Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Mit Urteil vom 23. Mai 1950 hatte das Erstgericht (AZ C 62/49 ) den Vater der Klägerin als Vater des damals minderjährigen Beklagten festgestellt und zu Unterhaltsleistungen verpflichtet. Berufung und Revision gegen diese Entscheidung blieben erfolglos. Am 29. Juli 2006 starb der festgestellte Vater. In ihrer auf Wiederaufnahme des genannten Verfahrens gerichteten Klage vom 30. November 2007 brachte die Klägerin im Wesentlichen vor:
Sie sei zusammen mit zwei Geschwistern und ihrer Mutter, der Witwe des Erblassers, Erbin von dessen Vermögen mit einem Reinnachlass von 30.000 EUR. Etwa ein Jahr nach dem Ableben des Verstorbenen habe sich plötzlich der Beklagte beim Erbenmachthaber gemeldet und Erb- und Pflichtteilsansprüche angemeldet. Vergleichsgespräche seien gescheitert.
Im seinerzeitigen Verfahren sei die Vaterschaft des Vaters der Klägerin zum Beklagten ungeachtet aufgrund der Blutgruppen und Blutfaktoren bestehender erheblicher Zweifel festgestellt worden. Nach dem heutigen Stand der Medizin sei es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch eine entsprechende Untersuchung (etwa „DNA-Fingerprint") festzustellen, ob der Beklagte tatsächlich der leibliche Halbbruder der Klägerin sei. Sie sei als Erbin und Tochter des Verstorbenen zur Einbringung der Klage ermächtigt. Eine erbbiologische Untersuchung sei nur nach einer medizinischen Untersuchung des Beklagten möglich, dieser habe trotz Aufforderung am 15. November 2007 bisher seine Zustimmung dazu nicht erteilt. Die Wiederaufnahme sei aufgrund der zwischenzeitig möglichen exakten erbbiologisch-anthropologischen Untersuchungsmethode zulässig. Das Erstgericht wies die Klage a limine zurück.
Es ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Klägerin Erbin und somit Gesamtrechtsnachfolgerin des festgestellten Vaters des Beklagten und damit zur Erhebung der Rechtsmittelklage legitimiert sei. Eine Wiederaufnahmsklage bedeute einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtskraft einer Entscheidung, weshalb der Wiederaufnahmskläger durch die Notfrist des § 534 Abs 1 ZPO verhalten werden solle, unverzüglich nach Bekanntwerden eines Wiederaufnahmsgrunds das Verfahren einzuleiten. In den Fällen der Abstammungsfeststellung sei bei der Ermittlung des Beginns des Laufes der Frist kein strenger Maßstab anzulegen, was aber nicht bedeute, dass diese Frist überhaupt unbeachtlich sei. Diese Frist sei im vorliegenden Fall jedenfalls abgelaufen, da die Methode des genetischen Fingerabdrucks schon 1985 entwickelt und zB in Deutschland erst mit 1988 als Beweis in einem Strafprozess vom Gericht anerkannt worden sei. Spätestens seit Beginn des neuen Jahrtausends würden derartige Untersuchungsmethoden auch in Österreich zur Feststellung der Vaterschaft angewendet. Als Gesamtrechtsnachfolgerin des festgestellten Vaters müsse sich die Klägerin auch anrechnen lassen, dass die Möglichkeit einer DNA-Analyse schon längere Zeit bestehe und allenfalls ihr Vater vor seinem Ableben eine Wiederaufnahmsklage einbringen hätte können. Selbst vom Zeitpunkt der Kenntnis der Klägerin von der Existenz des Beklagten an sei die Klage verfristet.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Im Abstammungsverfahren liege im Auffinden neuer Untersuchungsmethoden dann ein Wiederaufnahmegrund, wenn ihnen nach wissenschaftlichen Grundsätzen bereits ein so zuverlässiger Aussagewert zukomme, dass von diesen Beweismitteln rechtlich erhebliche Ergebnisse erwartet werden könnten. Bei Beweismitteln beginne die Frist erst dann, wenn die Partei alle Angaben erfahren habe, die zur Stellung eines form- und inhaltsgerechten Beweisantrags erforderlich seien, und wisse, dass das Beweismittel erfolgversprechend sei.
Der Nachweis der (Nicht-)Vaterschaft erfolge heute vorzugsweise durch eine DNA-Analyse, aber auch durch ein blutserologisches oder ein erbbiologisch-anthropologisches Gutachten. Die Klägerin lege ausführlich dar, wann ihr Zweifel an der Abstammung des Beklagten von ihrem Vater gekommen seien. Sie gelange dabei sogar zum Ergebnis, sie hätte wegen der Weigerung des Beklagten, sich einem DNA-Test zu unterziehen (während in der Klage von seiner Weigerung an der Teilnahme an einer erbbiologischen Untersuchung die Rede sei) nicht erwarten können, ihrer Beweispflicht nachkommen zu können, weshalb die vierwöchige Frist noch gar nicht in Gang gesetzt worden sei. Dem könne sich das Rekursgericht nicht anschließen. Soweit sie meine, die frühere Rechtslage habe keine Mitwirkungspflicht des beklagten Mannes an der körperlichen Untersuchung vorgesehen, genüge es, ihr § 7 FamRAnglV in Erinnerung zu rufen. Auf die Zweifel komme es aber gar nicht an. Sie sei nicht Partei des Abstammungsverfahrens gewesen. Soweit sie die Wiederaufnahme des Verfahrens beantrage, könne sie dies nur als Erbin und Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Vaters tun. Sie könne keine Ansprüche geltend machen, die ihr Vater nicht mehr geltend machen könnte. Es sei daher nur entscheidend, ob der Vater, hätte er am 30. November 2007 (Tag des Einbringens der Klage) noch gelebt, wirksam auf Wiederaufnahme des Abstammungsverfahrens hätte klagen können.
Das sei nicht der Fall. Auch wenn nach älterer Rechtsprechung bei einer Wiederaufnahmsklage, die auf eine erbbiologische Untersuchung gestützt werde, von einer Versäumung der vierwöchigen Frist nicht gesprochen werden könne, bevor nicht alle Ähnlichkeitsmerkmale vollkommen ausgebildet seien, bedeute dies nicht, dass diese Frist überhaupt unbeachtlich wäre. Da der Beklagte 1949 geboren worden sei, habe es zweifellos keinen Grund gegeben, mit einer Wiederaufnahmsklage bis 2007 zuzuwarten, weil sich erst dann Ähnlichkeitsmerkmale besonders ausgeprägt hätten. Es könne daher die Wiederaufnahmsklage keinesfalls auf eine erbbiologisch-anthropologische Untersuchung gestützt werden. Die in der Klage kurz angesprochene DNA-Untersuchung bilde zweifellos grundsätzlich einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund. Derartige Methoden würden aber in gerichtlichen Verfahren seit vielen Jahren angewendet und es habe darüber immer wieder Berichte in Medien gegeben. Der Vater der Klägerin hätte von diesen Entwicklungen jedenfalls bereits vor mehreren Jahren gehört haben müssen. Bei Anwendung gehöriger Sorgfalt hätte er sich auch bei einem Sachkundigen darüber informieren können. Dass er dies nicht getan habe, sei ein prozessuales Verschulden in Analogie zu § 530 Abs 2 ZPO, das sich die Klägerin anrechnen lassen müsse. Daher sei auch diesbezüglich die Frist abgelaufen.
Der nicht nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässige ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung über die Einhaltung der Frist nach § 534 Abs 1 ZPO im Zusammenhang mit einer DNA-Untersuchung nicht veröffentlicht sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist nicht zulässig. Vorauszuschicken ist, dass die Vorinstanzen zu Recht die Bestimmungen der ZPO auf die folgende Wiederaufnahmsklage angewendet haben. Nach § 202 AußStrG ist dieses Gesetz auf vor seinem Inkrafttreten anhängig gewordene Streitigkeiten in Angelegenheiten, die nunmehr statt im streitigen Verfahren im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen wären, was auf das Abstammungsverfahren zutrifft (§§ 82 ff AußStrG), nicht anzuwenden. Das gilt nach den ErläutRV (abgedruckt bei Fucik/Kloiber, AußStrG Anm zu § 202) auch für die Wiederaufnahme derartiger bereits abgeschlossener Verfahren (ebenso Jelinek in Fasching/Konecny2 § 530 ZPO Rz 196).
Die Wiederaufnahmsklage hat nach § 536 ZPO insbesondere die Angabe der Umstände zu enthalten, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist für die Klage ergibt, desgleichen die Bezeichnung der hiefür vorhandenen Beweismittel (Z 3). Angesichts der für eine Klage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO maßgeblichen Frist des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO brachte die Klägerin dazu vor, der Beklagte habe trotz Aufforderung am 15. November 2007 keine Zustimmung zu einer erbbiologischen Untersuchung erteilt. Offenbar will sie damit die Einhaltung der gesetzlichen Klagefrist dartun. Dementsprechend macht sie auch nunmehr geltend, es komme auf jenen Zeitpunkt an, in dem sie wegen der Weigerung des Beklagten „mit 15. November 2007" mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Nichtvaterschaft ihres Vaters habe ausgehen können. Wie sich nun aus der gesamten Klagserzählung ergibt, stützt die Klägerin ihre Wiederaufnahmsklage ausschließlich auf neue Beweismittel (ohne sich diesbezüglich genau festzulegen), nicht aber auf neue Tatsachen im Sinn des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO. Darauf, dass der Wiederaufnahmskläger mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Unrichtigkeit der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren ausgehen könne, stellt das Gesetz erkennbar nicht ab. Selbst wenn man den Lehrmeinungen folgt, dass die Frist bei neuen Beweismitteln erst dann zu laufen beginne, wenn der Partei die Stellung eines form- und inhaltsgerechten Beweisantrags möglich sei und sie wisse, dass das Beweismittel erfolgversprechend sei (Jelinek aaO § 534 ZPO Rz 33; E. Kodek in Rechberger3 § 534 ZPO Rz 5), kann daraus nicht abgeleitet werden, die Frist beginne erst dann, wenn der Wiederaufnahmskläger schon weiß, dass das Beweismittel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu abweichenden und eine günstigere Entscheidung bewirkenden Tatsachenfeststellungen führen werde. Nach § 538 Abs 1 erster Satz ZPO ist in nichtöffentlicher Sitzung ua zu prüfen, ob die Klage in der gesetzlichen Frist erhoben wurde. Da hier kein Fall vorliegt, in dem Angaben in der Klage überhaupt fehlen würden, was zu einem Verbesserungsversuch führen müsste (E. Kodek aaO § 536 ZPO Rz 1), haben die Vorinstanzen die Klage schon deshalb zu Recht zurückgewiesen, weil es auf die zur Fristwahrung vorgebrachten Tatsachen nicht ankommt und Behauptungen dazu nicht aufgestellt wurden, weshalb die Klägerin nicht unmittelbar nach dem für sie angeblich überraschenden Auftauchen des ihr bislang unbekannten Beklagten die Wiederaufnahmsklage samt dem auch nunmehr gestellten Antrag auf Einholung eines „erbbiologisch-anthropologischen" Gutachtens (womit wohl auch eine Untersuchung des Erbguts mittels Analyse der DNA [deutsche Abkürzung: DNS] gemeint war) hätte stellen können.
