European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:E88282
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 1.692,11 EUR (darin 282,02 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, die Auffassung des Obersten Gerichtshofs, bezüglich des Unterhaltsschadens sei zwischen einem gesunden und einem behinderten Kind zu unterscheiden, bedürfe im Hinblick auf „vielfältige Kritik" der Lehre einer (nochmaligen) Überprüfung; im Übrigen sei „zu überdenken", ob eine Haftungsfreistellung des Bereichs der Fortpflanzungsmedizin „tatsächlich dogmatisch begründbar beibehalten" werden könne.
Nach den - mangels eines von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalts - maßgeblichen Behauptungen der Kläger gebar die Zweitklägerin am 12. 10. 2004 gesunde, mehreiige Drillinge. Zur Schwangerschaft war es dadurch gekommen, dass der Zweitklägerin am 23. 2. 2004 in der Kinderwunschambulanz des Zentralklinikums S*, dessen Träger die Beklagte ist, drei extrauterin mit dem Sperma des Erstklägers befruchtete Embryonen in den Uterus eingesetzt worden waren. Allerdings hatten die Kläger mit dem behandelnden Arzt ‑ zwecks Verringerung der Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsschwangerschaft - ausdrücklich die Vereinbarung getroffen, lediglich zwei Embryonen einzusetzen. Wären nun tatsächlich nur zwei Embryonen eingesetzt worden, wäre es nicht zur Geburt von Drillingen, sondern lediglich zur Geburt von Zwillingen gekommen. Die Kläger begehren aus dem Titel des Schadenersatzes ein Drittel der Kosten der Kinder von monatlich 182 EUR je Kind für die Zeit zwischen der Geburt und der Klagseinbringung sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für ein Drittel aller aus der Geburt der Drillinge für deren Unterhalt bis zu deren Selbsterhaltungsfähigkeit entstehenden Kosten.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach (1 Ob 91/99k = RdM 1999, 177 [Chr. Hirsch]; 6 Ob 101/06f = EvBl 2006/171 [B. Steininger] = EF‑Z 2006/79 [M. Leitner] = FamZ 2006, 198 [Neumayr] = ecolex 2006, 900 [Wilhelm] = Zak 2006, 358 [Kletecka] = RdM 2007, 20 [Chr. Huber]; 2 Ob 172/06t = EFSlg 114.099) ausgesprochen, dass die Geburt eines - wie auch im vorliegenden Fall - gesunden Kindes keinen Schaden darstellt (Einheitstheorie), und daher auf den Titel des Schadenersatzanspruchs gestützte Klagen der jeweiligen Eltern abgewiesen. Der erkennende Senat, der sich in der Entscheidung 6 Ob 101/06f mit den Argumenten der Vertreter der Trennungstheorie ausführlich auseinandergesetzt und diese abgelehnt hat, sieht keine Veranlassung, von dieser Rechtsauffassung wieder abzugehen. Es gelingt den Eltern in ihrer Revision auch nicht, Argumente aufzuzeigen, mit denen sich der erkennende Senat in der angeführten Entscheidung nicht auseinandergesetzt hätte.
2.1. Der 5. Senat des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 165/05h = EF‑Z 2006/27 [Bernat] = FamZ 2006, 63 [Neumayr] = JAP 2006/2007, 115 [Parapatits] = Zak 2006, 214 [Rebhahn]; 5 Ob 148/07m = ecolex 2008, 322 [Wilhelm] = RdM 2008, 47 [Kopetzki]) vertritt zwar die Auffassung, aus dem Schutzzweck des zwischen den Eltern eines später behindert geborenen Kindes und dem Arzt, der eine fehlerhafte Pränataldiagnose durchführt und die Eltern über die bestehende Behinderung des ungeborenen Kindes nicht informiert, ergebe sich der gesamte Unterhaltsaufwand (also auch der Grundunterhalt) für das behinderte Kind als ersatzfähiger Schaden.
2.2. Allerdings ist es einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es sich bei der Geburt eines gesunden Kindes und bei der Geburt eines behinderten Kindes um unterschiedliche, nicht vergleichbare Sachverhalte handelt (6 Ob 101/06f; 2 Ob 172/06t; 5 Ob 148/07m).
