OGH 5Ob111/08x

OGH5Ob111/08x3.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Michael M* (bisher 2. Antragsteller), *, 2.) Monika K* (bisher 10. Antragstellerin), * und 3.) Mag. Gregor K* (bisher 12. Antragsteller), *, alle vertreten durch Winkler Reich‑Rohrwig Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin Gemeinnützige B* reg GenmbH, *, vertreten durch Auer & Auer Rechtsanwälte in Wien, wegen § 22 Abs 1 Z 6 WGG, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Dezember 2007, GZ 40 R 302/07v‑32, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 29. Juni 2007, GZ 26 Msch 15/04b‑27, bestätigt wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:E87720

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsteller wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

 

Die verbliebenen Antragsteller (die weiteren Antragsteller haben die Abweisung ihres Antrags unbekämpft gelassen) begehren die Überprüfung der Angemessenheit der jeweils von ihnen für Wohnungen im Haus Ö* begehrten Preise (§ 15 WGG), wobei unstrittigermaßen die Präklusivfrist des § 18 Abs 3 WGG durch den verfahrenseinleitenden Antrag bei der Schlichtungsstelle eingehalten wurde.

Im Verfahren vor der Schlichtungsstelle wurde gemäß § 22 Abs 2 WGG der belangten Bauvereinigung die Vorlage einer Endabrechnung über die gesamten Baukosten aufgetragen und nach Vorlage dieser Unterlagen den Antragstellern aufgetragen, binnen 6 Monaten die behaupteten Berechnungsfehler kurz und vollständig anzugeben. Die 6‑monatige Frist endete mit Ablauf des 18. 10. 2000. Am 19. 10. 2000 langten die am 17. 10. 2000 zur Post gegebenen Einwendungen der Antragsteller zur Endabrechnung bei der Schlichtungsstelle ein.

Am 7. 6. 2004 erging zu MA 16 - ZS 9602/1999 eine Entscheidung der Schlichtungsstelle, mit der eine Überschreitung der Baukostenendabrechnung in der Höhe von 739.090,84 EUR bezüglich der Baukreditkosten festgestellt und die Antragsgegnerin verhalten wurde, den Antragstellern gemäß § 37 Abs 4 MRG die zuviel eingehobenen Entgeltkomponenten zurückzuzahlen.

Durch Anrufung des Gerichts gegen diese Entscheidung der Schlichtungsstelle seitens der Antragsgegnerin trat diese Entscheidung zufolge § 40 Abs 1 MRG iVm § 22 Abs 4 WGG außer Kraft.

Bereits in ihrem Schriftsatz vom 10. 1. 2005 (ON 7) im gerichtlichen Verfahren verwiesen die Antragsteller darauf, dass durch die Anrufung des Gerichts über das gesamte Antragsbegehren neu zu entscheiden sein werde und auf sämtliche im Schlichtungsstellenverfahren bereits erhobenen Einwendungen der Antragsteller gegen die Baukostenendabrechnung einzugehen sein werde. Ausdrücklich erklärten die Antragsteller, diese Einwendungen gegen die Baukostenendabrechnung auch im gerichtlichen Verfahren aufrechtzuerhalten.

In der mündlichen Verhandlung vom 15. 3. 2005 erklärten sämtliche Streitteile, ihr Vorbringen vor der Schlichtungsstelle aufrecht zu erhalten.

Ein neuerliches Vorgehen nach § 22 Abs 2 Z 1 und 2 WGG unterblieb im gerichtlichen Verfahren.

Am 29. 6. 2007 fasste das Erstgericht gemäß § 22 Abs 2 Z 3 WGG einen Beschluss über jene Tatsachen, über welche aufgrund der Einwendungen nach Z 2 Beweis zu erheben sei.

Die Antragsgegnerin hielt dem entgegen, dass eine neuerliche Prüfung der Endabrechnung über die gesamten Baukosten ausgeschlossen sei, weil die Antragsteller im Schlichtungsstellenverfahren ihre Einwendungen im Sinn des § 22 Abs 2 Z 2 WGG nicht fristgerecht erstattet hätten.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Beschlussfassung nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG durch das Erstgericht im vollen Umfang und begründete dies damit, die Frist des § 22 Abs 2 Z 2 WGG von 6 Monaten zur Darstellung der Berechnungsfehler durch die Antragsteller sei eingehalten worden, weil es sich dabei um eine prozessuale Frist handle, auf die § 89 Abs 1 GOG anzuwenden sei. Mit Postaufgabe am 17. 10. 2000 sei die Rechtzeitigkeit der Einwendungen innerhalb von 6 Monaten bewirkt. Darüber hinaus seien aber jedenfalls jene Einwendungen der Antragsteller zu berücksichtigen, die sie bereits in ihrem verfahrenseinleitenden Antrag erhoben hätten.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob in § 22 Abs 2 Z 2 WGG eine verfahrensrechtliche oder aber eine materiell‑rechtliche Präklusivfrist normiert sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Fortführung des Verfahrens unter Abstandnahme von den Einwendungen der Antragsteller. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Erneuerung des Verfahrens durch das Gericht zweiter bzw erster Instanz gestellt.

