OGH 2Ob123/08i

OGH2Ob123/08i27.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton M*****, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas & Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2008, GZ 21 R 343/07k-30, womit das Urteil des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 31. Oktober 2007, GZ 1 C 737/06t-26, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 445,82 EUR (darin 74,30 EUR USt enthalten) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Am 20. Jänner 2005 gegen 16:50 Uhr ereignete sich auf der Bundesstraße 18 im Gemeindegebiet von Hainfeld bei Straßenkilometer 39,40 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines Pkw sowie Josef B***** als Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw samt einem schweren Anhänger beteiligt waren. Der Kläger wurde bei diesem Unfall schwer verletzt. Unfallskausale Spät- bzw Dauerfolgen sind nicht auszuschließen. Der Kläger begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftige Schäden aus diesem Verkehrsunfall zu einem Viertel, wobei die Haftung mit der Haftpflichtversicherungssumme in Ansehung des Lkw bzw des Anhängers beschränkt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und dem Klagebegehren statt. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil ein vergleichbarer Sachverhalt in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung bislang noch nicht behandelt worden sei und gerade der Lkw-Verkehr immer mehr zunehme. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die ordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO). Dass eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, begründet entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts in der Regel gerade keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0102181; RS0122015). Auch die Beklagte zeigt in ihrer Revision im Ergebnis keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Sie bringt im Wesentlichen vor, es liege keine Vorrangverletzung durch den Beklagtenlenker gemäß § 19 Abs 7 StVO vor, da schon eine Bremsung des Klagsfahrzeugs mit geringer Verzögerung ausgereicht hätte, um es vor dem Beklagtenfahrzeug anhalten zu können. Diese Rechtsfrage ist jedoch letztlich nicht entscheidungsrelevant, weil dem Lenker des Beklagtenfahrzeugs ein Verstoß gegen § 14 Abs 3 StVO vorzuwerfen ist. Nach dieser Bestimmung muss sich der Lenker beim Rückwärtsfahren von einer geeigneten Person einweisen lassen, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen war der etwa 45-jährige lenkerberechtigte Josef K*****, der Eigentümer des abzuholenden Holzes, an der Verladestelle anwesend. Er wäre somit als geeigneter Einweiser zur Verfügung gestanden. Die Beklagte hat nicht einmal vorgebracht, dass es dem Lenker des Beklagtenfahrzeugs nicht möglich gewesen wäre, sich Josef K*****s als Einweiser zu bedienen. Sie hat weiters nicht behauptet und bewiesen, dass bei Hinzuziehung von Josef K***** als Einweiser der Unfall ebenso passiert wäre. Es ist nach den Feststellungen nämlich nicht ausgeschlossen, dass unter Beiziehung eines Einweisers etwa die Wiederholung des Rückfahrmanövers infolge des fehlgeschlagenen ersten Versuchs nicht notwendig und daher bei Eintreffen des Klagsfahrzeugs am Unfallsort das Rückfahrmanöver des Beklagtenfahrzeugs soweit fortgeschritten gewesen wäre, dass das Klagsfahrzeug in seiner Fahrlinie nicht mehr behindert gewesen und somit der Unfall unterblieben wäre.

Die Normen der StVO, somit auch dessen § 14 Abs 3, sind grundsätzlich Schutzvorschriften im Sinne des § 1311 ABGB (RIS-Justiz RS0027803). Wird ein Schadenersatzanspruch auf die Verletzung eines Schutzgesetzes gestützt, dann hat der Geschädigte den Schadenseintritt und die Verletzung des Schutzgesetzes als solche zu beweisen. Für Letzteres reicht der Nachweis aus, dass die Schutznorm objektiv übertreten wurde. Der Geschädigte hat demnach den vom Schutzgesetz erfassten Tatbestand zu beweisen. Den Nachweis, dass ihm die objektive Übertretung des Schutzgesetzes nicht als schutzgesetzbezogenes Verhaltensunrecht anzulasten ist, hat jedoch der Schädiger zu erbringen (RIS-Justiz RS0112234 [T2]; vgl auch RS0027449).

Der Kläger hat hier den Schaden und die objektive Übertretung des § 14 Abs 3 StVO bewiesen. Sodann wäre es nach der angeführten Rechtsprechung an der Beklagten gelegen, zu behaupten und zu beweisen, dass Josef B***** an dieser Übertretung kein Verschulden traf. Diesen Beweis hat die Beklagte aber nicht angetreten. Wenn das Berufungsgericht der Beklagtenseite im Einzelfall ein Viertel Mitverschulden zugemessen hat, ist dies im Ergebnis jedenfalls nicht zu beanstanden.

Ob Josef B***** auch, wie dies das Berufungsgericht vertreten hat, eine Vorrangverletzung zur Last fällt, ist somit nicht mehr entscheidungswesentlich.

Die Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte