OGH 2Ob180/08x

OGH2Ob180/08x30.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl.-Ing. Stefan O*****, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 7.245,98 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Mai 2008, GZ 4 R 140/08t-42, womit das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 28. Jänner 2008, GZ 21 C 639/06f-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin enthalten 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte, der damals hauptberuflich als Arbeitsinspektor tätig und als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Fachgebiet „Technisches Unfallwesen, Arbeitsschutz" in der Gerichtssachverständigenliste eingetragen war, wurde im Oktober 2001 in einem Verfahren vor dem Landesgericht Klagenfurt zum Sachverständigen zur Befundung diverser behaupteter Mängel einer von der klagenden Partei verkauften Laserschneidemaschine bestellt. Nach Abhaltung eines Befundaufnahmetermins erstellte der Beklagte im November 2001 ein schriftliches Gutachten und nahm er im Oktober 2002 an einer mündlichen Streitverhandlung teil. Dort wurden mit Zustimmung der Prozessparteien seine Gebühren für das schriftliche Gutachten und die Verhandlungsteilnahme mit zusammen 1.306 EUR bestimmt und in der Folge überwiesen. Bei einer weiteren mündlichen Verhandlung im Jänner 2003 erklärte der Beklagte, bis dahin noch nie einen Fall mit einer Laseranlage als Sachverständiger bearbeitet, jedoch an einer entsprechenden Ausbildung an der Technischen Universität teilgenommen zu haben. Für die Teilnahme an dieser Verhandlung wurden seine Gebühren mit 160 EUR antragsgemäß und einvernehmlich bestimmt. An weiteren mündlichen Streitverhandlungen nahm der Beklagte nicht teil, insbesondere wurde eine mündliche Gutachtenserörterung nicht durchgeführt, sondern - nach Richterwechsel - ein anderer Sachverständiger mit der Erstattung eines laserfachtechnischen Gutachtens betraut. Dieser deponierte im Rahmen des von ihm erstellten Gutachtens unter anderem, dass einige der Sachverhaltsdarstellungen des schriftlichen Gutachtens des Beklagten falsch und einige zudem verwirrend dargelegt seien. Mit dem von der Klägerin erfolglos angefochtenen Urteil wurde die Klagsforderung mit 1.090,09 EUR als zu Recht, eine eingewandte Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und ein Mehrbegehren der Klägerin von 8.521,27 EUR abgewiesen. In der Begründung heißt es, dass das Gutachten des Beklagten den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt werde, weil der dem Gericht äußerst kompetent erscheinende zweite Gutachter sowohl die Grundlagen als auch die Schlussfolgerungen des Gutachtens des Beklagten als im Wesentlichen falsch qualifiziert habe und das Gutachten dem Gericht weder verständlich, noch schlüssig oder nachvollziehbar erscheine und ihm auch nicht entnommen werden könne, worauf das Nichtfunktionieren der gelieferten Maschine letztendlich zurückzuführen gewesen sei.

Die Klägerin begehrt nunmehr 7.245,98 EUR sA an Schadenersatz für die von ihr im Vorverfahren getragenen Sachverständigengebühren des Beklagten und die damit im Zusammenhang stehenden anwaltlichen Vertretungskosten. Der Beklagte habe ein unrichtiges Gutachten erstellt und seine mangelnde Ausbildung und Befähigung, insbesondere die erstmalige Beauftragung mit der Begutachtung einer Laseranlage, nicht sogleich bei seiner Bestellung dem Prozessgericht mitgeteilt.

