OGH 5Ob174/08m

OGH5Ob174/08m23.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Manuela D*****, 2. Maria S*****, 3. Robert G*****, 4. Maria B*****, 5. Maximilian L*****, 6. Claudia K*****, 7. Gerhard R*****, 8. Karin P*****, 9. Sabine S*****, 10. Wolfgang S*****, 11. Josef N*****, 12. Gabriele N*****, 13. Wolfgang S*****, 14. Heidemarie S*****, 15. Wilfried P*****, 16. Linde P*****, 17. Andreas H***** und 18. Michaela H*****, alle *****, alle vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ing. Rudolf K***** vertreten durch Maga. Anna Topic‑Matutin, Rechtsanwältin in Salzburg, als bestellte Verfahrenshelferin, wegen Ausschließung aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (§ 36 WEG 2002), über die ordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 3. Juni 2008, GZ 3 R 53/08x‑62, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Jänner 2008, GZ 6 Cg 14/07y‑54, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.149,12 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 191,52 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Beklagte ist zu 156/2820 Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft, mit welchen Wohnungseigentum an einer Wohnung untrennbar verbunden ist. Die Kläger sind Eigentümer von 2044 der übrigen 2664 Anteile. Von der (Wohnungs‑)Eigentümergemeinschaft wurde wegen offener Betriebskosten für die Monate Juli, August, September und Oktober 2007 gegen den Beklagten bei einem Bezirksgericht Klage über 986,96 EUR sA eingebracht und gegen ihn ein rechtskräftiger und vollstreckbarer Zahlungsbefehl erlassen, aufgrund dessen auch die Fahrnis- und Gehaltsexekution bewilligt wurde. Der Betriebskostenrückstand ist nach wie vor offen.

Die Kläger begehren den Ausschluss des Beklagten aus der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Er komme seit 2002 seinen Zahlungspflichten gegenüber der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht mehr ordnungsgemäß nach, sodass ein Zahlungsrückstand von 1.836,85 EUR aufgelaufen sei. Nach Bezahlung des später bestandenen Rückstands von 3.147,95 EUR durch den Beklagten sei er neuerlich in Verzug geraten. In der letzten Streitverhandlung vom 28. Jänner 2008 präzisierten die Kläger den Rückstand mit 2.023,34 EUR per 24. Jänner 2008; von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei ein vollstreckbarer Zahlungsbefehl vom 23. November 2007 über 986,96 EUR samt Anhang gegen den Beklagten erwirkt worden. Dieser wurde - versehen mit der Vollstreckbarkeitsbestätigung ‑ vorgelegt.

Der Beklagte wendete dazu ein, der Zahlungsbefehl sei nicht rechtswirksam zugestellt worden, weil er sich im Zeitpunkt der Erlassung und der Exekutionsbewilligung in Russland als Pilot aufgehalten habe. Der Titel sei deshalb nicht in Rechtskraft erwachsen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eines gesondert anfechtbaren Beschlusses über den Rückstand habe es nicht bedurft, weil ein rechtskräftiges Urteil bzw Teilurteil über die offenen Betriebskosten bestehe.

Die Berufung des Beklagten wegen Nichtigkeit (wegen unrichtiger Annahme einer Bindungswirkung des Zahlungsbefehls) verwarf das Berufungsgericht mit einem in das Urteil aufgenommenen Beschluss; im Übrigen gab es der Berufung (wegen Mangelhaftigkeit, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung) nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es an höchstgerichtlicher Judikatur zur Bindungswirkung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung eines über einen Zahlungsrückstand ergangenen Zahlungsbefehls für das Ausschließungsverfahren fehle. Es setzte sich ausführlich mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund auseinander und verneinte diesen. Die Rüge der Verfahrensmängel (unterbliebene Vernehmung des Beklagten, unterlassene Beschlussfassung über den strittigen Zahlungsrückstand und unrichtige Anwendung des § 381 ZPO) erachtete die zweite Instanz nach eingehender Behandlung als unberechtigt, ebenso die Beweisrügen. Schließlich verneinte es auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch das Erstgericht, weil es bei Schluss der Verhandlung vom Bestehen eines rechtskräftigen Zahlungsbefehls über rückständige Betriebskosten für die Monate Juli, August, September und Oktober 2007 von insgesamt 986,96 EUR auszugehen gehabt habe, sodass es keiner gesonderten Entscheidung im Sinn des § 36 WEG 2002 bedurft habe. Der Beklagte habe auch ausreichend Zeit und Gelegenheit gehabt, den Rückstand bis zum 28. Jänner 2008 zu begleichen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil sich erhebliche Rechtsfragen nicht stellen:

