OGH 11Os135/08z

OGH11Os135/08z21.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Oktober 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gebert als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas Z***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. April 2008, GZ 40 Hv 157/07y-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Thomas Z***** der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (1) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er zu nachstehenden Zeiten in S*****

1.) an dem am 14. Juli 1993 geborenen, sohin unmündigen Patrick Z***** eine geschlechtliche Handlung vorgenommen bzw von diesem an sich vornehmen lassen, und zwar

1.1.) im August 2004 dadurch, dass er den Unmündigen mit der Hand befriedigte und sich mit dessen Hand selbst befriedigte;

1.2.) nachts zum 18. Februar 2006 dadurch, dass er den Unmündigen mit der Hand befriedigte;

2.) durch die unter Punkt 1.) angeführten Handlungen mit seinem minderjährigen Stiefkind Patrick Z***** geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw von diesem an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO.

Der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen (13 Os 43/03, 12 Os 38/04), nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Wenn der Beschwerdeführer behauptet, die Zeugen Josef und Hannelore T***** (die mütterlichen Großeltern) hätten berichtet, der minderjährige Patrick habe hinsichtlich der Berührung durch den Angeklagten ausschließlich vom Streicheln am Kopf erzählt, entfernt er sich von der Aktenlage, stammt ein derartiges Deponat doch von ihm (S 55/I); Hannelore T***** sagte lediglich aus, Patrick habe auch von einem Streicheln am Kopf berichtet (S 111/I), während sie in der Hauptverhandlung mitteilte, es sei nur von einem Streicheln die Rede gewesen, nicht aber wo dies erfolgte (S 393f/I).

Zum Vorwurf vom 18. Februar 2006 vermeint der Nichtigkeitswerber einen weiteren Widerspruch von Verfahrensergebnissen aufzeigen zu können: Der Unmündige habe von einem Schlafen zwischen seinen Eltern, die Mutter Marion Z***** hingegen von einer Position des Buben an der Außenseite gesprochen (S 429/I). Das Zitat übergeht den Zusammenhang dieser Aussage in der Hauptverhandlung (wobei letztlich daraus nicht ganz klar wird, wo der Bub nach Erinnerung der Mutter nun lag) und vor allem die ausdrücklich gegenteilige Angabe der genannten Zeugin (S 127/I).

Im Übrigen beschränkt sich die Tatsachenrüge auf Hypothesen und Spekulationen: Vom Beschwerdeführer behauptete Beschimpfungen seiner Person durch die Mutter des Opfers wegen ihm angelasteter, von ihm allerdings bestrittener einschlägiger Vorwürfe aus seiner Zeit als Kindererzieher würden eine „Beeinflussung des Minderjährigen durch seine Mutter ... nachvollziehbar" machen und „keinesfalls ausschließen". Motiv des Buben für die vorgeblich falsche Anschuldigung könnten nicht ausschließbare mögliche Rachegefühle dafür sein, weil sich der minderjährige Patrick vom Angeklagten eingeengt gefühlt habe und er dem Genannten die Äußerung nicht verziehen habe, er wolle ihm seine Mutter wegnehmen. Gegen die sexuellen Übergriffe durch den Rechtsmittelwerber spräche auch ein nach den angeblichen Taten verfasster Brief des Buben an den Angeklagten, in dem er unter anderem anführt „ich liebe dich noch immer unendlich ... ich wünsche dir ... Glück mit deiner Firma und ich hoffe, dass du eine Freundin bekommst, die nicht so wie Mama ist" (Beilage bei ON 26). Entgegen dem Beschwerdevorbringen nahm der Sachverständige dazu gar wohl abschließend Stellung und erklärte das Schreiben mit der Ambivalenz zwischen Täter und Opfer im Sinne des sogenannten Stockholm-Syndroms (S 21f/II).

Insgesamt gelingt es dem Angeklagten nicht, mit seinen letztlich substratlosen Überlegungen vor allem zu einer Beeinflussung des Jugendlichen gegen ihn beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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