Der Beklagte wandte dagegen ein, sein Gutachten sei nicht falsch gewesen. Bei gewissenhaftem Studium verbunden mit einer ausführlichen Gutachtenserörterung hätte es als schlüssig und gut nachvollziehbar dem späteren Urteil zu Grunde gelegt werden können. Die Begründung des Urteils des Vorprozesses in Bezug auf seine gutachterliche Tätigkeit sei nicht präjudiziell und die Bestellung eines zweiten Gutachters im damaligen Prozess nicht erforderlich gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ob einer Prozesspartei durch ein schuldhaftes Fehlverhalten eines Sachverständigen ein Schaden entstanden sei, sei danach zu beurteilen, ob die Entscheidung im Vorprozess für sie günstiger ausgefallen wäre, wenn der Sachverständige dort ein richtiges Gutachten abgegeben hätte. Hier sei das Gutachten des Beklagten der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt worden, sodass eine nachteilige Auswirkung auf die dortige Entscheidung nicht eingetreten sei. Auch habe der Beklagte keine Möglichkeit gehabt, sein Gutachten näher zu erläutern bzw zu ergänzen. Eine einen Ablehnungsgrund begründende Pflichtverletzung des Sachverständigen liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren weitgehend statt, ohne auf die Tatsachen- und Beweisrüge der Berufung der klagenden Partei einzugehen. Bereits bei Verwertung des im erstinstanzlichen Verfahren zum Schaden und zu dessen Höhe erstatteten wechselseitigen Vorbringens sei dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Teilbetrags von 480 EUR an vorprozessualen Kosten - stattzugeben. Bei der primär nach gewährleistungs- und schadenersatzrechtlichen Gesichtspunkten vorzunehmenden Beurteilung der Haftung eines im gerichtlichen Verfahren bestellten Sachverständigen für ein unrichtiges bzw unzulängliches Gutachten sei zu berücksichtigen, dass Tätigkeit und Aufgabenstellung von Besonderheiten gekennzeichnet seien, die nicht im Einflussbereich der Prozessparteien oder des Sachverständigen stünden, wie zB, ob und wie es zu einer Gutachtenserörterung und/oder -ergänzung komme. Ein Sachverständiger könne nicht darauf vertrauen, nach Abgabe eines schriftlichen Gutachtens noch einmal Gelegenheit zur Nachbesserung, Richtigstellung oder sonstigen Ergänzung der Befundgrundlagen und der daraus gezogenen gutachterlichen Schlussfolgerungen zu erhalten. Es treffe ihn daher die Verpflichtung, bei schriftlichen Befunden und Gutachten so gewissenhaft zu sein, dass ein nach den Regeln der Wissenschaft erstelltes, schlüssiges und verständlich abgefasstes Gutachten erarbeitet und dem Gericht übermittelt werde. Im Unterbleiben der Gutachtenserörterung sei daher keine Haftungsbefreiung für das in mehrfacher Hinsicht mangelhafte Gutachten des Beklagten gelegen. Der Beklagte habe die betragliche Höhe der Schadenersatzforderung im erstinstanzlichen Verfahren „nicht wirklich" substantiiert bestritten, weshalb lediglich das Begehren auf Ersatz der vorprozessualen Kosten von 480 EUR abzuweisen sei. Da oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Voraussetzungen der Ersatzfähigkeit frustrierter Verfahrensaufwendungen im Fall eines unzulänglichen oder unrichtigen Gutachtens, das nicht mündlich erörtert und auch nicht Grundlage der Entscheidung werde, nicht bestehe, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, in eventu die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben.

Die klagende Partei beantragt der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung haftet ein vom Gericht bestellter Sachverständiger, der im Zivilprozess ein unrichtiges Gutachten abgibt, den Parteien gegenüber persönlich und unmittelbar nach §§ 1295, 1299 ABGB für den dadurch verursachten Schaden (4 Ob 228/05s; RIS-Justiz RS0026319). Dass, wie das Erstgericht ausgesprochen hat und nunmehr auch vom Revisionswerber vorgebracht wird, eine solche Haftung dann eintrete, wenn die Unrichtigkeit des Gutachtens ausschlaggebend für die die Prozesspartei beschwerende Entscheidung gewesen ist, hat der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 228/05s und 6 Ob 85/07d ausgesprochen, weil in diesen Fällen der Ersatz für Schäden aus einer auf Basis eines unrichtigen Sachverständigengutachtens ergangenen gerichtlichen Entscheidung begehrt wurde. Keineswegs ist diesen Entscheidungen zu entnehmen, dass nur in solchen Fällen Schadenersatzansprüche bestehen könnten und eine Haftung für Schäden resultierend aus unrichtigen Gutachten, die nicht zur Grundlage der Entscheidung wurden, ausgeschlossen wäre.

Eine Haftung nach allgemeinen Regeln des Schadenersatzrechts gilt auch für alle den Parteien verursachten Schäden, die durch ein wenn auch letztlich nicht der Entscheidung des Gerichts zu Grunde gelegtes Gutachten entstehen, das sich im Laufe des Verfahrens als unrichtig und mangelhaft herausstellt und daher der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden kann. Der gerichtliche Sachverständige haftet dann den Prozessparteien für den dadurch verursachten Schaden.