Im Vorprüfungsverfahren ist die Wiederaufnahmsklage nach neuerer zutreffender Rechtsprechung nicht erst bei erwiesener Verspätung zurückzuweisen, sondern schon mangels Glaubhaftmachung ihrer Rechtzeitigkeit; dem Gesetz ist nämlich die Vermutung der Rechtzeitigkeit einer Wiederaufnahmsklage fremd (1 Ob 4/99s = SZ 72/31 ua; RIS-Justiz RS0111662; Jelinek aaO § 538 ZPO Rz 26), weil auch die Wiederaufnahmsklagemöglichkeit als außerordentlicher Eingriff in die Rechtskraft und damit in die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden einschränkend auszulegen ist. Die Klage war daher schon mangels ausreichender Behauptungen zu ihrer Rechtzeitigkeit zurückzuweisen.
Demnach kommt es weder auf die vom Rekursgericht noch auf die von der Klägerin als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO angesehenen Rechtsfragen an. Der Vollständigkeit halber ist die Wiederaufnahmsklägerin darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof bereits in den Entscheidungen 4 Ob 25/00f = SZ 73/25 und 2 Ob 249/03m = ecolex 2004, 274 klarstellte, dass bei Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile in Abstammungssachen § 534 Abs 1 ZPO uneingeschränkt Anwendung findet und die kürzere prozessuale Frist gegenüber der damals einjährigen Frist des § 164b ABGB (idF des FamErbRÄG) für eine Klage auf Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses sachlich gerechtfertigt sei. Dass statt der damals einjährigen Frist nunmehr eine zweijährige Frist für die nach neuer Rechtslage im außerstreitigen Verfahren geltend zu machende Rechtsunwirksamkeit eines solchen Anerkenntnisses gilt, bedeutet keine relevante Änderung der Rechtslage. Auch nach § 31 Abs 2 AußStrG gilt ja der Untersuchungsgrundsatz (ErlRV, abgedruckt ua bei Fucik/Kloiber aaO 145; dieselben, aaO § 31 Rz 2; Rechberger in Rechberger, AußStrG § 31 Rz 2).
Die - bisher vom Obersten Gerichtshof tatsächlich noch nicht zu prüfende - Rechtsansicht der Klägerin, für die Klagefristen des § 534 ZPO käme es bei Tod der Partei auf die Kenntnis deren Rechtsnachfolgers an, würde evidentermaßen zu absurden Ergebnissen führen. Es könnte dann trotz Verstreichens der Klagefrist für den eigentlich zu einer Wiederaufnahme Berechtigten dessen Erbe (oder auch ein Erbeserbe) erneut auf die Einhaltung dieser Frist pochen, was schon aus Gründen der Rechtssicherheit (aber auch wegen der Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge, wie schon das Gericht zweiter Instanz darlegte) fraglos abzulehnen ist. Auch zu der vom Rekursgericht als erheblich angesehenen Frage gibt es bereits eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, nämlich die schon zitierte zu 4 Ob 25/00f, in welchem Fall (im Jahr 1999!) ein Wiederaufnahmskläger den Fristbeginn (mit Billigung des Obersten Gerichtshofs) mit Zugang eines Schreibens des Vorstands eines gerichtsmedizinischen Instituts darüber annahm, dass es mit der „DNA-Frequenzanalyse" ein neues Verfahren gebe, nach dessen Durchführung ein Vaterschaftsausschluss des Wiederaufnahmsklägers denkmöglich wäre.
Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf die Frage der Klagelegitimation der Wiederaufnahmsklägerin einzugehen wäre, die sich erst im Rechtsmittelverfahren auf eine rechtskräftige Einantwortung in die Verlassenschaft nach ihrem verstorbenen Vater - und damit auf die Gesamtrechtsnachfolge auch in dessen Prozessrechtsverhältnisse (Gitschthaler in Rechberger³ §§ 155 - 157 ZPO Rz 4 mwN) - berufen hatte (zur Qualifikation einer Erbengemeinschaft als einheitliche Streitpartei bei der Vaterschaftsfeststellungsklage siehe 7 Ob 316/00x = SZ 74/20).
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