OGH 13Os71/08b

OGH13Os71/08b27.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Saso B***** wegen Finanzvergehen des Schmuggels nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Jänner 2008, GZ 10 Hv 166/07a-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

II. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, wonach der Schmuggel gewerbsmäßig begangen wurde, weiters in der rechtlichen Unterstellung des zu Punkt I des Schuldspruchs konstatierten Verhaltens unter § 38 Abs 1 lit a FinStrG sowie demgemäß im Sanktionsausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

III. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

IV. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Verfahrens über seine Nichtigkeitsbeschwerde zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Saso B***** jeweils eines Finanzvergehens (richtig: jeweils mehrerer Finanzvergehen) „des Schmuggels nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs gemäß dem § 13 FinStrG idF BGBl 421/1996" - gemeint: des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a, 13 FinStrG - (I.) und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Alkoholmonopols nach §§ 11 zweiter Fall, 44 Abs 1 lit b, 13 FinStrG (II.) schuldig erkannt. Danach hat er zu einem im Urteil nicht näher genannten Zeitpunkt im Jahr 1996 in Mirna, Slowenien, die abgesondert verfolgten Nihad A***** und Aleksander S***** dazu bestimmt, in Spielfeld, Bezirk Leibnitz,

I. eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich im Urteil näher angeführte alkoholische Getränke, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet zu verbringen, „wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung)", und zwar

  1. 1. Nihad A*****, vom 5. September bis zum 10. Oktober 1996 und
  2. 2. Aleksander S*****, vom 12. September bis zum 10. Oktober 1996 Spirituosen in einem LKW versteckt von Slowenien nach Österreich zu bringen und (beim jeweils letzten Transport) dies zu versuchen, sowie

    II. Nihad A***** und Aleksander S***** „durch die zu Punkt I genannten Tathandlungen zu ihrem gemeinsamen Vorteil Monopolgegenstände (§ 17 Abs 4 FinStrG) einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider einzuführen bzw einzuführen zu versuchen". Der im Urteilsspruch irrig nicht angeführte (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 298; RIS-Justiz RS0098414) strafbestimmende Wertbetrag macht 147.715,40 Euro aus (US 20).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel, gibt jedoch Anlass zu amtswegigem Vorgehen (§ 290 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde

Von einer Tatsachengrundlage im Sinn des Beweisthemas, „dass der Angeklagte die Spirituosen ordnungsgemäß mit Ausfuhrbestätigung versehen hat", gingen die Tatrichter ohnedies aus (S 322), weshalb es dazu weder der beantragten Vernehmung des Zeugen Janez P***** noch der „Beischaffung der beschlagnahmten Unterlagen hinsichtlich der seinerzeitigen Versendung der Spirituosen durch die beschlagnahmende Behörde" (S 320) bedurfte (§ 55 Abs 2 Z 3 StPO).

Da Zeugen über Wahrnehmungen in Betreff zur Aufklärung der Straftat wesentlicher oder sonst den Gegenstand des Verfahrens betreffender Tatsachen und nicht über ihre Mutmaßungen (im gegebenen Zusammenhang: über Vorhaben des Angeklagten) auszusagen haben (§ 154 Abs 1 StPO), wurde der Antrag auf Vernehmung des schon genannten Zeugen, der weiters bekunden sollte, dass „die Lieferung der Spirituosen des Angeklagten ordnungsgemäß und mit Verzollung ausschließlich nach Holland hätte erfolgen sollen" (S 320), auch insoweit ebenso zutreffend abgewiesen wie jener auf Vernehmung eines informierten Vertreters der „Zielfirma in Holland, zum Beweis dafür, dass es seitens des Angeklagten ausschließlich geplant war, die Spirituosenlieferung nach Holland und nirgendwo anders wohin zuzustellen" (S 321).

Weshalb die auch zum letztgenannten Beweisthema verlangte Beischaffung der beschlagnahmten Unterlagen (S 320) Aufschluss über die wahren Pläne des Angeklagten in Betreff des Exports der Alkoholika aus Slowenien hätte geben können, bleibt unerfindlich, ebenso, aus welchen Gründen Attilio M***** (vgl US 7, 9, 15) und Mario G*****, die berichten sollten, dass „nicht der Angeklagte, sondern ein unbekannter Dritter den Auftrag erteilte, Spirituosen unverzollt über Österreich nach Deutschland zu führen und bei der Firma I***** abzuliefern" (S 382), dazu in der Lage gewesen wären. Die Verfahrensrüge (Z 4) ist demnach unbegründet.

Nichts anderes trifft auf die Tatsachenrüge (Z 5a) zu.

Vorweg: Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Soweit der Beschwerdeführer überhaupt unter Bezugnahme auf konkrete Beweismittel, woran es dem Großteil des Vorbringens fehlt (RIS-Justiz RS0117446), auf die Darlegung solcher Bedenken abzielt (va BS 7 unten), geht er über die im angefochtenen Urteil hervorgehobenen Angaben des Nihad A***** und des Aleksander S***** im Lauf des bisherigen Verfahrens zur Gänze hinweg (US 10 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Zur amtswegigen Maßnahme

Aus Anlass der Beschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Schuldspruch Punkt I. eine nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende, gemäß § 290 Abs 1 StPO von Amts wegen aufzugreifende Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet.

Feststellungen, wonach der Angeklagte die Absicht gehabt hätte, sich durch wiederkehrende Begehung (eigener) strafbarer Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, finden sich in den Entscheidungsgründen nicht. Dass der Angeklagte seine Chauffeure Nihad A***** und Aleksander S***** bestimmte, „die dargestellten Schmuggelfahrten wiederkehrend durchzuführen, um sich daraus eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen" (US 19, s auch US 5 f), bringt die für die rechtliche Annahme von Gewerbsmäßigkeit erforderliche Willensausrichtung des Täters dahin, selbst wiederholt Straftaten zu begehen (s § 70 StGB: „… sich durch ihre wiederkehrende Begehung …"; vgl Jerabek in WK² [2006] § 70 Rz 1, Rainer SbgK § 70 Rz 2), gerade nicht zum Ausdruck. Beteiligung an gewerbsmäßigem Handeln anderer reicht nicht (zB Jerabek aaO Rz 19). Der Spruch des Urteils vermag die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0114639; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 15).

Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des Schuldspruchs hinsichtlich der in Rede stehenden Qualifikation sowie des Ausspruchs über Geld- und (mit Blick auf § 19 Abs 5 FinStrG auch) Wertersatzstrafe sowie die jeweiligen Ersatzfreiheitsstrafen und insoweit die Anordnung neuer Verhandlung und Entscheidung. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht zu klären haben, ob das dem Angeklagten zur Last liegende Bestimmungsverhalten von der dargelegten Absicht getragen war.

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