OGH 15Os132/08p

OGH15Os132/08p16.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Oktober 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Metz als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. Grazyna S***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Mai 2008, GZ 121 Hv 11/08m-67, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Mag. Grazyna S***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB (I.), des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB (II.) und der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach hat sie

I. nachgenannte Geschädigte mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich dass sie eine redliche Vertragspartnerin sei und das geliehene Geld zurückzahlen werde bzw die Wohnung zurückkaufen könne, zu nachgenannten Handlungen verleitet bzw zu verleiten versucht, wobei der Schaden insgesamt 50.000 Euro übersteigt, nämlich

1. in Wien Stefan D*****

Ende September 2007 bzw Anfang Oktober 2007 zur Übergabe eines Geldbetrages in der Höhe von insgesamt ca 40.000 Euro zu verleiten versucht;

2. Kurt Z*****

a) zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt 2006 in Maria Enzersdorf in mehreren Angriffen zur Übergabe eines Geldbetrages in der Höhe von insgesamt ca 90.000 Euro;

b) im Juni 2007 in Maria Enzersdorf und Wien zum Verkauf seiner Eigentumswohnung sowie zur Übergabe des Verkaufserlöses von ca 70.000 Euro;

3. am 14. Dezember 2006 in Linz Gerhard M***** zur Überweisung eines Geldbetrags von ca 4.000 Euro;

II.) gewerbsmäßig (§ 70 StGB) Kurt Z***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Schaden insgesamt 3.000 Euro übersteigt, nämlich in mehrfachen Angriffen durch diverse Geldbehebungen nachgenannte Beträge, und zwar

1. von September 2006 bis Jänner 2007 in Maria Enzersdorf durch Behebungen mit der Bankomatkarte lautend auf Kurt Z***** einen Bargeldbetrag von insgesamt ca 14.680 Euro;

2. von April 2007 bis Juni 2007 in Wien und andernorts durch Behebungen mit der Kreditkarte lautend auf Kurt Z***** einen Bargeldbetrag von insgesamt ca 8.200 Euro;

III.) zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten, jedenfalls zwischen September 2006 bis Juni 2007 in Maria Enzersdorf sich nachgenannte unbare Zahlungsmittel, über die sie nicht oder nicht allein verfügen durfte, durch Wegnehmen mit dem Vorsatz verschafft, dass sie oder ein Dritter durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, nämlich

  1. 1. die Bankomatkarte lautend auf Kurt Z*****;
  2. 2. die Kreditkarte lautend auf Kurt Z*****.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten; diese geht fehl.

Aus Z 3 kritisiert der Beschwerdeführer zunächst, die Bezeichnung der als begründet gefundenen Tat als „gewerbsmäßig schwerer Betrug" im Schuldspruch (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) sei rechtsirrig, es müsse vielmehr heißen: „Schwerer gewerbsmäßiger Betrug". Abgesehen davon, dass eine bloß falsche Benennung der strafbaren Handlung keine Nichtigkeit nach Z 3 darstellt (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 32), trifft die gewählte Bezeichnung zu, wurde doch von den Tatrichtern die Absicht der Angeklagten konstatiert, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher schwerer Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, (US 4, 16, 19; vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 148 Rz 3 und 6).

Die Umschreibung der Schadensbeträge mit approximativen Wertangaben („ca") stellt - die Über- oder Unterschreitung einer Wertgrenze (§ 147 Abs 3 StGB) steht nicht in Diskussion - ebensowenig eine Undeutlichkeit des Schuldspruchs dar wie die Anführung der Wendung „zu nicht mehr feststellbaren Zeitpunkten" bei Schuldspruchfaktum III., sind die Taten doch durch die unmittelbar anschließende Beschreibung „jedenfalls zwischen September 2006 bis Juni 2007" hinreichend individualisiert (WK-StPO § 260 Rz 14, 16). Durch die Abweisung von drei in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträgen wurden dem Beschwerdevorbringen zuwider Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.

