OGH 14Os98/08f (14Os99/08b)

OGH14Os98/08f (14Os99/08b)5.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Mark K***** wegen Vergehen nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 1 erster Fall SMG aF und weiterer strafbarer Handlungen, über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgericht für Strafsachen Wien vom 30. September 2005, GZ 064 EHv 144/05x-22, sowie einen Vorgang im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des selben Gerichts erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur Dr. Sperker, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz:

1. im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des Landesgerichts für Strafsachen Wien die Unterlassung der Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien von der Rechtskraft des Beschlusses vom 13. September 2004, mit welchem die im selben Verfahren gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wurde, in § 4 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 4 lit e StRegG;

2. der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. September 2005, GZ 064 EHv 144/05x-22, insoweit, als damit auch die bedingte Nachsicht der im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des Landesgerichts für Strafsachen Wien verhängten Freiheitsstrafe widerrufen wurde, den im XX. Hauptstück der StPO aF (nunmehr 16. Hauptstück der StPO) verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.

Der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. September 2005, GZ 064 EHv 144/05x-22, wird in dem von der Gesetzesverletzung betroffenen Umfang ersatzlos aufgehoben, der entsprechende Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Wien zurückgewiesen und dem Landesgericht für Strafsachen Wien im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h die Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien von der Rechtskraft des Beschlusses vom 13. September 2004, GZ 044 EHv 13/04h-35, aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. Februar 2004, GZ 044 EHv 13/04h-19, wurde Mark K***** des versuchten Vergehens nach §§ 15 StGB, 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG aF schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Der Vollzug eines Teils der Freiheitsstrafe im Ausmaß von sieben Monaten wurde unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit - unangefochtenem - Beschluss dieses Gerichts vom 13. September 2004 wurde die bedingte Strafnachsicht aus Anlass einer weiteren Verurteilung (nämlich zu AZ 043 EHv 63/04d desselben Gerichts) gemäß § 53 Abs 1 StGB widerrufen (GZ 044 EHv 13/04h-35) und die Strafe nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses in Vollzug gesetzt (GZ 044 EHv 13/04h-38).

Eine Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien erfolgte nicht. Mark K***** wurde aus dieser Freiheitsstrafe mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 12. Jänner 2005 am 3. März 2005 gemäß § 46 Abs 2 StGB aF bedingt entlassen (GZ 37 BE 3/05t-6; GZ 044 EHv 13/04h-40).

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. September 2005, GZ 064 EHv 144/05x-22, wurde Mark K***** wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 zweiter Fall SMG aF und anderer strafbarer Handlungen neuerlich verurteilt. Zugleich wurde der Beschluss auf Widerruf der - unter anderem - im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des Landesgerichts für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht gefasst.

Der genannte Vorstrafakt des Landesgerichts für Strafsachen Wien, AZ 044 EHv 13/04h, war zum Zeitpunkt der Urteilsfällung angeschlossen (S 144 iVm S 11 und S 184; nicht einjournalisierte Empfangsbestätigung vom 3. November 2005 im Akt AZ 044 EHv 13/04h).

Rechtliche Beurteilung

Das Gesetz ist - wie die Generalprokuratur in ihrer deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - in zweifacher Hinsicht verletzt:

1. Gemäß § 4 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 4 lit e StRegG hat das Gericht, das den Verurteilten davon zu verständigen hat, der Bundespolizeidirektion Wien, die das Strafregister führt, eine rechtskräftige Entscheidung über den Widerruf - ua - einer bedingten Strafnachsicht mitzuteilen. Diese Mitteilung hat der Einzelrichter im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des Landesgerichts für Strafsachen Wien nach Rechtskraft des Beschlusses vom 13. September 2004, mit welchem er die im selben Verfahren gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen hatte, unterlassen.

2. Der Beschluss des Einzelrichters des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. September 2005, GZ 064 EHv 144/05x-22, steht ebenfalls mit dem Gesetz (zum Teil) nicht im Einklang. Denn im Zeitpunkt der Beschlussfassung war der im Verfahren AZ 044 EHv 13/04h des Landesgerichts für Strafsachen Wien unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachgesehene Teil der verhängten Freiheitsstrafe bereits mit (aktenkundigem) Beschluss des Gerichts vom 13. September 2004 (rechtskräftig) widerrufen worden. Damit stand der im Verfahren AZ 064 EHv 144/05x des Landesgerichts für Strafsachen Wien gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO getroffenen Entscheidung, soweit sie sich auf das Verfahren AZ 044 EHv 13/04h dieses Gerichts bezog, die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 13. September 2004 entgegen.

Zur Klarstellung war der in Rede stehende Beschluss aufzuheben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Die unterbliebene Verständigung wird nachzuholen sein.

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