1. Zur (vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Frage der) Bindung von Vollstreckbarkeitsbestätigungen judizierte der Oberste Gerichtshof vorerst, dass diese alle Gerichte mit Ausnahme desjenigen, das sie erteilt hat, binden (RIS‑Justiz RS0000180 [T1]). Seit der Änderung der Rechtslage durch die EO‑Novelle 1995 wird die Ansicht vertreten, dass auch das Titelgericht anlässlich der von ihm zu treffenden Entscheidung über den Exekutionsantrag an die von ihm in einem eigenen Verfahrensschritt vorweg zu erteilende Vollstreckbarkeitsbestätigung gebunden ist. Damit steht dem Verpflichteten, der die Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels bestreitet, auch beim Titelgericht nicht mehr der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung, sondern nur mehr der Antrag nach § 7 Abs 3 EO offen. Ein Zustellmangel, der die Rechtskraft hindert, ist daher im Verfahren nach § 7 Abs 3 und 4 EO geltend zu machen (RIS‑Justiz RS0106414 [T1, T2 und T4]). Da diese Bestätigung die Vollstreckbarkeit bindend bezeugt (3 Ob 7/99x mwN), kann auch im Ausschließungsverfahren auf die vom Beklagten erhobene Einwendung, eine Ausfertigung des Exekutionstitels sei ihm nie zugestellt worden, nicht eingegangen werden. Diese Bindung besteht somit, solange die Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht nach § 7 Abs 3 oder 4 EO aufgehoben wurde (3 Ob 146/06a; 3 Ob 198/02t; SZ 54/115).

Das Berufungsgericht ist daher im Einklang mit der Judikatur von einer Bindung des Erstgerichts an die bei Schluss der Verhandlung nach wie vor aufrechte Vollstreckbarkeitsbestätigung zum Zahlungsbefehl ausgegangen. Auch ein solcher stellt eine rechtskräftige Entscheidung über den zum Gegenstand des Ausschließungsbegehrens gemachten Zahlungsrückstand dar, die eine gesonderte Beschlussfassung nach § 36 Abs 2 WEG 2002 erübrigt (zur vergleichbaren Bestimmung [RIS‑Justiz RS0116608 = 5 Ob 308/01g] des § 33 Abs 2 MRG: 1 Ob 36/98w).

2. Mit der neuerlichen Relevierung der Nichtigkeit (auch des Berufungsurteils) in der Revision wegen fehlender Bindungswirkung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls kann schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen werden, weil der Beschluss des Berufungsgerichts auf Verwerfung einer Nichtigkeitsberufung zufolge der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO unanfechtbar ist (RIS‑Justiz RS0043405 [T48]; RS0042981; RS0042925). Daran vermag auch die Behauptung des Rechtsmittelwerbers nichts zu ändern, dem Berufungsgericht sei selbst ebenfalls eine Nichtigkeit unterlaufen; ebenso wenig die Anfechtung unter dem Gesichtspunkt eines anderen Rechtsmittelgrunds (RIS‑Justiz RS0043405 [T1], [T3] und [T6]; RS0043292). Ob eine Nichtigkeit verneint wurde, richtet sich allein nach den beurteilten Tatsachen (RIS‑Justiz RS0042981 [T11]).

Eine neuerliche Prüfung der vom Beklagten behaupteten, vom Berufungsgericht jedoch ausdrücklich und aktenkonform verneinten, Nichtigkeit wegen fehlender Bindungswirkung der Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehls ist dem Obersten Gerichtshof daher verwehrt.

3. Der Beklagte hat schon in der Berufung gerügt, es hätte einer „Beschlussfassung gemäß § 33 MRG", also eines abgesonderten Beschlusses vor Schluss der Verhandlung nach § 36 Abs 2 WEG 2002, bedurft. Die Unterlassung eines solchen Beschlusses stellt aber bloß einen Verfahrensmangel dar (zur vergleichbaren Bestimmung des § 24 Abs 4 Satz 1 WEG 1975: RIS‑Justiz RS0042358; zu § 33 Abs 2 MRG: RIS‑Justiz RS0043204). Das Berufungsgericht hat sich mit diesem vom Beklagten relevierten Verfahrensmangel ausdrücklich auseinander gesetzt und ihn aktenkonform verneint. Ein - allfälliger - Mangel des Verfahrens erster Instanz, der in der Berufung geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, kann aber nach ständiger Rechtsprechung nicht mehr in der Revision gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963).

4. Waren die angeblichen Mängel des Verfahrens erster Instanz aber nicht einmal Gegenstand des Berufungsverfahrens, können sie umso weniger erst in der Revision gerügt werden (RIS‑Justiz RS0042963 [T30]). Daher kann der Oberste Gerichtshof auch nicht auf den erstmals in der Revision geltend gemachten Verfahrensmangel (zu § 33 Abs 2 MRG: 1 Ob 618/90), der Beklagte sei durch den schnellen Verhandlungsschluss überrumpelt worden, eingehen.

5. Dies muss zur Zurückweisung der unzulässigen Revision führen.

Da die Revisionsgegner auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen haben, sind ihnen Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen (§§ 41, 50 Abs 1 ZPO).

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