Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.773,72 EUR (davon 295,62 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer im Sinn des § 502 Abs 1 erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Die klagende Leasinggesellschaft stand seit November 2002 mit Günther S*****, der in W***** einen Autohandel betrieb, in geschäftlicher Verbindung, indem sie durch Leasingverträge zwischen fünf und zehn Käufe und Verkäufe finanzierte. Die Geldgebarung verlief dabei immer einwandfrei. Es bestand deshalb ein gewisses Vertrauen zu Günther S*****.
Im Juli 2005 hatte der beklagte Autohändler einen Porsche 996 auf seinem Firmengelände stehen. Günther S***** hatte die Absicht, diesen zu kaufen. Man einigte sich auf einen Preis von 43.000 EUR. Günther S***** setzte sich daraufhin mit der Klägerin wegen der Finanzierung in Verbindung. Die Klägerin erklärte sich unter Zugrundelegung einer Anzahlung von 13.000 EUR bereit, den Rest von 30.000 EUR zu finanzieren.
In weiterer Folge rief auch der Beklagte am 13. 7. 2005 bei der Klägerin an und fragte, ob das in Ordnung ginge, was bejaht wurde. Der Beklagte erkundigte sich in diesem Zusammenhang auch nach dem Firmenwortlaut der Klägerin, damit er die Rechnung dort hinschicken könne. „In diesem Zusammenhang" wies der Geschäftsführer der Klägerin darauf hin, dass diese in den Kaufvertrag eintreten werde. Der Beklagte erhielt am 14. 7. 2005 von Günther S***** die Anzahlung von 13.000 EUR in bar. Er bekam von der Klägerin einen Scheck über 30.000 EUR, den er am 19. 7. 2005 einlöste. Mit 14. 7. 2005 fakturierte er an die Klägerin den Betrag von 43.000 EUR und hielt gleichzeitig fest, dass die Anzahlung geleistet worden sei. Auf der Rechnung findet sich die Formulierung „Wir lieferten Ihnen einen Pkw Porsche gebraucht".
Am 14. 7. 2005 schloss die Klägerin mit Günther S***** einen Mietkaufvertrag, in dem dieser sich verpflichtete, den Kaufpreis von
50.360 EUR unter Berücksichtigung der Anzahlung von 13.000 EUR, somit restliche 37.360 EUR in 48 Monatsraten á 570 EUR beginnend mit August 2005 zurückzuzahlen; die Restrate von 10.000 EUR sollte am 31. 7. 2009 fällig sein. Das Eigentum am Fahrzeug sollte erst mit vollständiger Begleichung der Gesamtkaufpreisforderung übergehen; bis dahin war es dem Käufer verboten, das Mietobjekt zu veräußern. Wie in derartigen Fällen üblich, sah die Klägerin das Fahrzeug niemals. Es befand sich auch nicht in G*****. Der Porsche wurde von Günther S***** vom Firmensitz des Beklagten abgeholt. Er bestätigte am 14. 7. 2005 gegenüber der Klägerin, dass er das Mietkaufobjekt am 14. 7. 2005 als Eigentum der Klägerin übernommen habe. Die Klägerin hielt mit Brief vom 26. 7. 2005 an den Beklagten fest, dass sie im Zusammenhang mit der Finanzierung anstelle Günther S*****s als Käufer in die Kaufvereinbarung eintrete, wobei der Betrag von 30.000 EUR nach ordnungsgemäßer Übernahme und nach Erhalt der Übernahmsbestätigung durch den Kunden, der Rechnung, des Typenscheins und der Vinkulierung der Kaskoversicherung gezahlt werden sollte. Der Beklagte erachtete dieses Schreiben als unwesentlich, weil er zu diesem Zeitpunkt das Geld bereits erhalten hatte; er überflog es lediglich und verglich die dort aufscheinenden Beträge auf ihre Richtigkeit.
Zwischenzeitig war der Beklagte von Rudolf K***** wegen des Porsches angesprochen worden. Er rief Günther S***** an und sagte ihm, er sei bereit das Fahrzeug zum selben Preis wie einstens verkauft zurückzukaufen. Günther S***** war unter Hinweis darauf, dass Sommer und nicht viel Geschäft sei, damit einverstanden. Der Beklagte wies ihn darauf hin, dass er den Typenschein beibringen solle, ansonsten erhielte er von ihm das Geld nicht; darüber, ob Günther S***** bei der Klägerin allenfalls noch Schulden habe, sprachen die beiden nicht, weil nach Meinung des Beklagten hiezu keine Veranlassung bestand.
