OGH 9Ob72/08s

OGH9Ob72/08s29.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Anton L*****, 2.) Irene L*****, beide *****, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagten Parteien 1.) Otto K*****, 2.) K*****, beide vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler und Mag. Klaus Mikosch, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Untersagung (Streitwert 9.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 15. Februar 2008, GZ 1 R 18/08d‑24, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 2. Oktober 2007, GZ 45 C 372/07v‑15, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12. November 2007, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0090OB00072.08S.1029.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Beklagten erwarben bereits im Jahre 1981 die hier maßgebliche Liegenschaft in einem gewerblichen Mischgebiet im Norden Klagenfurts, in dem sowohl Wohnhäuser als auch Kleingewerbebetriebe angesiedelt sind. Sie betreiben einen Gewerbebetrieb und pflanzten 1983 an der nördlichen Grenze ihres Grundstücks eine Fichtenhecke, die etwa 30 m lang ist. Im Jahre 1994, als die nunmehrigen Kläger das, bloß durch einen drei Meter breiten Weg vom Grundstück der Beklagten getrennte Grundstück erwarben, hatte die Fichtenhecke bereits eine Höhe von sechs bis acht Metern. Die Kläger bewohnen auf diesem Grundstück ein Einfamilienhaus, das im Süden, also zur Fichtenhecke hin ein Wohnzimmerfenster und ein kleines Fenster zum Stiegenhaus hat. Das Dach des zweigeschossigen Hauses reicht einen Meter über die südliche Hausmauer hinaus. Die Grundstücksgrenze im Süden befindet sich etwa 5 m davon entfernt und weitere 3 m davon ist dann die Fichtenhecke situiert. Diese hat nunmehr im höchsten Bereich eine Höhe von 12 m. In den Sommermonaten wirft sie keinen Schatten auf das Grundstück bzw das Haus der Kläger. Es findet sich im Vorgarten auch nur eine geringfügige Vermoosung. Die Fichtenhecke verläuft auch nicht über die gesamte Länge des Grundstücks der Kläger. Vielmehr findet sich angrenzend eine Thujenhecke in Höhe von ca 4 m.

Im Wohn- und Esszimmer des Hauses ist es auch an nebeligen Tagen nicht völlig dunkel und ist das Lesen für einen jungen Menschen ohne künstliches Licht möglich. Allerdings verursacht das Vordach erheblichen Schatten. Die in der näheren Umgebung der Liegenschaften angesiedelten anderen Gewerbebetriebe haben jeweils Baumreihen und auch Fichtenhecken. Am Weg, der die beiden Grundstücke trennt, findet sich noch eine 20 m hohe Baumreihe und in Entfernung von 200 m ein Mischwald. Die nördlich an die Liegenschaft der Kläger angrenzende Liegenschaft weist eine Baumreihe in Höhe von 8 m auf.

Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, die Fichtenbäume oder andere Pflanzen „zu pflegen und zu erhalten" und stützten sich auf ihre Nachbarrechte, da ihnen Licht und Luft in einem ungewöhnlichen, ortsunüblichen und unzumutbaren Ausmaß entzogen werde. Es komme teilweise kein Sonnenstrahl zum Haus der Kläger, Küchenarbeiten und das Lesen eines Buchs seien im Haus nicht möglich, ebensowenig die Installation einer entsprechenden Solaranlage. Auch leide die Vegetation im Garten der Kläger unter der ganzjährigen Beschattung. Trotzdem seien die Beklagten nicht bereit, die Fichtenreihe zu entfernen oder zu „köpfen" und sei auch ein entsprechender Schlichtungsversuch bei der Schlichtungsstelle des österreichischen Notariats gescheitert.