Diese Rechtsprechung wurde zwar zuletzt mehrfach kritisiert (vgl etwa Kletecka, Zak 2006, 358 [Entscheidungsanmerkung]; Hinghofer‑Szalkay/C. Hirsch, Wrongful Conception die Zweite - [k]ein Ende in Sicht, EF‑Z 2007, 89 ua; zuletzt B. Steininger, Wrongful birth revisited: Judikatur zum Ersatz des Unterhaltsaufwands nach wie vor uneinheitlich, ÖJZ 2008, 436; Koziol/B. Steininger, Schadenersatz bei ungeplanter Geburt eines Kindes, RZ 2008, 139); da im vorliegenden Fall jedoch die Geburt gesunder Kinder zu beurteilen ist, ist es dem erkennenden Senat verwehrt, zu der bislang nur vom 5. Senat beurteilten Frage Stellung zu nehmen, ob die Grundsätze der Einheitstheorie nicht auch auf den Grundunterhalt eines behinderten Kindes zu übertragen wären. Eine derartige Stellungnahme würde nämlich ein reines obiter dictum darstellen.
3. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 6 Ob 101/06f unter Bedachtnahme auf eine Lehrmeinung von F. Bydlinski (Das Kind als Schadensursache im Österreichischen Recht, in Magnus/Spier, European Tort Law. Liber amicorum for Helmut Koziol [2000] 29) die Frage aufgeworfen, ob nicht starke Gründe für das Durchschlagen des Schadenersatzprinzips gegenüber dem Persönlichkeitsprinzip dann bestehen könnten, wenn die Unterhaltspflicht der Eltern für das gesunde, jedoch ungewollte Kind diese wegen besonders geringer Mittel besonders stark treffen würde (vgl dazu ausführlich zuletzt Koziol/B. Steininger, RZ 2008, 139).
Das Erstgericht hat im vorliegenden Verfahren in diesem Zusammenhang ausgeführt, die Kläger seien angesichts ihrer Vermögens- und Einkommenssituation ohne Weiteres in der Lage, den Unterhaltsbedarf ihrer Kinder zu decken, ohne dadurch in eine existenzielle Krise zu geraten; das Berufungsgericht lehnte eine Differenzierung von Schadenersatzansprüchen aus Vertragsverletzung je nach finanzieller Notlage des Anspruchswerbers aus grundsätzlichen Überlegungen ab.
Da sich die Kläger in ihrer Revision - anders als noch im Verfahren erster Instanz - mit dieser Frage inhaltlich nicht näher auseinandersetzen, bedarf es nicht einer (nochmaligen) Erörterung durch den erkennenden Senat.
4. Soweit in verschiedenen Stellungnahmen zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs betreffend Schadenersatzansprüche aufgrund der Geburt von gesunden oder behinderten Kindern unter anderem gefordert wurde, es möge sich doch „ein verstärkter Senat dieser Problematik annehmen" (vgl etwa Hinghofer‑Szalkay/C. Hirsch, EF‑Z 2007, 89), verkennen diese die verfahrensrechtliche Frage der Voraussetzungen der Befassung eines verstärkten Senats des Obersten Gerichtshofs:
Nach § 8 Abs 1 OGHG ist ein einfacher Senat durch sechs weitere Mitglieder des Obersten Gerichtshofs zu verstärken, wenn ... 1. die Entscheidung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ... bedeuten würde oder 2. eine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht einheitlich beantwortet worden ist. Damit genügt aber allein das Vorliegen einer präjudiziellen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für eine Senatsverstärkung nicht; in jedem Fall erforderlich ist vielmehr noch ein Abgehen von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs oder die Beseitigung einer Rechtsprechungsdivergenz (Zechner in Fasching/Konecny, ZPO² [2005] Vor §§ 502 ff Rz 123).
Der erkennende Senat geht mit der vorliegenden Entscheidung weder von der unter 1. (kein Schadenersatz für ein gesundes Kind) noch von der unter 2.2. (mangelnde Vergleichbarkeit der Geburt eines gesunden Kindes und der Geburt eines behinderten Kindes) referierten ständigen und einheitlichen Rechtsprechung ab. Mangels Vergleichbarkeit der beiden Fälle liegt aber auch keine Rechtsprechungsdivergenz vor.
5. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der Beklagten ist zwar in der Sache selbst völlig inhaltsleer und besteht insoweit nur aus der Floskel, die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen und Beweiswürdigungen sowie insbesondere die rechtliche Beurteilung seien „vollinhaltlich richtig"; dem sei „nichts hinzuzufügen". Sie weist allerdings zutreffend auf das Fehlen divergierender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und damit auf die Unzulässigkeit der Revision hin. Der Schriftsatz ist daher letztlich doch als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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