Am 10. 8. 2005 suchte Günther S***** das Büro der Klägerin in G***** auf. Er gab gegenüber der Sekretärin an, er melde den Porsche auf seine Firma an und benötige hiefür den Typenschein. Sie übergab ihm den Typenschein, ohne den diesbezüglichen Eigentumsvorbehaltsvermerk darin anzubringen. Es ist üblich, auch im Fall bloß kurzfrister Ausfolgung des Typenscheins nur zwecks Anmeldung diesen Vermerk hineinzustempeln. Ein Eigentumsvorbehalt scheint im Typenschein nicht auf. Darin ist „Eigentum eines der Streitteile" nicht ersichtlich. Günther S***** übergab den Typenschein dem Beklagten, der daraus feststellte, dass kein Eigentumsvorbehalt aufschien. Es war „für ihn also klar, dass der zur Finanzierung notwendige Betrag zwischenzeitig bezahlt worden war. Für ihn stellte sich der Sachverhalt so dar, dass ihm einerseits bewusst war, dass die Klägerin die Finanzierung durchgeführt habe, andererseits aber auch, dass dies zwischenseitig erledigt sein musste und Günther S***** Eigentümer des Fahrzeugs sei, weil eine Bank oder Anstalt wie die Klägerin ansonsten einen Typenschein nicht ohne die Formulierung eines Eigentumsvorbehaltes herausgebe."
Am 11. 8. 2005 verkaufte Günther S***** den Porsche an den Beklagten um 43.000 EUR, wobei festgehalten wurde, dass das Fahrzeug im Eigentum des Verkäufers ist. Dieser fakturierte den Kaufpreis mit Rechnung vom 11. 8. 2005 an den Beklagten und hielt darin fest, dass die Ware bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum des Verkäufers bleibe. Der Beklagte bezahlte den Kaufpreis und verkaufte den Porsche um 43.600 EUR an Rudolf K*****.
Den zwischen der Klägerin und Günther S***** abgeschlossenen Mietkaufvertrag vom 14. 7. 2005 erhielt der Beklagte erst im Zuge des vorliegenden Verfahrens. Beim Beklagten ist es eher der Ausnahmefall, dass Finanzierungen über eine Leasinggesellschaft erfolgen. Etwa ein Jahr zuvor war dies auch der Fall, auch damals schien vereinbarungsgemäß die Klägerin als Rechnungsadressatin auf. Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des auf Zahlung von 43.000 EUR gerichteten Klagebegehrens und ließ die ordentliche Revision zu. Es verneinte mit ausführlicher Begründung, dass die Klägerin Eigentümerin des Porsches war. Selbst wenn sie Eigentümerin gewesen wäre, stünde einem Klagserfolg entgegen, dass der Beklagte gemäß § 366 Abs 1 HGB gutgläubig Eigentum am Porsche erworben habe. Günther S***** habe behauptet, Eigentümer des Fahrzeugs zu sein. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung zur Einsicht in den Typenschein nachgekommen. Da der Verkäufer Günther S***** darin nicht aufgeschienen sei und zum Eigentum am Fahrzeug daraus überhaupt keine Rückschlüsse gezogen werden konnten, habe zwar grundsätzlich die Verpflichtung des Beklagten zu weiteren Nachforschungen bestanden. Es dürfe allerdings nicht übersehen werden, dass in der konkreten Situation für den Beklagten realistisch nur Vorbehaltseigentum der Klägerin in Betracht zu ziehen gewesen sei, weil diese den Verkauf des Fahrzeugs durch den Beklagten an Günther S***** erst knapp zuvor teilfinanziert habe. Dem habe der Beklagte ohnehin entsprochen, obwohl er keine Kenntnis vom Mietkaufvertrag gehabt habe. Es sei weiters die ständige Praxis zu bedenken, auch bei nur kurzfristiger Ausfolgung des Typenscheins an den Vorbehaltskäufer darin das vorbehaltene Eigentum ersichtlich zu machen, die auch den Gepflogenheiten der Klägerin entsprochen habe. In dieser Konstellation könne in dem vom Beklagten gezogenen Schluss, mangels eines solchen Vermerks im Typenschein bestehe kein Eigentumsvorbehalt (mehr), nicht als grob fahrlässiges Fehlverhalten betrachtet werden. Schließlich müsse auch dem Beklagten als Kaufmann das Vertrauen auf die Einhaltung der üblichen Vorgangsweisen durch die ständig in den Kraftfahrzeughandel involvierten anderen Kaufleute, jedenfalls die dabei auftretenden Finanzierer, zugestanden werden. Die sich darauf gründende Unterlassung weiterer Nachforschungen stellte daher weder eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße dar, noch habe dem Beklagten jedenfalls einleuchten müssen, dass mit einem betrügerischen Vorgehen seines ständigen, bisher verlässlichen Geschäftspartners Günther S***** zu rechnen sei. Überdies wäre es der Klägerin ein leichtes gewesen, den Gutglaubenserwerb durch den Beklagten durch ein der üblich und bekannten Geschäftspraxis entsprechendes Handeln zu verhindern. Der Beklagte habe daher unter Heranziehung des objektiven Beurteilungsmaßstabs nicht jene Vorsicht als Kaufmann vermissen lassen, deren Einhaltung zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit nach den von der Rechtsprechung geprägten Grundsätzen gefordert werde. Die unterlassenen weiteren Nachforschungen des Beklagten seien daher allenfalls nur als leicht fahrlässiges Fehlverhalten zu qualifizieren, das einen Gutglaubenserwerb nach § 366 HGB nicht ausschließe.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts liegen keine über den Anlassfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO vor:
Die Klägerin geht richtig davon aus, dass die Frage eines gutgläubigen Eigentumserwerbs durch den Beklagten im Anlassfall noch gemäß § 366 Abs 1 HGB zu prüfen ist (§ 906 Abs 14 UGB). Nach dieser Bestimmung wird unter anderem das Eigentum an einer beweglichen Sache auch dann erworben, wenn sie ein Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes, ohne dass sie ihm gehört, veräußert, es sei denn, dem Erwerber ist bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört oder dieser nicht befugt ist, über jene für den Eigentümer zu verfügen. Grob fahrlässig im Sinn dieser Bestimmung verhält sich, wer die bei dem betreffenden Erwerbsvorgang erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet lässt, was im konkreten Fall ohne besondere Aufmerksamkeit und ohne besonders gründliche Überlegung jedem einleuchtet (RIS-Justiz RS0022430). Die Redlichkeit des Erwerbers ist im Zweifel zu vermuten; dass der Erwerber nicht im guten Glauben gehandelt hat, muss der die Herausgabe der Sache begehrende (einen Verwendungsanspruch oder Schadenersatzanspruch geltend machende) Kläger beweisen (RIS-Justiz RS0062464).