Insoweit der Revisionswerber meint, ihm seien im Zeitpunkt der Beauftragung mit dem Gutachten keine Beweiserhebungen und auch nicht ausreichend Unterlagen zur Verfügung gestanden, ist darauf zu verweisen, dass es Aufgabe des gerichtlich bestellten Sachverständigen selbst ist, den Gutachtensauftrag kritisch zu hinterfragen, seine Terminologie klarzustellen und den Beurteilungsgegenstand eindeutig abzugrenzen. Es ist auch seine Aufgabe, allenfalls notwendige weitere Unterlagen beizuschaffen und die allfällige Durchführung eines Ortsaugenscheins oder von Beweisaufnahmen anzuregen, die zur Durchführung des Gutachtensauftrags notwendig sind. Tut er dies nicht, begründet dies ebenfalls ein Verschulden (4 Ob 228/05s).

2. Die Argumentation der Revision, dass eine Schadenersatzpflicht des Beklagten schon deshalb entfalle, weil im Vorprozess seine Gebühren einvernehmlich und rechtskräftig bestimmt und ausbezahlt worden seien, kann nicht geteilt werden:

Nach den maßgebenden Vorschriften des GebAG 1975 sind die Gebühren nach Abschluss der gutachterlichen Tätigkeit zu bestimmen (§ 38 Abs 1, § 39 GebAG 1975). Eine Einschränkung für den Zuspruch von Gebühren enthält § 25 GebAG idF der Novelle 1994, BGBl 1994/623. Nach dessen Absatz 3 hat der Sachverständige dann, wenn die Tätigkeit aus seinem Verschulden unvollendet geblieben ist, keinen oder nur einen Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr. Hat der Sachverständige aus seinem Verschulden ua sein Gutachten so mangelhaft abgefasst, dass es nur deshalb einer Erörterung bedarf, ist die Gebühr für Mühewaltung nach richterlichem Ermessen um insgesamt bis zu einem Viertel zu mindern. Das Ziel dieser GebAG-Novelle war es, die Gebühren des Sachverständigen ua dann mindern zu können, wenn dieser die Erörterungsbedürftigkeit seines Gutachtens zu vertreten hat. Die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens sollte dagegen im Gebührenbestimmungsverfahren auch nach der GebAG-Novelle 1994, der ständigen Rechtsprechung der Rekursgerichte zur Rechtslage davor entsprechend, nicht geprüft werden (3 Ob 284/01p mwN). Die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens ist somit grundsätzlich nicht Voraussetzung des Gebührenanspruchs. Im Rahmen des Gebührenanspruchsverfahrens und der Gebührenbemessung ist sie nur insofern zu berücksichtigen, als ein völlig unbrauchbares Gutachten keinen Gebührenanspruch nach sich zieht, weil es nicht als Erfüllung des gerichtlichen Auftrags anzusehen ist. Im Übrigen werden im Rahmen des Gebührenbemessungsverfahrens aber Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tunlichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens nicht beurteilt und daher auch von der Rechtskraft einer Entscheidung nach dem GebAG nicht erfasst und können daher in einem nachfolgenden Schadenersatzprozess überprüft werden.

3. Auch der Umstand, dass die Erörterung des vom Beklagten erstellten Gutachtens im Vorprozess in einer mündlichen Streitverhandlung nicht erfolgte und er nicht sämtlichen Beweisaufnahmetagsatzungen beigezogen wurde, vermag die Haftung des Beklagten nicht auszuschließen.

Aus der zitierten Bestimmung des § 25 GebAG ist auch abzuleiten, dass ein gerichtliches Sachverständigengutachten grundsätzlich so abgefasst sein soll und muss, dass eine mündliche Erörterung nicht notwendig ist, ist doch einer der Gründe für die Minderung der Gebühr nach dem Gesetzeswortlaut darin gelegen, dass aus dem Verschulden des Sachverständigen das Gutachten so mangelhaft abgefasst ist, dass es nur deshalb einer Erörterung bedarf. Entgegen den Ausführungen der Revision kann der gerichtliche Sachverständige daher keineswegs darauf vertrauen, dass er sein Gutachten ohnehin bei einer mündlichen Erörterung noch ergänzen, richtigstellen, überarbeiten oder vervollständigen kann. Dies insbesondere dann nicht, wenn er auf die Notwendigkeit ausständiger Beweisaufnahmen für die endgültigen Schlussfolgerungen seines Gutachtens nicht hinweist.

Auf die Höhe des vom Berufungsgericht zugesprochenen Schadenersatzbetrags kommt das Rechtsmittel nicht zurück.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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