OGH 1Ob196/08t

OGH1Ob196/08t25.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jonathan K*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Klaus S*****, vertreten durch Dr. Georg Hesz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 3. Juni 2008, GZ 40 R 131/08y‑25, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 6. März 2008, GZ 30 C 460/06v‑20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 906,52 EUR (darin 175 EUR Barauslagen und 121,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Im schriftlichen Mietvertrag zwischen dem vormaligen Eigentümer der Liegenschaft und dem Beklagten wurde festgehalten, dass der Mietgegenstand nur zu Wohnzwecken verwendet werden dürfe. Eine Änderung des Verwendungszwecks sei ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Vermieters unzulässig. Ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters dürfe das Mietobjekt nicht ganz oder teilweise dritten Personen überlassen werden. Geschäftsräume dürften ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters auch nicht im Wege eines allfälligen Gesellschaftsverhältnisses, Pachtvertrags udgl dritten Personen überlassen werden.

Entgegen dem Wortlaut des schriftlichen Mietvertrags war eine Benutzung zu Wohnzwecken nicht beabsichtigt. Nach dem Willen beider Vertragsparteien sollte das Mietobjekt zu Gewerbezwecken, nämlich als Büro bzw Aktenlager (Archiv) eines Stahlhandelsunternehmens benutzt werden. Der Vermieter erklärte auch gleichzeitig mit dem Mietvertragsabschluss schriftlich seine Zustimmung zur (Unter‑)Vermietung des Objekts an die damalige Ehegattin des Beklagten, die einen Stahlhandel betrieb. Es kam dem Vermieter nicht darauf an, in welcher Rechtsform der Stahlhandel betrieben werde, solange dieser wirtschaftlich dem Beklagten bzw dessen Ehefrau zuzuordnen ist.

Der Beklagte vermietete das Mietobjekt auch an seine Ehegattin, die im Objekt ein Büro betrieb. Ab 1. Juli 1984 vermietete er es an eine GmbH, deren Mehrheitsgesellschafterin seine Ehefrau war, „zur Mitbenutzung". Nach der Scheidung erwarb der Beklagte die Mehrheit der Geschäftsanteile an der GmbH und ist seit 1996 deren Alleingesellschafter. Der Vermieter wusste nichts von der Untervermietung des Mietobjekts an die GmbH.

Der Kläger erwarb die Liegenschaft im Jahr 2003. Er führte etwa zwei bis drei Monate nach dem Erwerb eine Hausbegehung durch, bei der er auch das Mietobjekt besichtigte. Damals waren darin ua Autoreifen und eine alte Therme gelagert. Es fiel ihm nicht auf, dass an der Eingangstür unter anderem ein Firmenschild der GmbH angebracht war. Der Beklagte teilte dem Kläger anlässlich der Hausbegehung mit, dass ihm der Vermieter eine Verwendung des Mietobjekts als Lager sowie dessen Untervermietung erlaubt habe. Der Kläger, der zum damaligen Zeitpunkt nur den schriftlichen Mietvertrag kannte, ersuchte den Beklagten, ihm die entsprechende Zustimmungserklärung des Voreigentümers zu übergeben. Trotz wiederholter Aufforderung kam es dazu nicht, wobei der Beklagte stets erklärte, er habe die Urkunde noch nicht gefunden. Mit Schreiben vom 2. August 2005 teilte der seinerzeitige Vermieter dem Kläger mit, dass er dem Beklagten ausschließlich die Untervermietung (zur Aktenlagerung) an die seinerzeitige Stahlhandelsfirma seiner Frau gestattet habe. In der Folge („etwa im Sommer/Herbst 2005") übergab der Beklagte dem Kläger auch die schriftliche Zustimmungserklärung.

Das Mietobjekt war zunächst als Büro verwendet worden, zuerst von der Ehegattin des Beklagten und in der Folge (auch) von der GmbH. Im Jahr 1990 wurde das Büro aufgegeben und das Mietobjekt nur mehr als Lager benutzt. Seit Jahresbeginn 2004 wurde es kaum mehr benutzt und diente keinem anderen Zweck als der Ablagerung von verschiedensten Gegenständen, wobei die Lagerung von geschäftsbezogenen Unterlagen nur einen untergeordneten Teil der Nutzung ausmachte. Eine künftige Benützung als Büro ist nicht absehbar. Die GmbH übt ihre Geschäftstätigkeit in der Eigentumswohnung des Beklagten aus.

