbegehrens. Das Erstgericht gab - unter Hinweis auf die seit 1. 1. 2008 anzuwendende Fassung des § 42 KBGG - dem Antrag des Vaters statt. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Mit der gesetzlichen Anordnung des § 42 KBGG, wonach das Kinderbetreuungsgeld nicht als eigenes Einkommen des beziehenden Elternteils gelte und nicht dessen Unterhaltsansprüche mindere, sei jener Rechtsprechung, wonach öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessung einzubeziehen seien, die Grundlage entzogen. Diese Bestimmung könne aber zu einer deutlichen Benachteiligung älterer Kinder aus einer Vorehe führen und sei daher im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz verfassungsrechtlich bedenklich. Da zur Frage der Anwendung und Auslegung des § 42 KBGG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, sei der ordentliche Revisionsrekurs für zulässig zu erklären.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Minderjährigen. Sie machen geltend, dass es sachlich nicht zu rechtfertigen sei und gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art 7 B-VG verstoße, wenn das in seinem Ausmaß nicht unbeträchtliche Kinderbetreuungsgeld dazu führe, dass letztlich der „zweiten" Familie des Unterhaltsverpflichteten ein finanzieller Vorteil gegenüber der „ersten" Familie entstehe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wären „vom Unterhaltsanspruch der Revisionsrekurswerber - in Anbetracht der Kindergeld beziehenden 'neuen' Ehegattin des Vaters - lediglich 1 % in Abzug zu bringen".
Rechtliche Beurteilung
Das Verfahren über den Revisionsrekurs ist von Amts wegen zu unterbrechen.
Die hier zu beurteilenden Bestimmungen des KBGG idF BGBl I 2007/76 lauten wie folgt:
„§ 42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche.
§ 43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß § 290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl Nr 79/1896, nicht pfändbar."
Der 6. Senat vertrat in den Entscheidungen 6 Ob 200/08t und 6 Ob 219/08m jeweils die Rechtsansicht, der Gesetzgeber habe in § 42 KBGG in einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass er im Bereich des Unterhaltsrechts das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben wolle. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um eine ausschließlich steuerrechtliche Regelung handle, weil sich eine solche vielmehr in der gesonderten, ausdrücklich mit „Pfändungsverbot und Steuerbefreiung" überschriebenen Bestimmung des § 43 KBGG befinde. Gegen die zitierten Bestimmungen des KBGG bestünden - jedenfalls in der von ihm zu beurteilenden Fallkonstellation - keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil dem einfachen Gesetzgeber bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen ein großer Gestaltungsspielraum zukomme. Das Kinderbetreuungsgeld unterscheide sich von Leistungen mit Einkommensersatzfunktion insofern, als es eine Abgeltung dafür darstellen solle, dass man sich dem Kind widme. Der 6. Senat kam zum Ergebnis, dass im Hinblick auf § 42 KBGG den Vater nun eine weitere Unterhaltsverpflichtung für seine Kinderbetreuungsgeld beziehende Ehegattin treffe, die gegenüber seinen Kindern aus erster Ehe, die im Haushalt der Mutter lebten, als unterhaltsmindernd zu berücksichtigen sei.
Der 7. Senat beantragte mit Beschluss vom 17. 12. 2008, AZ 7 Ob 223/08g, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 B-VG), in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" und § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, hilfsweise in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" als verfassungswidrig aufzuheben. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seien auch öffentlich-rechtliche Leistungen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Demgemäß habe der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, dass das nach dem KBGG idF BGBl I 2001/103 bezogene Kinderbetreuungsgeld, das an die Stelle des Karenzgelds getreten sei, ebenso als Einkommen zu gelten habe und nicht zu einer Verkürzung der gesetzlichen Unterhaltspflichten des beziehenden Elternteils führe. Weiters werde vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass jener Elternteil, der seine Unterhaltsverpflichtung Kindern aus zweiter Ehe durch deren vollständige Betreuung im Haushalt erbringt, seine Lebensverhältnisse derart gestalten müsse, dass er sowohl seiner Geldalimentationspflicht als auch seiner Betreuungspflicht angemessen nachkommen könne. Die Unterhaltsansprüche von Kindern seien grundsätzlich gleichrangig. Es laufe dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, wenn der Unterhaltspflichtige seinen Kindern aus zweiter Ehe volle Unterhaltsleistung in Form der häuslichen Betreuung zuteil werden lasse, während er den Kindern aus der ersten Ehe den Geldunterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit verwehre. Der Bestand der angefochtenen Wortfolge in § 42 KBGG ist auch im vorliegenden Fall präjudiziell, wäre doch im Fall der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof das von der nunmehrigen Ehegattin des Vaters bezogene Kinderbetreuungsgeld als deren Einkommen zu betrachten, was auf die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber den beiden Kindern aus erster Ehe Auswirkungen entfaltete. Gemäß § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG kann das Verfahren ganz oder zum Teil von Amts wegen oder auf Antrag unterbrochen werden, wenn eine Vorfrage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses den Gegenstand eines anderen anhängigen oder eines von Amts wegen einzuleitenden Verfahrens vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde bildet, die Lösung der Vorfrage im anhängigen Verfahren nicht ohne einen erheblichen Verfahrensaufwand möglich und mit der Unterbrechung keine unzumutbare Verzögerung verbunden ist.
Der Zweck dieser Bestimmung - widersprechende Entscheidungen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung zu verhindern - trifft im vorliegenden Fall zu (vgl 4 Ob 42/02h), wenngleich eine Unterbrechung wegen eines vor dem Verfassungsgerichtshof anhängigen präjudiziellen Verfahrens nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Zumal es eine unsachliche Verschiedenbehandlung darstellte, würde der Verfassungsgerichtshof im Fall der Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen die Wirkung der Aufhebung nicht über den Anlassfall hinaus erstrecken (vgl 4 Ob 42/02h), ist das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Anfechtung durch den Senat 7 des Obersten Gerichtshofs zu unterbrechen.
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