Die Antragsteller haben eine Revisionsrekursbeantwortung erstattet und darin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin erweist sich als zulässig, weil zur Frage der Erneuerung eines Verfahrens nach § 22 Abs 2 WGG in einem an ein Schlichtungsstellenverfahren anschließenden Gerichtsverfahren noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionsrekursbeantwortung ist zufolge § 68 Abs 1 AußStrG unzulässig, weil der zufolge ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung gesondert anfechtbare Beschluss nach § 22 Abs 2 Z 3 WGG kein Sachbeschluss und keine „Entscheidung über die Sache" ist (vgl 5 Ob 162/92 = MietSlg 45.586).

Das Revisionsrekursverfahren ist daher einseitig.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt es auf die Frage, ob die Frist des § 22 Abs 2 Z 2 WGG eine prozessuale oder materiell‑rechtliche Ausschlussfrist ist, aus folgenden Erwägungen nicht an:

Zwischen einem Schlichtungsstellenverfahren und dem darauf folgenden gerichtlichen Verfahren besteht nämlich keine Einheit (vgl 5 Ob 81/88 = MietSlg 40.605/31; 5 Ob 99/88 = MietSlg 41/16 = wobl 1989/47 [Würth]), das gesamte Verfahren wird durch die Anrufung des Gerichts neu bei Gericht anhängig (5 Ob 61/90 = wobl 1992/28; RIS‑Justiz RS0111174 [T2]).

Das bedeutet, dass dann, wenn ein Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 6 WGG über die Frage der Angemessenheit des vereinbarten oder begehrten Preises und Entgelts bei der Schlichtungsstelle anhängig gemacht, dann aber zu Gericht abgezogen wird, das Verfahren nach § 22 Abs 2 WGG vom Gericht neu durchzuführen ist.

Selbstverständlich spricht nichts dagegen, eine bereits im Schlichtungsstellenverfahren gelegte Endabrechnung über die gesamten Baukosten auch dem gerichtlichen Verfahren zugrunde zu legen und die Einwendungen, die die Antragsteller gegen die Richtigkeit der Abrechnung im Sinn des § 22 Abs 2 Z 2 WGG bereits erstattet haben, durch Erklärung und Verlesung der entsprechenden Urkunden auch dem gerichtlichen Verfahren zugrunde zu legen, sodass sich ein neuerlicher Beschluss im Sinn des § 22 Abs 2 Z 2 WGG erübrigen kann, wie dies im vorliegenden gerichtlichen Verfahren zutreffenderweise gehandhabt wurde.

Wurden im Schlichtungsstellenverfahren Berechnungsfehler nicht aufgezeigt, kann dies im gerichtlichen Verfahren nachgetragen werden. Die rein verfahrensrechtlichen, der Strukturierung und Beschleunigung eines Verfahrens über die Angemessenheit des vereinbarten begehrten Preises oder Entgelts dienenden Vorschriften des § 22 Abs 2 WGG sind sowohl im Schlichtungsstellenverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren einzuhalten.

Durch die Abziehung eines Verfahrens im Sinn des § 40 MRG von der Schlichtungsstelle an das Gericht wird nämlich - wie bereits ausgeführt - im Zweifel das gesamte bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren bei Gericht neu anhängig (siehe auch 5 Ob 220/02t mwN ua). Den Antragstellern wäre daher im gerichtlichen Verfahren neuerlich eine Frist zur Bekanntgabe der Berechnungsfehler einzuräumen gewesen, wenn sie nicht ohnedies durch ausdrückliche Erklärung die im Schlichtungsstellenverfahren erhobenen Einwendungen zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hätten.

Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass sich dadurch ohnehin unzweifelhaft auch der prozessrechtliche Charakter der Frist des § 22 Abs 2 Z 2 WGG ergibt, weil ihre Versäumung nur einen Ausschluss der Einwendungen im Schlichtungsstellenverfahren zur Folge hätte, nicht aber materiell‑rechtliche Folgen zeitigen würde (vgl RIS‑Justiz RS0038465 ua; Konecny in Fasching² Rz 10 zu § 123 ZPO; Liebhart/Herzog Fristenhandbuch Rz 19).

Damit erweist sich der angefochtene Beschluss im Sinn des § 22 Abs 2 Z 3 WGG als rechtsrichtig.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

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