Der Kläger kündigte den Bestandvertrag gerichtlich auf und brachte dazu vor, dass der Beklagte das Bestandobjekt für eigene Wohnzwecke angemietet habe. Es werde jedoch nicht zum vereinbarten Zweck genutzt, sondern sei zur Gänze weitergegeben worden, und zwar an eine GmbH, wobei die Weitergabe gegen überhöhtes Entgelt erfolgt sei. Eine Zustimmung zur Weitergabe bzw gar zur Weitergabe gegenüber überhöhtes Entgelt sei niemals erteilt worden, ebensowenig zu einer Nutzung des Objekts für Lagerzwecke. In eventu wurde vorgebracht, dass die Wohnung ungenutzt leer stehe.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die GmbH sei mit Zustimmung des Vermieters in das Mietobjekt aufgenommen worden. Dies sei dem Kläger wegen der an der Wohnungstür angebrachten Geschäftsschilder seit dem Erwerb der Liegenschaft bekannt gewesen. Ein überhöhtes Entgelt sei weder gefordert noch vereinnahmt worden. Der Kläger habe sich seines Kündigungsrechts verschwiegen, weil er schon im Jahr 2004 Kenntnis von allen Umständen gehabt habe, auf welche in der Kündigung Bezug genommen worden sei. Insbesondere habe er bereits ein Jahr vor der Aufkündigung Kenntnis davon gehabt, dass diverse Gegenstände im Lokal abgelagert würden.

Das Erstgericht erkannte die Aufkündigung für rechtswirksam und den Beklagten schuldig, das Mietobjekt geräumt zu übergeben. Eine grundsätzlich unzulässige Untervermietung liege nicht vor, weil der Vermieter eine Untervermietung zu gewerblichen Zwecken, und zwar zur Verwendung als Büro bzw Aktenlager an im Einflussbereich des Beklagten stehende Unternehmen, erlaubt habe. Eine Kündigung nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG sei weder ausdrücklich erfolgt, noch sei den Behauptungen in der Kündigung ein unter Z 7 subsumierbares Tatsachenvorbringen zu entnehmen. Verwirklicht sei allerdings der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 zweiter Fall MRG. Es sei nicht festgestellt worden, dass der vereinbarte Untermietzins von 2.500 ATS (monatlich) nicht auch tatsächlich vorgeschrieben und vereinnahmt worden sei. Der vereinbarte und offensichtlich auch vorgeschriebene Untermietzins übersteige den Hauptmietzins (200 ATS) um das 12,5‑fache. Von einem stillschweigenden Verzicht des Klägers auf den Kündigungsgrund sei nicht auszugehen. Weder der Voreigentümer noch der Kläger hätten Kenntnis von der Höhe des Untermietzinses bzw von der Untervermietung an die GmbH gehabt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung und Abweisung des Räumungsbegehrens ab und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Zutreffend sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass der Kläger - entgegen seinen Ausführungen in der Berufungsbeantwortung - den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG (Fehlen einer zumindest gleichwertigen geschäftlichen Betätigung) in seinem Kündigungsvorbringen nicht geltend gemacht habe. Er habe vorgebracht, dass das (nur) für eigene Wohnzwecke angemietete Mietobjekt nicht zum vereinbarten Zweck genutzt werde, dass das Objekt vielmehr untervermietet und dass zu einer Nutzung für Lagerzwecke keine Zustimmung erteilt worden sei. Dieses Kündigungsvorbringen betreffe ausschließlich die behaupteten Wohnzwecke. Auch das Eventualvorbringen, die Wohnung stehe ungenutzt leer, „verlasse die Behauptung der vereinbarten Wohnzwecke nicht". Das Kündigungsvorbringen lasse nicht erkennen, dass nach Ansicht des Klägers die Ablagerung von Büroeinrichtung, Kartons mit diversen Büchern und Kleidung, leeren Ordnern und Ordnern mit Geschäftsunterlagen der bedungenen Verwendung als Büro und Lager nicht gleichwertig sei. Zutreffend habe das Erstgericht auch erkannt, dass die gänzliche Weitergabe an die „Ein‑Mann‑Gesellschaft" des beklagten Hauptmieters vertragskonform gewesen sei, dass ein Kündigungsverzicht nicht vorliege und den Vermieter eine Erkundigungsobliegenheit nicht treffe. Aber auch der vom Erstgericht als verwirklicht angesehene Kündigungsgrund der Verwertung des Mietobjekts gegen ein unverhältnismäßig hohes Entgelt liege nicht vor, weil das Erstgericht dazu eine Negativfeststellung getroffen habe. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO gestellt hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Revisionswerberin ausschließlich den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG aufrecht hält, sodass zu prüfen ist, ob der Kläger diesen Kündigungsgrund in seiner gerichtlichen Aufkündigung ausreichend deutlich geltend gemacht hat und ob der entsprechende Kündigungstatbestand erfüllt ist.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen spricht nach Ansicht des erkennenden Senats gerade in einem Fall wie dem vorliegenden nichts für eine engherzige Auslegung des Vorbringens in der Aufkündigung, hat doch auch der Beklagte durch die Unterfertigung eines den tatsächlichen Abreden nicht entsprechenden schriftlichen Mietvertrags für den Kläger als Liegenschaftserwerber eine sehr unklare Rechtssituation geschaffen und in der Folge an deren Aufklärung nur bruchstückhaft mitgewirkt. Auch wenn sich der Kläger in der Aufkündigung - in Anlehnung an den schriftlichen Mietvertrag - primär auf den Standpunkt stellte, die Wohnung sei „für eigene Wohnzwecke" angemietet worden, hat er doch auch ganz allgemein formuliert, dass eine Zustimmung zur Nutzung „des Objekts für Lagerzwecke" nie erteilt worden sei. Da der Beklagte aufgrund der vorangegangenen Kontakte mit dem Kläger wusste, dass dieser auch mit der Zulässigkeit einer (eingeschränkten) geschäftlichen Nutzung rechnen musste, musste er das Aufkündigungsvorbringen durchaus so verstehen, dass sich der Kläger, sofern sich eine ausschließliche Widmung zu Wohnzwecken nicht herausstellen sollte, gerade auch darauf berufen will, dass allenfalls eine Nutzung zu bestimmten geschäftlichen Zwecken gestattet worden war, keinesfalls aber eine als bloßes Lager.

Nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen war zwischen den seinerzeitigen Vertragspartnern vereinbart worden, dass das Mietobjekt nicht nur vom Beklagten selbst, sondern auch von einem ihm nahestehenden Stahlhandelsunternehmen als Büro bzw Aktenlager (Archiv) benutzt werden dürfe. Eine solche Nutzung als Büroraum durch zwei Unternehmen dieser Branche hat in der Folge auch stattgefunden. Im Jahr 1990 wurde das Büro allerdings aufgegeben und das Mietobjekt nur mehr als Lager benutzt. Ab Anfang 2004 diente es überhaupt nur mehr der Ablagerung von (über längere Zeit nicht benötigten) Gegenständen und nur in einem untergeordneten Ausmaß auch der Lagerung von geschäftsbezogenen Unterlagen. Eine künftige Nutzung als Büro ist derzeit nicht absehbar.

Nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG liegt ein Kündigungsgrund vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, dass der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalt abwesend ist. Damit soll sichergestellt werden, dass sich ein Vermieter vom Vertrag lösen kann, wenn der Mieter das Bestandobjekt nicht mehr zum vereinbarten Zweck benötigt und ein entsprechender Bedarf nicht nur kurzfristig aufgrund besonderer Umstände weggefallen ist. Der hier zu beurteilende Sachverhalt erfüllt den gesetzlichen Tatbestand, wurde doch eine Nutzung als Büro bzw Archiv vereinbart und dienen die Räumlichkeiten schon seit vielen Jahren fast nur mehr der Ablagerung von Gerümpel sowie über längere Zeit nicht benötigten Gegenständen und nur in ganz untergeordnetem Umfang auch der Lagerung von Geschäftsunterlagen. Auch der Beklagte hat eine abredegemäße Nutzung gar nicht behauptet. Im Verfahren erster Instanz hat er lediglich eingewandt, er habe mit Zustimmung des Voreigentümers die GmbH ins Mietobjekt „aufgenommen" und der Kläger habe bereits ein Jahr vor der Aufkündigung Kenntnis davon gehabt, dass im Lokal diverse Gegenstände abgelagert seien.

Der Auffassung des Beklagten, der Kläger habe sich der geltend gemachten Kündigungsgründe „verschwiegen", weil er bereits ein Jahr vor der Aufkündigung Kenntnis von den maßgeblichen Umständen gehabt hätte, haben sich schon die Vorinstanzen nicht angeschlossen. Nach den maßgeblichen Feststellungen wurde dem Kläger erstmals „im Sommer/Herbst 2005" die schriftliche Zustimmungserklärung des seinerzeitigen Vermieters übergeben. Der Kläger hat daraufhin bereits am 3. Oktober 2005 erstmals ein Kündigungsverfahren eingeleitet und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er die Auffassung vertritt, die Art der Nutzung des Bestandobjekts widerspreche den Vereinbarungen. Warum der Kläger unter diesen Umständen daran gehindert sein sollte, sich auch in diesem Verfahren auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG zu berufen, vermag der Beklagte auch in seiner Revisionsbeantwortung nicht nachvollziehbar zu begründen.

Damit ist die im Ergebnis zutreffende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 Abs 1 und 50 Abs 1 ZPO.

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