OGH 6Ob210/08p

OGH6Ob210/08p6.11.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Herta Johanna S*****, vertreten durch Dr. Benedikt Wallner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 16.410,67 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2008, GZ 15 R 237/07v-30, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Juli 2007, GZ 4 Cg 182/05x-26, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.046,88 EUR (darin 174,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist - entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts - nicht zulässig:

1. Nach § 25d KSchG kann der Richter die Verbindlichkeit eines Interzedenten (§ 25c KSchG) insoweit mäßigen oder auch ganz erlassen, als sie in einem unter Berücksichtigung aller Umstände unbilligen Missverhältnis zur Leistungsfähigkeit des Interzedenten steht, sofern die Tatsache, dass der Verbraucher bloß Interzedent ist, und die Umstände, die dieses Missverhältnis begründet oder herbeigeführt haben, bei Begründung der Verbindlichkeit für den Gläubiger erkennbar waren. Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist sohin, dass ein Verbraucher dem Gläubiger gegenüber als Interzedent auftrat.

Interzedenten sind Personen, die eine Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse auf sich nehmen (7 Ob 65/04s; 5 Ob 33/05x; 6 Ob 192/07i ua; Apathy in Schwimann, ABGB³ § 25c KSchG Rz 1).

Eine materiell fremde Schuld - und damit eine Interzedentenstellung des Mitschuldners - hat der Oberste Gerichtshof bereits bisher verneint, wenn der (Mit-)Haftende ein Eigeninteresse an der Kreditaufnahme hatte (7 Ob 65/04s = ÖBA 2005, 51 und 7 Ob 89/04w = ÖBA 2005, 52 mit kritischer Stellungnahme von P. Bydlinski). Die zitierten Entscheidungen verneinen die Interzedenteneigenschaft zufolge Eigeninteresses des Haftenden, wenn die Kreditmittel etwa zur Anschaffung von Möbeln für die Ehewohnung, für Geschenke an gemeinsame Kinder, die auch vom Willen des haftpflichtigen Beklagten getragen wurden, oder zur Finanzierung eines Hauses dienten, welches die Haftende gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten bewohnen wollte. In einer weiteren Entscheidung (5 Ob 33/05x) dienten die Kreditmittel der Abdeckung von Verbindlichkeiten aus der Anschaffung von Mobiliar für die Ehewohnung und der Abdeckung von Schulden aus der Reparatur eines Pkw der Beklagten.

2. Die Ausübung des Mäßigungsrechts setzt nach § 25d KSchG voraus, dass der Gläubiger bei Begründung der Verbindlichkeit erkennen konnte, dass der bzw die Mithaftende bloß als Interzedent einschreitet. Ob und unter welchen Umständen eine Interzession dem Gläubiger erkennbar wird oder er eine solche erkennen musste, entzieht sich einer generalisierenden Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof. Die Beurteilung richtet sich nach den Umständen bei Abschluss der konkreten Kredit- und Haftungsvereinbarungen und ist somit von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Dieser Frage kommt daher regelmäßig - vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

3. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen einer Mäßigung nach § 25d KSchG wegen eines (auch aus Sicht des Gläubigers vorhandenen) Eigeninteresses der Beklagten an der Kreditaufnahme verneint. Seine Auffassung steht angesichts des hier zu beurteilenden Sachverhalts mit der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in Einklang. Eine auffallende Fehlbeurteilung ist schon deshalb nicht zu erkennen, weil der Bankangestellten bei Unterfertigung von Kreditvertrag und Beitritt der Beklagten als Mitschuldnerin als Verwendungszweck des Kredits eine in Aussicht genommene gemeinsame Wohnung genannt wurde. Tatsächlich wurden auch 100.000 ATS der Kreditsumme für die Anschaffung dieser Wohnung verwendet. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen bewohnt die Beklagte diese Wohnung auch noch nach Scheidung ihrer Ehe nach wie vor. Damit zog sie einen unmittelbaren persönlichen wirtschaftlichen Nutzen aus der Kreditgewährung. Dass ihr Ehegatte Teile der Kreditvaluta für eigene - der Bank nicht bekannte - Zwecke verwendete, konnte der Beklagten schon deshalb keinen Anspruch auf Mäßigung verschaffen, weil dies bei Begründung der Verbindlichkeit für die Kreditgeberin in keiner Weise erkennbar sein konnte; dies wäre aber Voraussetzung einer Mäßigung nach § 25d Abs 1 KSchG gewesen.

Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es angesichts der klaren Bestimmung des § 25d Abs 1 KSchG nicht an. Die zur Mäßigung führenden Umstände müssen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses so weit vorhanden sein, dass sie für den Gläubiger bei entsprechender Aufmerksamkeit auch erkennbar sind. Anhaltspunkte dafür fehlen.

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