Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.260,26 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 376,71 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit der am 24. 1. 2008 beim Bezirksgericht Saalfelden eingelangten Wechselmandatsklage beantragte die Klägerin unter Vorlage des Wechsels die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags über 147.107,78 EUR samt Protestkosten und Zinsen.
Das Erstgericht erließ den Wechselzahlungsauftrag antragsgemäß.
Der im Sprengel desselben wohnhafte Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen und wendete ua die Unzuständigkeit des Erstgerichts ein. Es bestehe eine ausschließliche Zuständigkeit des Landesgerichts Salzburg als Handelsgericht (§ 51 Abs 1 Z 8 JN).
Das Erstgericht wies mit seinem in das klagestattgebende Urteil aufgenommenen Beschluss die vom Beklagten erhobene Einrede der sachlichen Unzuständigkeit unter Hinweis auf eine zwischen den Streitteilen getroffene Gerichtsstandsvereinbarung zurück, wonach sich die Parteien ohne Rücksicht auf die Höhe des Betrags der Gerichtsbarkeit des sachlich zuständigen Gerichts in Saalfelden unterworfen haben.
Das Berufungsgericht wies das gegen die Zurückweisung der Unzuständigkeitseinrede erhobene Rechtsmittel des Beklagten, das er gleichzeitig mit der Berufung gegen die Hauptsachenentscheidung des Erstgerichts erstattete und als „Rekurs" bezeichnete, in richtiger Behandlung als Teil der Berufung (RIS-Justiz RS0036404) als unzulässig zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Berufung des Beklagten gegen die Hauptsachenentscheidung gab das Berufungsgericht hingegen Folge, hob das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.
Zu seinem Zurückweisungsbeschluss vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass ein Beschluss, mit dem das Gericht nach Eintritt der Streitanhängigkeit seine sachliche Zuständigkeit bejahe, nach § 45 JN unanfechtbar sei. Dieser Rechtsmittelausschluss werde nur bei individuellen Zuständigkeiten durchbrochen, also dann, wenn ein bestimmtes Gericht von vornherein für gewisse Rechtssachen sachlich und örtlich zuständig sei.
Der dagegen vom Beklagten erhobene Revisionsrekurs strebt eine Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dahin an, dass seiner Unzuständigkeitseinrede stattgegeben werde; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag. Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die zur Rechtslage vor der ZVN 1983 vertretene Rechtsauffassung des Obersten Gerichtshofs, wonach der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN nicht anzuwenden sei, wenn das Gericht seine sachliche Zuständigkeit auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung stütze, nicht aufrechterhalten werden kann. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht wegen der Anordnung in § 261 Abs 3 ZPO im Ergebnis richtig funktional als Berufungsgericht entschieden hat (8 Ob 33/08y = EvBl 2008/158, 817). Da eine dem § 261 Abs 3 ZPO entsprechende Bestimmung dem drittinstanzlichen Verfahren fremd ist (8 Ob 33/08y; 1 Ob 32, 33/93 = SZ 67/7; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 513 Rz 1), bekämpft der Beklagte den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts zutreffend nunmehr mit Revisionsrekurs.
Gemäß § 45 JN idF der ZVN 1983, BGBl 1983/135, sind nach Eintritt der Streitanhängigkeit getroffene Entscheidungen, mit denen ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit bejaht, nicht anfechtbar; solche, mit denen es seine sachliche Unzuständigkeit ausspricht, nur dann, wenn das Gericht, das nach dieser Entscheidung sachlich zuständig wäre, seinen Sitz nicht in derselben Gemeinde hat. Da das Erstgericht seine Zuständigkeitsentscheidung nach Zustellung des Wechselzahlungsauftrags an den Beklagten fällte, handelt es sich um eine nach Eintritt der Streitanhängigkeit (§ 232 Abs 1 ZPO) getroffene Entscheidung. Die gegenteilige Auffassung im Revisionsrekurs ist nicht nachvollziehbar (zum Wechselmandatsverfahren s Mayr in Fasching/Konecny² III § 232 Rz 3).
