OGH 11Os105/08p

OGH11Os105/08p16.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. September 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz M***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 31. Jänner 2008, GZ 13 Hv 173/07f-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Franz M***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 2001/130 (I.a), der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I.b), der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II.) und der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III.) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (IV.), der „teils schweren Körperverletzung" nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 3 StGB (V.) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VI.) schuldig erkannt. Danach hat er in Natternbach

I.) „seine damalige Gattin Anita M***** mit Gewalt bzw durch Entziehung der persönlichen Freiheit in einer Vielzahl von Angriffen zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes genötigt, indem er sie jeweils festgehalten, in die Brust und in den Genitalbereich gezwickt, teilweise auch an den Haaren gerissen und gewürgt und mit einem Polster die Luft abgedrückt hat, und zwar

a) zumindest seit Anfang 2002 bis 30. April 2004 außer dem Fall des Abs 1 (des § 201 StGB in der damaligen Fassung),

b) im Zeitraum 1. Mai 2004 bis Dezember 2006;

II.) zumindest seit 1995 Anita M***** mit einer Vielzahl von Angriffen durch gefährliche Drohungen mit dem Tode, nämlich durch die Äußerungen, dass sie und ihre Kinder es nicht überleben würden bzw er das Haus in die Luft sprengen würde, sollte Anita M***** jemanden von den Übergriffen erzählen oder sich scheiden lassen, zu Unterlassungen bzw Handlungen, nämlich zur Abstandnahme von Anzeigeerstattungen bzw zum Weiterführen der Ehe genötigt;

III.) im August und September 2007 versucht, Anita M***** in wiederholten Angriffen durch gefährliche Drohungen mit dem Tode bzw mit einer Gefährdung durch Sprengmittel, nämlich durch die Äußerung, sie müsse alles zurücknehmen, sonst sprenge er alles in die Luft, zur Zurücknahme der Anzeige bzw ihrer Angaben zu nötigen; IV.) am 4. August 2007 Julia M***** mit Gewalt, nämlich durch Wegreißen, wobei ihr der Hörer aus der Hand gefallen ist, und durch Versetzen eines Schlages mit der Hand gegen den Kopf, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme der Verständigung der Polizei genötigt;

V.) nachstehenden Personen jeweils in einer Vielzahl von Angriffen durch Versetzen von Schlägen, teilweise auch mit Stöcken oder anderen Gegenständen, welche Hämatome und gleichartige andere Verletzungen zur Folge gehabt haben, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei er mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und durch Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat, und zwar:

  1. a) seit zumindest 1983 bis Ende 2006 Anita M*****,
  2. b) seit 1988 bis 1999 Karin M*****,
  3. c) zumindest seit ca 1993 bis ca Herbst 2006 Franz M***** jun,
  4. d) zumindest seit ca 1998 bis Ende 2006 Sarah M*****,
  5. e) zumindest seit 2004 bis zum 4. August 2007 Julia M*****; VI.) am 4. August 2007 eine fremde Sache, nämlich ein Mobiltelefon (der Anita M*****; US 8), zerstört, indem er es in zwei Teile zerbrochen hat."

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5, 9 lit a und lit b, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Diese verfehlt ihr Ziel.

Zu Schuldspruchfaktum II. bemängelt die Rüge eine Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall), weil dem Urteil nicht zu entnehmen sei, „welche Übergriffe nunmehr gemeint waren, die Anita M***** nicht anzeigen sollte". Damit spricht sie keine für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes, somit entscheidende Tatsache, sondern lediglich ein Detail der Formulierung der Drohung an (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff). Nötigungsmittel und -zweck aber sind den Feststellungen unmissverständlich zu entnehmen. Im Übrigen ist klar ersichtlich, dass die Tatrichter unter den „Übergriffen" die unter I. und V. beschriebenen Tathandlungen verstanden haben.

Mit der Behauptung, der Schuldspruch zu II. enthalte kein Tatzeitende, wird ein „Feststellungsmangel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO" (der Sache nach Z 3) nicht dargestellt, zumal im Fall des Schuldspruchs wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge (zum Begriff siehe Ratz, WK-StPO § 281 Rz 291) aus der pauschalen Individualisierung resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und somit für das Vorliegen des Verfolgungshindernisses des ne-bis-in-idem streiten (Lendl, WK-StPO § 260 Rz 24).

Die zu Schuldspruchfaktum V. undifferenziert auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a, lit b und 10 StPO gestützte Rüge vermisst Feststellungen zur subjektiven Tatseite, die sich jedoch mit hinreichender Deutlichkeit (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) auf US 10 iVm US 15 finden. Soweit der Beschwerdeführer - seiner Verantwortung folgend - einen (bloßen) Misshandlungsvorsatz postuliert, geht er nicht von den gegenteiligen Urteilsfeststellungen (US 10) aus und verfehlt so die gebotene Orientierung am Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0099810). Weshalb es aber für die Lösung der Subsumtionsfrage relevant sei, „ob der Angeklagte nur ein Vergehen nach § 83 Abs 1 oder § 83 Abs 2 StGB zu vertreten hat", vermag die Beschwerde nicht aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen (zur Gleichwertigkeit der beiden Varianten des § 83 StGB als Grunddelikt für die Qualifikation des § 84 StGB vgl Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 84 Rz 3).

Gleiches gilt für die Frage, ob es bei einzelnen Tathandlungen mangels Verletzungsfolgen beim Versuch geblieben sei, haben die Tatrichter ihrem Schuldspruch doch nur vollendete Taten zugrunde gelegt. Insofern geht auch die Sanktionsrüge (Z 11), die den weiteren Milderungsgrund des Versuchs (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB) reklamiert, ins Leere.

Offenbar unzureichend im Sinn des vierten Falles der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO ist eine Begründung, welche den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht (RIS-Justiz RS0118317). Dass die erstgerichtliche Beweiswürdigung zum Faktum V., die sich auf die Aussagen der verletzten Personen sowie auf die Angaben der Schwester des Angeklagten stützt (US 15), dem Beschwerdeführer „nicht ausreichend" erscheint, stellt diesen Nichtigkeitsgrund nicht her. Die in diesem Zusammenhang erhobene Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) legt nicht aus dem Gesetz abgleitet dar, welche „konkrete Auflistung" der drei selbständigen Taten über die hiezu getroffenen Konstatierungen hinaus (US 3 iVm US 8 f) zur rechtlichen Beurteilung erforderlich gewesen wäre. Ein Sachverhaltssubstrat, das eine Feststellung dahingehend ermöglicht hätte, dass die Taten aus einem begreiflichen Anlass oder ohne erhebliche Gewalt begangen worden sind, vermag sie ebensowenig zu benennen.

Schließlich bedurfte es mit Blick auf die gegen Franz jun, Sarah und Julia M***** gerichteten und festgestellten Aggressionshandlungen keiner gesonderten Konstatierungen zu Tathandlungen auch vor dem 1. März 1988 (Inkrafttreten des § 84 Abs 3 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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