OGH 11Os93/08y

OGH11Os93/08y19.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Murat Ö***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Februar 2008, GZ 40 Hv 16/07x-63, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Murat Ö***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt. Danach hat er

I) Ende Juni 2007 in Lustenau Fabienne H***** mit Gewalt, indem er

sie zu Boden stieß, sie auf den Boden drückte, sich auf ihre Arme kniete, sie mit einer Hand am Hals erfasste, mit der anderen Hand das Top und den BH über die Brüste schob, sie mit der Hand an der Brust erfasste und sie zu Boden drückte, anschließend ihre Arme an den Handgelenken überkreuzte und mit einer Hand festhielt, mit der anderen Hand seine Hose hinunterzog und in weiterer Folge ihr die Hose öffnete und hinunterzog, schließlich mit seinen Knien bzw Beinen ihre Beine auseinander drückte, sich ganz auf sie legte, ihr den Slip zur Seite schob und mit seinem erigierten Penis in ihre Scheide eindrang, zur Duldung des Beischlafs genötigt;

II) im Anschluss an die zu Punkt I geschilderte Tat Fabienne H***** durch die Äußerung, sie solle keinem davon erzählen, denn sonst würde sie schon wissen, was mit ihr passieren würde, mithin durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Strafanzeige, genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO.

Die Mängelrüge (Z 5) greift eine Passage der Beweiswürdigung der Tatrichter zur Nötigung (US 13) und eine aus der rechtlichen Beurteilung (wiederum US 13) heraus und behauptet darauf gegründet undeutliche Feststellungen zur subjektiven Tatseite des Faktums II und eine unzureichende Begründung der inneren Tatseite überhaupt. Der Beschwerdeführer ignoriert dabei aber die Gesamtheit der Entscheidungsgründe - hier US 7 sowie 12 f zu den relevierten Punkten - und verfehlt derart eine prozessordnungsgemäße Darstellung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394; RIS-Justiz RS0119370, RS0116504), ohne eine Undeutlichkeit des Tatsachensubstrats des angefochtenen Urteils oder eine willkürliche Beweiswürdigung der Erstrichter aufzeigen zu können (Fabrizy StPO10 § 281 Rz 42, 46).

Soweit der Rechtsmittelwerber sein Vorbringen zur Z 5a des § 281 Abs 1 StPO auch als „Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO" geltend macht, versäumt er ebenso die Darstellung der von dieser Norm erfassten Formalmängel, zumal sich das Erstgericht mit den Widersprüchen in den Angaben der Zeugin H***** eingehend auseinandersetzte (US 8 ff).

Auch die Tatsachenrüge (Z 5a) selbst bewegt sich außerhalb des gesetzlichen Anfechtungsrahmens: Dieser formelle Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, maW intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht. Die Tatsachenermittlung im kollegialgerichtlichen Verfahren bleibt den Richtern erster Instanz vorbehalten, die unter dem Eindruck der unmittelbaren, mündlichen und kontradiktorischen Beweiserhebung entscheiden. Beweiswürdigende Detailerwägungen diesseits der Schwelle erheblicher Bedenklichkeit - wie in Erledigung einer Berufung wegen Schuld - sind dem Obersten Gerichtshof somit verwehrt und auch in einer Tatsachenrüge nicht statthaft (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).

Überwiegend auf der genannten Ebene der Bekämpfung des Schuldspruchs

liegen jedoch die Argumente des Nichtigkeitswerbers: Mangels

objektiver Beweisergebnisse „hätte der Schöffensenat die

Ungenauigkeiten und Widersprüchlichkeiten der Zeugin Fabienne H*****

in ihrer Aussage anlässlich der Hauptverhandlung sowie der Aussage

bei der Polizeiinspektion Lustenau genauer und insbesondere

kritischer hinterfragen müssen"; aufgrund von Widersprüchen in den

Angaben des mutmaßlichen Opfers hinsichtlich des Sturzes über einen

Tisch unmittelbar vor der Vergewaltigung (womit sinnfällig und vom

Angeklagten auch eingeräumt keine entscheidende Tatsache betroffen

ist) „liegt ... die Vermutung nahe, dass die Zeugin den Angeklagten

'als Revanche' für die Beschimpfungen und Beleidigungen ... belastet

... Das Detail ... müsste der Zeugin ... erinnerlich sein".

Die Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit einer Person kann aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO - und auch aus Z 5 - nicht releviert werden (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431, 491; RIS-Justiz RS0106588, RS0099649).

Dass Fabienne H***** unterschiedliche Angaben zu den Umständen der Ejakulation des Angeklagten nach vollzogenem Geschlechtsverkehr machte (S 33/II, 273/I; vgl US 8) und der Zeuge Soner Ö***** aussagte, er habe die Schilderungen H*****s dahin verstanden, sie habe ihm (auch) von analer Penetration - was die Zeugin selbst nicht deponierte - erzählt (S 64/II, 277/I; vgl US 10), vermag beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der zum Schuldspruch führenden Feststellungen zu erwecken. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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