Die Gerichtsbarkeit in Handelssachen (Kausalgerichtsbarkeit) ist ein Zweig der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen. Es stellt ein Problem der sachlichen Zuständigkeit dar, ob eine Sache vor die Handelsgerichte oder vor die allgemeinen Gerichte gehört (Simotta in Fasching² I § 51 JN Rz 3 ff; Mayr in Rechberger³ § 7 JN Rz 5). Daraus folgt, dass es sich bei dem vom Erstgericht gefällten Beschluss inhaltlich um die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit iSd § 45 JN handelt.
Fraglich könnte nur sein, ob der Rechtsmittelausschluss des § 45 JN auch dann anwendbar ist, wenn das Gericht seine sachliche Zuständigkeit auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Zuständigkeitsvereinbarung stützt. Zu § 45 Abs 1 JN idF vor der ZVN 1983 vertrat der Oberste Gerichtshof die Auffassung (1 Ob 48/71 = SZ 44/31), dass die Rechtsmittelbeschränkung nicht gilt, wenn die sachliche Zuständigkeit im Zusammenhang mit einer Zuständigkeitsvereinbarung bekämpft wird. Dabei wurde damit argumentiert, dass eine Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien nach § 104 JN deren Interessen in viel weitergehendem Maße berühre als die Missachtung einer gesetzlichen Zuständigkeitsbestimmung durch den Kläger.
Diese - in der Lehre ohne eigenständige Auseinandersetzung lediglich referierte (Ballon in Fasching² I § 45 JN Rz 6 [aA noch Fasching, 1. Aufl, I 284]; Mayr in Rechberger³ § 45 JN Rz 4) - Auffassung kann für die Rechtslage seit Inkrafttreten der ZVN 1983 nicht aufrechterhalten werden: Durch die neue Fassung sollte die Anfechtung von Entscheidungen über die sachliche Zuständigkeit weiter eingeengt und nunmehr klar ausgedrückt werden, dass die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit des Gerichts nie angefochten werden könne (RIS-Justiz RS0046318; 1 Ob 52/95 mH auf die Materialien). Der Gesetzgeber ging dabei von der Erwägung aus, dass die Frage, welche Art von Gericht zu entscheiden hat, für eine Partei meist von geringerer Bedeutung ist. Er hat also das Interesse der Partei daran, welches von mehreren staatlichen Gerichten zu entscheiden hat, gering eingeschätzt (1 Ob 52/95; 1 Ob 136/97z; 3 Ob 266/02t). Dabei wurde auch ausgesprochen, dass es für die Anwendung des § 45 JN keinen Unterschied macht, mit welcher Begründung sie erfolgt (RIS-Justiz RS0103687). Ein Rechtsmittel ist selbst dann ausgeschlossen, wenn eine Nichtigkeit oder die Verletzung zwingenden Rechts ins Treffen geführt wird (3 Ob 266/02t mwN). Ferner wird die Anwendbarkeit des Rechtsmittelausschlusses nun auch für das Verhältnis ordentliches Gericht - Arbeitsgericht (RIS-Justiz RS0046314) und für Entscheidungen im Konkursverfahren (8 Ob 20/02b = EvBl 2003/39; RIS-Justiz RS0117032) bejaht. Auch dann, wenn sich aus der Bejahung der individuellen Zuständigkeit lediglich eine Zuständigkeitsverschiebung in sachlicher Hinsicht ergibt, liegt ein Fall des § 45 erster Halbsatz JN vor (8 Ob 20/02b; 5 Ob 292/02f = JBl 2003, 867; Fink in Glosse zu 5 Ob 302/87 = JBl 1987, 792; Ballon aaO § 45 JN Rz 6; Mayr aaO § 45 JN Rz 4). Es ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht erkennbar, warum eine sachliche Zuständigkeitsentscheidung im Zusammenhang mit einer Gerichtsstandsvereinbarung anders zu beurteilen sein soll. Bejaht daher ein Gericht seine sachliche Zuständigkeit mit der Begründung, die Parteien hätten eine entsprechende Zuständigkeitsvereinbarung iSd § 104 Abs 1 JN getroffen, so ist diese Entscheidung gemäß § 45 JN unanfechtbar.
Dem Rechtsmittel war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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