OGH 3Ob216/08y

OGH3Ob216/08y19.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Wilfried ***** W*****, vertreten durch Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 4. Juli 2008, GZ 4 R 129/08p-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 3. März 2008, GZ 8 C 48/08k-10, als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Das Firmenbuchgericht verhängte über den Kläger wegen Nichtvorlage des Jahresabschlusses zum 31. Jänner 2005 eine Zwangsstrafe von 450 EUR, worüber die Kostenbeamtin des Firmenbuchgerichts einen Zahlungsauftrag erließ. Dieser ist seit 12. Jänner 2007 vollstreckbar.

Das Erstgericht bewilligte der beklagten Partei die exekutive Hereinbringung des im Zahlungsauftrag genannten Betrags (457 EUR). Der Kläger begehrte die Feststellung, dass der Anspruch der beklagten Partei aus dem Zahlungsauftrag erloschen sei sowie die Aufhebung der „bisherigen Exekutionsakte".

Die beklagte Partei wendete die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein und bestritt im Übrigen die Berechtigung des Klagebegehrens. Das Zivilgericht sei gemäß § 35 Abs 2 letzter Satz EO für Einwendungen gegen verwaltungsbehördliche Exekutionstitel nicht zuständig und dürfe über eine der Verwaltungsbehörde zustehende Frage nicht absprechen.

Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs mit in das Urteil aufgenommenem Beschluss und gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der beklagten Partei das Ersturteil als nichtig auf und wies die Klage zurück. Im vorliegenden Fall sei der Rechtsweg unzulässig, weshalb die Nichtigkeit des Ersturteils nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO auszusprechen und die Klage zurückzuweisen gewesen sei. Zur Anrufungsmöglichkeit des Obersten Gerichtshofs vertrat es den Standpunkt, der angefochtene Beschluss auf Nichtigerklärung des Verfahrens und Zurückweisung der Klage sei zwar von der Rechtsmittelinstanz formell als Rekursgericht gefasst worden, er habe aber für das Prozessrechtsverhältnis dieselbe Wirkung wie ein entsprechender, gemäß § 471 Z 7, § 477 Abs 1 ZPO gefasster berufungsgerichtlicher Beschluss, der gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ohne Beschränkung anfechtbar sei. Erachte sich ein als Rekursgericht angerufenes Gericht zweiter Instanz zu einer Nichtigerklärung des Verfahrens unter Zurückweisung der Klage bestimmt, wäre es unsachlich, die Anfechtung eines solchen Beschlusses anderen Zulässigkeitsbeschränkungen zu unterwerfen als sie für die Anfechtung eines gleichartigen berufungsgerichtlichen Beschlusses gelten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers, mit dem er die Abänderung des die Nichtigkeit des Ersturteils und die Klagezurückweisung aussprechenden Beschlusses sowie die Bestätigung des Ersturteils anstrebt, ist nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof sprach in jüngerer Zeit - unter Ablehnung

gegenteiliger früherer Judikatur (6 Ob 517/86 = SZ 59/28; 4 Ob 505/91

= ecolex 1992, 695) - aus, dass der Vollrekurs nach § 519 Abs 1 Z 1

ZPO nur in Betracht kommt, wenn sich das Berufungsgericht mit dem zur Klagezurückweisung führenden Nichtigkeitsgrund erstmals auseinandergesetzt hat. War das (behauptete) Prozesshindernis aber bereits Gegenstand des Verfahrens erster Instanz und der erstinstanzlichen Entscheidung, so unterliegt ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof den Beschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO (1 Ob 63/02z = EvBl 2002/161 uva; RIS-Justiz RS0116348). Es wäre nicht sachgerecht, die Möglichkeit der Bekämpfung der Entscheidung eines Gerichts zweiter Instanz mit demselben Inhalt davon abhängig zu machen, ob über die Prozesseinrede vom Erstgericht abgesondert oder erst im Urteil entschieden wurde. Das Gericht zweiter Instanz, das sich mit der Prozesseinrede befasst, wird hier funktionell als Rekursgericht tätig, sodass sich die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof nach § 528 ZPO richtet (10 Ob 35/07f = EF-Z 2007/143 [Leitner]; Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 14; E. Kodek in Rechberger3, § 519 ZPO Rz 14, je mwN). Im vorliegenden Fall ist die Hereinbringung von 457 EUR Verfahrensgegenstand. Gemäß § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs jedoch jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert 4.000 EUR nicht übersteigt. Der Rekurs des Klägers ist daher zurückzuweisen. Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels nicht hinwies, hat sie die Kosten ihrer Rekursbeantwortung gemäß §§ 40, 50 ZPO selbst zu tragen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte