OGH 1Ob204/08v

OGH1Ob204/08v21.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erich W*****, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Josef Peter H*****, vertreten durch Dr. Heinz‑Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 160.320 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2008, GZ 41 R 39/08a‑17, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00204.08V.1021.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die im Zivilverfahren in Betracht kommenden Revisionsgründe sind in § 503 ZPO angeführt. Danach kommt die Bekämpfung einer allenfalls unrichtigen Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0069246). Ebenso wenig liegt darin eine Nichtigkeit im Sinne des § 503 Z 1 ZPO. Daraus, dass die StPO für das Strafverfahren einen abweichenden Nichtigkeitsbegriff verwendet, ist für die Auslegung der einschlägigen Normen der ZPO nichts zu gewinnen.

2. Eine Aktenwidrigkeit liegt in einem Widerspruch zwischen maßgeblichen Ausführungen des Gerichts und dem Akteninhalt. Ein solcher liegt hier nicht vor. Sollte das Berufungsgericht bei seinen Erwägungen allenfalls nicht alle maßgeblichen Aspekte des Falles berücksichtigt haben, könnte dies allenfalls eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens darstellen.

3. Auf der Basis des festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung des Berufungsgerichts unbedenklich, dass eine bindende Vereinbarung über die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags und ein dafür vom Beklagten zu entrichtendes Entgelt zustandegekommen ist, auch wenn die Parteien über bestimmte Details noch verhandeln und die Vereinbarung letztlich schriftlich niederlegen wollten. Ab welchem Zeitpunkt bei einer „Zwischeneinigung" im Laufe von Vertragsverhandlungen bereits eine Bindung an das bisher Vereinbarte eintritt, ist stets von den Umständen des konkreten Falls abhängig, sodass sich insoweit eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO regelmäßig nicht stellt. Hier wurde über die Zurückstellung des Objekts durch den Kläger und die dafür vom Beklagten zu leistende Zahlung Einigkeit erzielt und diese Einigung - noch dazu über Wunsch des Beklagten - mit Handschlag besiegelt. Damit wird üblicherweise zum Ausdruck gebracht, dass jede Seite der anderen versichert, sich an die getroffene Einigung gebunden zu fühlen. Wenn das Berufungsgericht der Ansicht war, es sei insoweit eine bindende Vereinbarung zustandegekommen, auch wenn die darüber hinaus in Aussicht genommene Einigung über weitere Vertragsdetails nicht mehr erfolgt ist, kann darin eine bedenkliche Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Da die Parteien ausdrücklich einen Betrag von 131.000 EUR zuzüglich 20 % USt als Abgeltung für die Aufgabe der Mietrechte vereinbart haben, stellt sich die Frage nicht, ob ein solches Entgelt der Umsatzsteuerpflicht unterliegt; eine Vertragsanpassung - etwa wegen Irrtums - hat der Beklagte insoweit nie begehrt.

4. Soweit sich der Revisionswerber neuerlich darauf beruft, er habe eine allfällige Vereinbarung wegen „Irreführung über den Preis" angefochten, so ist er darauf hinzuweisen, dass ein Wertirrtum regelmäßig als bloßer Motivirrtum zu qualifizieren ist, sodass es auch rechtlich unerheblich ist, ob er allenfalls vom anderen Vertragspartner veranlasst wurde. Auf eine Anfechtung wegen List hat sich der Beklagte nie berufen.

Zur Anfechtung der Vereinbarung wegen laesio enormis hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, dass der Beklagte einen entsprechenden Einwand nur im Zusammenhang mit seiner - nicht verifizierten - Behauptung, es sei allenfalls ein Unternehmenskaufvertrag zustandegekommen, erhoben habe. Die tatsächlich getroffene Vereinbarung über eine bestimmte Zahlung für die bloße Aufgabe der Mietrechte und die Rückstellung des Bestandgegenstands sei von diesem Einwand hingegen nicht erfasst gewesen.

Entscheidende Bedeutung kommt hier zweifellos der Frage zu, welche Tatsachenbehauptungen der Beklagte erstattet hat, um seinen Einwand der Anfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte zu begründen. Er hat in diesem Zusammenhang vorgebracht, dass eine Plausibilitätsprüfung ergeben hätte, dass die Unternehmensergebnisse der Vergangenheit nicht einmal die Abgeltung eines Geschäftsführerbezugs von 1.000 EUR pro Monat rechtfertigten und der Verkehrswert der im Unternehmen befindlichen Einrichtungsgegenstände und Investitionen maximal brutto 14.333 EUR ausmache; darüber hinaus habe es namhafte Schulden bei Banken und dem Finanzamt gegeben.

Wenn das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, damit habe der Beklagte lediglich das Wertverhältnis zwischen dem zugesagten „Preis" und dem Wert des Unternehmens angesprochen, kann ihm eine erhebliche Fehlbeurteilung nicht vorgeworfen werden (vgl dazu auch RIS‑Justiz RS0042828). Dass das Unternehmen nicht einmal die Hälfte des vereinbarten Preises wert gewesen wäre, hat der Beklagte im Übrigen auch nicht dargelegt, sondern den genaueren Wert des Unternehmens vielmehr offen gelassen. Selbst wenn man den Einwand, die allenfalls zustandegekommene Vereinbarung wegen laesio enormis anzufechten, auch auf die bloße Aufgabe der Mietrechte des Klägers beziehen wollte, fehlt ausreichendes Prozessvorbringen des Beklagten, hat er doch in keiner Weise dargelegt, welchen Wert das vorzeitige Freiwerden des Mietobjekts seiner Meinung nach objektiv gehabt hätte.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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