Die Beklagten wendeten vor allem ein, dass sie durch die Betriebsanlagengenehmigung auch verpflichtet worden seien, die Böschung an der Nordseite zum öffentlichen Weg herzurichten und zu begrünen und dass die Fichten bereits im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Kläger 8 m hoch gewesen seien. Die Kläger haben selbst erst kürzlich größere Bäume entfernt, die hauptsächlich für den Schatten verantwortlich gewesen seien. Eine über das ortsübliche Maß hinausgehende Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger sei nicht eingetreten. Vielmehr seien die schlechten Lichtverhältnisse im Haus der Kläger auf die unvorteilhafte Bauweise zurückzuführen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger weder über das ortsübliche Maß hinausgehe noch unzumutbar sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts zur Gänze als unbedenklich und mängelfrei und ging ebenfalls davon aus, dass das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß der Beeinträchtigung nicht überschritten und die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht unzumutbar beeinträchtigt werde. In der Regel hänge die Ortsüblichkeit davon ab, ob schon eine größere Anzahl von Grundstücken dieses Gebiets so genutzt werde, dass Einwirkungen von ihnen ausgehen, die den zu beurteilenden Immissionen entsprechen. Hier gebe es aber noch eine Reihe andere Gewerbebetriebe, mit Fichtenhecken in dieser Länge und Höhe und befinde sich in der Nähe ein Mischwald. Ferner mangelt es an „Unzumutbarkeit", die umso weniger anzunehmen sei, wenn die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liege. Ausgehend von einem Durchschnittsmaßstab sei die verhältnismäßig geringfügige Fläche des Grundstücks der Kläger, die überhaupt beeinträchtigt werde, nicht so intensiv beeinträchtigt, dass dies eine Unzumutbarkeit bedingen könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Bäume zu einem Zeitpunkt gepflanzt worden seien, in der das Inkrafttreten einer Regelung wie des § 364 Abs 3 ABGB noch nicht absehbar gewesen sei. Hier werfe die Hecke in den Sommermonaten überhaupt keinen Schatten und seien während der übrigen Zeit keinesfalls größere Teile des Grundstücks durch eine Beschattung betroffen. Eine überdurchschnittliche Vermoosung habe nicht festgestellt werden können. Als die Kläger die Liegenschaft erworben haben, sei die Fichtenhecke auch schon 6 bis 8 m hoch gewesen. Insgesamt könne eine Unzumutbarkeit nicht festgestellt werden.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Beurteilung der Ortsüblichkeit in einem Mischgebiet hinsichtlich der Frage, ob in dem Vergleich auch die Art der Benützung des von der Einwirkung betroffenen Grundstücks einzubeziehen sei, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Voranzustellen ist, dass die Kläger unstrittig als Nachbarn im Sinne der §§ 364 und 364a ABGB anzusehen sind, auch wenn ihr Grundstück nicht unmittelbar angrenzt, weil sie von Maßnahmen, die vom Grundstück der Beklagten ausgehen, betroffen sind (vgl RIS‑Justiz RS0010489 mwN, etwa auch 8 Ob 99/06a).

Die Kläger haben ihr Begehren auf § 364 Abs 3 ABGB gestützt, wonach der Grundeigentümer einem Nachbarn die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen kann, als dies das Maß des Abs 2 (Ortsüblichkeit - gegen die allgemeinen Ausführungen des Berufungsgerichts dazu wendet sich die Revision nicht, vgl auch RIS‑Justiz RS0010653) überschreitet und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benützung des Grundstücks führt.

Auf die nunmehr in der Revision geltend gemachten landesgesetzlichen Bestimmungen haben sich die Kläger im erstinstanzlichen Verfahren nicht berufen.

Der Oberste Gerichtshof hat sich mit der Bestimmung des Abs 3 des § 364 ABGB bereits ausführlich und mehrfach auseinandergesetzt und auch zum neuen Kriterium der „wesentlichen Beeinträchtigung" bereits Stellung bezogen. Die Beeinträchtigung muss unzumutbar im „objektiven Sinne" sein. Je näher sie an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger ist dabei ihre Unzumutbarkeit anzunehmen. Auch auf das Ausmaß und die Lage der durch Lichteinfall beeinträchtigten Flächen und die konkreten Nutzungsmöglichkeiten ist Bedacht zu nehmen (vgl RIS‑Justiz RS0121873 mwN, zuletzt 8 Ob 116/07b). Genau davon ist das Berufungsgericht auch ausgegangen. Der Oberste Gerichtshof hat aber auch bereits ausgesprochen, dass die genaue Abgrenzung, wann eine Beeinträchtigung schon wesentlich, aber noch nicht unzumutbar ist, nicht allgemein gültig vorgenommen werden kann, sondern von der konkreten Interessenabwägung im Einzelfall abhängt. Diese ist aber außer im Fall einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS‑Justiz RS0121872 mwN).

Die von den Klägern geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde bereits in der Berufung behandelt und ausdrücklich die Feststellungen des Erstgerichts übernommen. Die Geltendmachung vom Berufungsgericht verneinter Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens im Revisionsverfahren ist unzulässig (vgl RIS‑Justiz RS0042963 mwN, ebenso RIS‑Justiz RS0043086 mwN). Wenn die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen sind, dass zur Feststellung des Sachverhalts die Beiziehung eines Sachverständigen nicht erforderlich ist, so kann dies vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr bekämpft werden.

Das Erstgericht hat umfassende Feststellungen zur Lage des Hauses und der Fichtenhecke, aber auch anderer Hecken getroffen, die für den Obersten Gerichtshof bindend sind. Die ausgehend von diesen Feststellungen getroffene Beurteilung im Einzelfall kann im Sinne der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfen. Auch die Ausführungen der Revision vermögen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darzutun. Die Liegenschaft befindet sich in einem Mischgebiet, in dem Gewerbebetriebe mit höheren Hecken durchaus üblich sind und im Übrigen auch schon zum Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft durch die Kläger vorhanden waren. Wenn die Vorinstanzen ausgehend von den konkreten Gegebenheiten hier sowohl Ortsunüblichkeit als auch Unzumutbarkeit verneint haben, so kann darin keine unvertretbare Beurteilung gesehen werden.

Insgesamt ist die Revision daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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