Das Berufungsgericht hat den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit zutreffend umschrieben und die hiefür beim Gebrauchtwagenkauf maßgeblichen Kriterien angegeben. Ein revisibler Rechtsfehler bei der Anwendung dieses Sorgfaltsmaßstabs im Anlassfall ist nicht ersichtlich.
Nach ständiger Rechtsprechung sind weitere Nachforschungen erforderlich, wenn sich aus der Einsichtnahme in den Typenschein nicht eindeutig der Eigentumsübergang des Fahrzeugs auf den Veräußerer ergibt. Dies gilt insbesondere dann, wenn besondere Umstände den Verdacht nahe legen, der Vertragspartner könne unredlich sein (8 Ob 78/07i mwN; RIS-Justiz RS0080033; s RIS-Justiz RS0010891). Bei der Beurteilung des Umfangs der Nachforschungspflicht im Einzelfall ist nicht die persönliche Meinung des Erwerbers, sondern die Frage maßgebend, ob der Erwerb objektiv verdächtig erscheint (1 Ob 349/99a ua). Es besteht aber keine allgemeine Nachforschungspflicht; die im Einzelfall festzustellenden Sorgfaltspflichten sind umso größer, je stärker die Verdachtsmomente sind (3 Ob 129/01v).
Letztlich hängt aber die Beurteilung, welche Anforderungen an die Sorgfalt des Erwerbers zu stellen sind, von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass eine erhebliche Rechtsfrage nur bei einer krassen rechtlichen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts gegeben wäre (9 Ob 72/01f). Eine Frage des Einzelfalls ist ferner, ob besondere Umstände weitere über die Einsicht in den Typenschein hinausgehende Nachforschungen beim Kauf eines Gebrauchtswagens indizieren (8 Ob 1505/96). Der Revisionswerberin gelingt es aber nicht, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen:
Das Berufungsgericht verneinte eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten im Hinblick auf die vom Erstgericht festgestellte, dem Beklagten bekannte und überdies von der Klägerin in der Regel eingehaltene Übung von Finanzierungsinstituten, selbst bei kurzfristiger Überlassung des Typenscheins einen „Eigentumsvorbehaltvermerk hineinzustempeln", dieser Vermerk aber fehlte. Die Revisionswerberin meint dagegen, die Überprüfung des Typenscheins habe die Verdachtslage geschaffen, dass der Veräußerer nicht Eigentümer des Porsche sei, weil er darin nicht aufscheine. Hinzu komme, dass die Klägerin einen Monat zuvor den Ankauf des Autos durch den späteren Veräußerer beim Beklagten teilfinanziert habe. Sie stützt sich im Besonderen auf die höchstgerichtliche Entscheidung 1 Ob 614/95 = SZ 68/196, übersieht aber, dass in diesem Fall die zuvor dargestellte Übung nicht Sachverhaltselement war. Sie legt ferner nicht dar, weshalb die Erwägung des Berufungsgerichts, nach der Lage des Falls sei für den Beklagten realistischerweise nur Vorbehaltseigentum der Klägerin in Betracht zu ziehen gewesen, verfehlt ist.
Ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe jedenfalls gutgläubig Eigentum erworben, wenn die Klägerin Eigentümerin des Porsches gewesen sein sollte, nicht korrekturbedürftig, so stellen sich die weiteren vom Berufungsgericht und von der Revisionswerberin als im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblich bezeichneten Rechtsfragen nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 52 Abs 1 ZPO. Der Beklagte wies in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hin.
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