Spruch:
Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger und sein Vater waren Kommanditisten der Apotheke „Zum heiligen Benedikt Mag. pharm. Henriette T***** KG" in K*****. Der Anteil des Klägers betrug 1 %, jener seines Vaters 74 %. Komplementärin mit einem Anteil von 25 % und Inhaberin der Konzession war Mag. Henriette T*****.
Die Beklagte ist nach dem Klagevorbringen Gesamtrechtsnachfolgerin der bis zu ihrer Verschmelzung durch Aufnahme in die beklagte Partei zu FN ***** eingetragen gewesenen M*****Gesellschaft mbH (M*****-alt).
Die Nebenintervenientin auf Seiten der Beklagten ist die seit 30. 7. 2005 im Firmenbuch zu FN ***** eingetragene M***** GmbH (M*****-neu). Aufgrund zu hoher Privatentnahmen der Komplementärin wurde mit Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 21. 6. 2005, 14 Sa 2/05z, das Ausgleichsverfahren über das Vermögen der KG eröffnet und nach rechtskräftiger Bestätigung des mit einer Quote von 100 % angenommenen Ausgleichs mit Beschluss vom 1. 9. 2005 wieder aufgehoben.
Am 23. 6. 2006 verstarb der Vater des Klägers. Der Kläger gab am 30. 8. 2007 die unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass aufgrund eines Testaments vom 14. 10. 2002 ab, worin ihn der Vater zum Universalerben eingesetzt hatte. Er ist berechtigt, die Verlassenschaft im Sinn des § 810 ABGB selbstständig zu vertreten. Eine Einantwortung des Nachlasses ist noch nicht erfolgt. Mit der am 25. 4. 2007 eingelangten Klage begehrt der Kläger 984.420,51 EUR samt Zinsen und die Feststellung der Haftung der Beklagten für die vom Finanzamt vorgeschriebenen Einkommensteuerbeträge aus diesem Betrag. Die Beklagte habe als langjährige Steuerberaterin und -betreuerin des Klägers, seines Vaters, der Komplementärin und der Kommanditgesellschaft Warn-, Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Kläger und seinem Vater verletzt. Die Komplementärin habe rechtswidrig und zum Nachteil der KG „Über-Entnahmen" getätigt. Trotz Kenntnis dieser für die Kommanditisten nachteiligen Vorgänge habe die Beklagte den Kläger und seinen Vater nicht rechtzeitig darauf hingewiesen. Die Beklagte habe auch keine Gesellschafterbeschlüsse eingefordert und die ohne Wissen und Zustimmung der Kommanditisten erstellten Jahresabschlüsse der KG beim Finanzamt eingereicht. Zur Vermeidung eines größeren Schadens seien der Kläger und sein Vater gezwungen gewesen, die Entnahmen abzudecken. Sie hätten das Ausgleichserfordernis von 838.059,25 EUR erfüllt und dazu Fremdkapital aufnehmen müssen. Geltend gemacht würden nun die Über-Entnahmen der (ehemaligen) Komplementärin von 951.388,51 EUR, die der Kläger und sein Vater abgedeckt hätten, sowie ein Vertretungsaufwand von 33.032 EUR, der zur Abwendung der Insolvenz der Gesellschaft und zur Schadensminderung erforderlich gewesen sei. Ferner werde die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Zahlung jener Beträge verpflichtet sei, die den Kommanditisten aus Einkommensteuer für die Schadenersatzleistung vorgeschrieben werde. Eine Verjährung der Ansprüche sei nicht eingetreten. Der konkrete Schaden sei erst mit Vorlage des Jahresabschlusses 2005 im März 2007 bekannt geworden. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist sei nicht vereinbart worden.
Zur (bestrittenen) Aktivlegitimation brachte der Kläger vor, allfällige erbrechtliche Ansprüche der Miterben „im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen, aber auch aus dem Titel des Pachtverhältnisses zur ... KG" seien ihm abgetreten worden. Er sei nach dem Tod seines Vaters Universalerbe und habe aufgrund des Testaments vom 14. 7. 2002 die unbedingte Erbantrittserklärung abgegeben, weshalb er jedenfalls aktivlegitimiert sei. Der Nachlass nach seinem Vater sei ihm mittlerweile zur Gänze eingeantwortet worden.
Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin bestreiten - soweit derzeit relevant - die Aktivlegitimation des Klägers, die behauptete Abtretung von Forderungen an ihn und die Einantwortung des Nachlasses nach seinem Vater. Bestritten ist ferner die Passivlegitimation der Beklagten. Sie macht geltend, sie habe ihren Betriebsteil Steuerberatung an die Nebenintervenientin verkauft. Eine allfällige Forderung gegen die Beklagte sei überdies verjährt. Nach § 8 Abs 1 der vertraglich vereinbarten Allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder betrage die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche sechs Monate.