Der in der Hauptverhandlung am 2. April 2008 gestellte Antrag auf neuerliche Ladung oder ergänzende Vernehmung der Zeugin B***** zum Beweis dafür, „dass die Angeklagte den Herrn Z***** tatsächlich erst anlässlich ihrer Übersetzungstätigkeit im Zusammenhang mit dem Wohnungsverkauf im Jahr 2007 kennengelernt hat und auch überdies das erste Mal die Frau B***** die Angeklagte gesehen hat" (S 47 in ON 59), legt nicht dar, weshalb diese Zeugin nunmehr von ihrer bisherigen Aussage, in der sie von einem Zeitpunkt 2006 ausging (S 129 in ON 52) abgehen sollte (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO). Der Antrag auf Beischaffung „der beiden von Herrn Z***** sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung genannten Sparbücher bei seiner aktenkundigen Hausbank und die Auswertung dieser Sparbücher für den Zeitraum 2006 und 2007" zum Beweis der „objektiven und subjektiven Unschuld" der Angeklagten wurde zu Recht abgewiesen, weil einerseits der Zeuge Z***** angab, die „gelochten Bücher weggeschmissen" zu haben (S 43 in ON 64), andererseits nach Aussage der Bankangestellten L***** keine Unterlagen bezüglich der Sparbücher mehr existieren (S 11 in ON 66). Der Beweis war daher undurchführbar. Das Vorbringen der Rechtsmittelschrift zur Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht der Banken in Bezug auf Sparbücher und Konten entfernt sich von der ursprünglichen Antragstellung und ist somit unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Schließlich ist der Antrag auf gerichtliche Öffnung der bei der Bank W***** zugunsten der L***** GesmbH und zugunsten Herrn Sergey K***** bestehenden - in keiner Weise spezifizierten - Konten zum Beweis dafür, dass „der Kaufschilling für die Wohnung des Herrn Z***** im Ausmaß von 70.000 Euro auf diese Konten unmittelbar nach Vertragsunterzeichnng einbezahlt worden ist und der Angeklagten dieser Geldbetrag nicht zugekommen ist" (S 15 in ON 66), mit Blick auf die Aussage des Zeugen K*****, er habe den Kaufpreis in bar an den Zeugen Z***** übergeben (S 51 in ON 52), und dessen Deposition, er habe das Geld dann an die Angeklagte übergeben (S 77 in ON 52), sinnfällig ein auf spekulative Erwägungen gegründeter Erkundungsbeweis. Der Antrag verfiel daher zu Recht der Abweisung. Der in diesem Zusammenhang von der Beschwerde „hilfsweise" herangezogene Nichtigkeitsgrund der Z 5a ist gegenüber der Verfahrensrüge subsidiär (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 479). Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Feststellungen der Tatrichter zur subjektiven Tatseite schlicht als nicht nachvollziehbar und „ohne nähere Begründung" kritisiert, stellt sie keinen Begründungsmangel dar, sondern bekämpft bloß - in diesem Anfechtungsrahmen unzulässig - die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Offenbar unzureichend ist eine Begründung nämlich dann, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444), nicht aber wenn - wie hier - die subjektive Tatseite - zulässigerweise (RIS-Justiz RS0116882) - aus dem objektiven Geschehen abgeleitet wird (US 32). Zudem haben die Tatrichter ihre Erwägungen zur mangelnden Zahlungswilligkeit und -fähigkeit durch Schilderung der für sie maßgeblichen Umstände und Faktoren erläutert (US 24 f).

Dass für die Rückzahlung des Darlehens kein genauer Zeitpunkt vereinbart worden war, übergingen die Tatrichter - dem Beschwerdeeinwand zuwider - nicht mit Stillschweigen (Z 5 zweiter Fall), sondern haben dies ausdrücklich festgestellt (US 14). Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang lediglich der Umstand von rechtlicher Relevanz, ob dem Tatopfer Rückzahlung versprochen wurde. Entgegen dem weiteren Vorbringen hat der Zeuge Z***** auch nicht ausgesagt, nicht mit einer Rückgabe des Geldes gerechnet zu haben. Vielmehr gab er an, er habe ihr (der Angeklagten) das Geld nicht geschenkt, sie habe von einer Rückzahlung gesprochen (S 67 in ON 52). Daraus wurde von den Tatrichtern die - unter dem Aspekt der tatbestandlichen Täuschungshandlung wesentliche - Zusicherung der Rückzahlung mängelfrei erschlossen (US 14 zweiter Absatz). Mit dem neuerlichen Hinweis auf die Aussage des Zeugen Z***** vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken; Gleiches gilt für den - durch das Hauptverhandlungsprotokoll nicht belegten - Vorwurf, das Erstgericht habe suggestiv gefragt, und die daran anknüpfenden Spekulationen über ein allenfalls abweichendes Aussageverhalten dieses Zeugen. Dass die Aussage, „die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ergeben sich aus dem äußeren Geschehensablauf" (US 32) keine hinreichenden Konstatierungen zur inneren Tatseite darstellen, ist der Rechtsrüge (Z 9 lit a) wohl zuzugestehen; Sie stellen allerdings auch - klar ersichtlich - bloß einen Teil der tatrichterlichen Beweiswürdigung dar. Die von der Beschwerde vermissten Feststellungen hingegen finden sich auf US 12 f, 15 f, 17 f und 19. Welche Annahmen darüber hinaus zur rechtsrichtigen Beurteilung des Sachverhalts notwendig wären, lässt die Beschwerde offen.

Die Kritik der Subsumtionsrüge (Z 10) an der Urteilserwägung, die Gewerbsmäßigkeit sei aufgrund der Tatumstände indiziert (US 32), greift die erstgerichtlichen Konstatierungen beweiswürdigend an, statt von diesen ausgehend einen Rechtsfehler der Tatrichter aufzuzeigen. Solcherart verfehlt sie die gebotene Orientierung an der Verfahrensordnung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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