In der Tagsatzung vom 21. 9. 2007 erklärte das Erstgericht, es werde sich vorerst mit dem Vorbringen zur mangelnden Passivlegitimation und mit dem Einwand der Verjährung auseinandersetzen. Dies sei auch das Thema der Beweisaufnahme in der nächsten Tagsatzung. In der darauffolgenden Tagsatzung vom 10. 12. 2007 brachte der Klagevertreter vor, der Nachlass sei mittlerweile dem Kläger zur Gänze eingeantwortet worden. Der Beklagtenvertreter stellte eine Zurückziehung seines Einwands nach Vorlage der Einantwortungsurkunde in Aussicht, worauf das Erstgericht dem Kläger die Vorlage dieser Urkunde auftrug. Später verkündete es den Schluss der Verhandlung, das Verfahren sei zur Passivlegitimation und zur Verjährung entscheidungsreif und werde zur Vorlage der Einantwortungsurkunde gemäß § 193 Abs 3 ZPO geschlossen.
Nach dem Inhalt der daraufhin vorgelegten Amtsbestätigung des Gerichtskommissärs hat der Kläger eine unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass aufgrund des Testaments abgegeben, er ist ferner gemäß § 810 ABGB selbstständig vertretungsbefugt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, eine Abtretung allfälliger Ansprüche des Vaters bzw allfälliger Miterben an den Kläger sei nicht erfolgt. Diese Feststellung ließ der Kläger in seiner Berufung unbekämpft.
In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht die Aktivlegitimation des Klägers, weil ihm der Nachlass noch nicht eingeantwortet sei. Er gehe selbst davon aus, als Vertreter seines Vaters bzw dessen Verlassenschaft aufzutreten und habe trotz Erörterung und trotz vehementer Bestreitung der Beklagten und der Nebenintervenientin „unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er persönlich weiterhin prozessual gegen die Beklagte vorgehen möchte und nicht daran dachte, die Parteienbezeichnung mittels Antrags berichtigen zu lassen". Den Einwand der mangelnden Passivlegitimation und jenen der Verjährung behandelt das Erstgericht nicht. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurück. Die Abweisung des Klagebegehrens mangels Aktivlegitimation sei verfrüht. Eine Berichtigung der Parteibezeichnung (in Ansehung der Verlassenschaft nach dem Vater) sei nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Erstgericht habe nämlich in seiner Entscheidung selbst ausgeführt, dass der Kläger in der Tagsatzung vom 10. 12. 2007 davon ausgegangen sei, dass er als Vertreter der Verlassenschaft auftrete. Dass der Kläger eine Berichtigung der Parteibezeichnung abgelehnt hätte, ergebe sich nicht aus dem Verhandlungsprotokoll, sei aber derzeit nicht entscheidungswesentlich, weil der Kläger auch eigene Schadenersatzansprüche geltend mache. Soweit er nämlich eigenen Aufwandersatz begehre, sei er jedenfalls aktivlegitimiert. Allerdings sei er als Kommanditist bloß mittelbar geschädigt. Durch die Malversationen der Komplementärin habe die Kommanditgesellschaft einen unmittelbaren Schaden erlitten. Mit seinem Vorbringen, er und sein Vater, wie auch der neue Komplementär hätten sämtliche Verpflichtungen der Kommanditgesellschaft übernommen und den Ausgleich mit einer Quote von 100 % finanziert und die „Über-Entnahmen" der Komplementärin abgedeckt, mache der Kläger in Wahrheit nicht eigene Ansprüche als Kommanditist sondern Ansprüche nach § 1042 ABGB, allenfalls nach § 1422 ABGB geltend. Habe nämlich die Beklagte der Kommanditgesellschaft einen Schaden zugefügt, so müsste sie diesen der Gesellschaft und nicht ihren Gesellschaftern ersetzen. Mit Erfüllung der Schadenersatzforderung der Kommanditgesellschaft gegenüber der Beklagten wäre dieser Schadenersatzanspruch auf den Kläger, seinen Vater und allenfalls an den neuen Komplementär übergegangen.
Abgesehen von der noch nicht geklärten Gesamthöhe des Schadens sei daher im fortzusetzenden Verfahren auch zu erörtern, in welchem Ausmaß der Kläger selbst und sein Vater jeweils zur Tilgung der Ansprüche der Kommanditgesellschaft gegenüber der Beklagten beigetragen hätten. Das Verfahren werde daher in erster Instanz zur Erörterung der aktiven Klagelegitimation fortzusetzen sein. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die hier behauptete vertragliche Beziehung zwischen dem klagenden Kommanditisten und der Beklagten und die gesellschaftsrechtliche Beziehung zwischen dem klagenden Kommanditisten und der KG einen Anspruch des Klägers nach § 1042 ABGB ausschließe.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse der Beklagten und ihrer Nebenintervenientin sind aus den im Folgenden erörterten Gründen zulässig, sie sind im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Abweisung des Klagebegehrens aus dem Grund mangelnder Aktivlegitimation verfrüht war. Auf die diesbezüglichen Ausführungen der berufungsgerichtlichen Entscheidung wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Dem Verhandlungsprotokoll ist keineswegs zu entnehmen, dass sich der Kläger geweigert hätte, eine Änderung der Parteibezeichnung wegen jener Ansprüche vorzunehmen, zu deren Geltendmachung er mangels Einantwortung nur namens der Verlassenschaft berechtigt wäre. Im fortgesetzten Verfahren wird daher - nach Erörterung der Aktivlegitimation im Sinn des § 182a ZPO - dem Kläger die Möglichkeit zur Änderung der Parteibezeichnung zu geben sein.
2. Das Berufungsgericht hat die vom Kläger zur Abdeckung der „Über-Entnahmen" geleisteten Zahlungen als mittelbaren Schaden beurteilt.
Von einem mittelbaren Schaden wird dann gesprochen, wenn der Schaden außerhalb des Schutzzwecks der übertretenen Norm (oder des Zwecks des verletzten Vertrags) liegt. Dies wird insbesondere für Reflexschäden vertreten, die - wie etwa in den Stromkabelfällen - als Seitenwirkung bei einem Dritten eintreten (Karner in KBB² § 1295 Rz 13 mwN). Von diesen Fällen unterscheidet sich der hier zu beurteilende Sachverhalt.
Der Kläger stützt seinen Ersatzanspruch auf eine Verletzung des zwischen den Kommanditisten und der Beklagten als deren Steuerberaterin bestehenden Vertragsverhältnisses. Er macht geltend, die Beklagte habe gegen vertragliche Warn-, Aufklärungs- und Beratungspflichten verstoßen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Kommanditisten rechtzeitig von den „Über-Entnahmen" der Komplementärin in Kenntnis zu setzen. Sie sei daher verpflichtet, den Kommanditisten jenen Aufwand zu ersetzen, den sie hätten leisten müssen, um noch größeren Schaden (eine Insolvenz) der Gesellschaft abzuwenden.
Zweck einer derartigen vertraglichen Vereinbarung zwischen den Kommanditisten und ihrer Steuerberaterin, die zugleich auch die Kommanditgesellschaft und deren Komplementärin in steuerrechtlichen Fragen vertrat und deren Jahresabschlüsse beim Finanzamt einreichte, ist (auch) die Sicherung und Erhaltung der Werthaltigkeit der Kommanditbeteiligungen. Aufwendungen der Kommanditisten, die der Vermeidung einer Insolvenz der Gesellschaft und damit der Erhaltung und Werthaltigkeit ihrer Anteile gedient hätten, wären demnach vom Zweck des Vertrags und den damit verknüpften Warn- und Aufklärungspflichten erfasst. Sie wären nach den hier maßgebenden Umständen kein mittelbarer Schaden. Für eine abschließende rechtliche Beurteilung der Streitsache sind daher Feststellungen zur Höhe der aus dem Vermögen der Kommanditisten zur Erhaltung der Kommanditbeteiligungen und ihrer Werthaltigkeit nach den Klagebehauptungen getätigten Aufwendungen erforderlich.
3. Die weitere, in der berufungsgerichtlichen Entscheidung als erheblich bezeichnete, Rechtsfrage wird hier nicht aufgeworfen: Der Kläger hat im Verfahren nicht behauptet, dass die Beklagte (bzw deren Rechtsvorgängerin) Warn-, Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt hätte, die sie gegenüber der Kommanditgesellschaft habe erfüllen müssen. Er hat sich stets nur darauf berufen, dass die Beklagte ihre gegenüber den Kommanditisten bestehenden vertraglichen Pflichten, sie entsprechend zu beraten, zu warnen und aufzuklären, verletzt habe, wodurch sie gezwungen gewesen seien, die Entnahmen der Komplementärin auszugleichen, um eine schädigende Insolvenz der Gesellschaft und damit eine Entwertung der Kommanditanteile zu verhindern.
Dem Klagevorbringen ist auch keine Behauptung dahingehend zu entnehmen, dass die behaupteten Zahlungen der Kommanditisten eine Schadenersatzverpflichtung der Beklagten gegenüber der Kommanditgesellschaft getilgt hätten oder hätten tilgen sollen. Es fehlt somit jegliches Vorbringen, das eine Beurteilung des Sachverhalts nach § 1042 (allenfalls § 1422) ABGB angezeigt erscheinen ließe.
4. Das Erstgericht wird sein Verfahren im Sinn der Ausführungen zu den Punkten 1 und 2 dieser Entscheidung fortzusetzen und über das Klagebegehren neuerlich zu entscheiden haben. Es wird dabei auch auf die Fragen der (bestrittenen) Passivlegitimation und jene einer allfälligen Verjährung der Klageforderung einzugehen haben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO. Die Rekurse waren zwar nicht erfolgreich, trugen aber doch zur Klärung der Rechtslage bei, sodass die Schriftsätze zweckmäßige Prozesshandlungen sind (1 Ob 257/04g).
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