OGH 8Ob44/08s

OGH8Ob44/08s27.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter, in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich P*****, vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger, Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner, Mag. Thomas Laherstorfer und Dr. Robert Gamsjäger, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei Josef S*****, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen Feststellung, Einverleibung einer Dienstbarkeit, Beseitigung und Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 21. November 2007, GZ 23 R 187/07z‑15, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 24. Juli 2007, GZ 13 C 1078/06i‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Punkte I) und II) 1. und 4. (des Ersturteils) zu lauten haben:

I) Das Klagebegehren, es werde zwischen der klagenden und beklagten Partei festgestellt, dass der Kläger als Eigentümer des herrschenden Grundstücks Nr ***** A***** 1, dieses inneliegend in der EZ *****, GB *****, Bezirksgericht *****, und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks gegenüber dem Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks Nr *****, A***** 2, dieses inneliegend in der EZ *****, GB *****, Bezirksgericht *****, und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieses Grundstücks die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens - gemäß der dem Urteil als Bestandteil beigefügten Skizze - zusteht, sowie das weitere Begehren,

II) 1. der Beklagte sei schuldig, in die Einverleibung der in Punkt I) des Urteilsspruchs genannten Dienstbarkeiten des Gehens und Fahrens ob der Liegenschaft EZ *****, GB *****, Bezirksgericht *****, bestehend aus dem Grundstück Nr ***** für die klagende Partei einzuwilligen,

werden abgewiesen.

II) 4. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.007,28 EUR (darin 167,88 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen zu ersetzen. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 137,75 EUR bestimmten Barauslagen (PG) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Punkte II) 2. und 3. des Ersturteils bleiben unberührt.

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 2.327,01 EUR (darin 1.284,50 EUR Barauslagen und 173,75 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ *****, GB *****, bestehend aus dem Grundstück Nr ***** mit einer Fläche von 2.704 m² und der Grundstücksadresse A***** 1.

Der Beklagte ist Eigentümer der EZ *****, GB *****, bestehend unter anderem aus dem Grundstück Nr ***** im Ausmaß von 16.431 m². Auf diesem Grundstück ist das Haus A***** 2 errichtet.

Der Kläger erwarb die Liegenschaft A***** 1 am 15. 2. 2005 durch Versteigerung. Er führte Umbauarbeiten durch und konnte in dieser Zeit immer problemlos zufahren. Infolge einer schweren Erkrankung entschloss sich der Kläger, die Liegenschaft wieder zu veräußern und beauftragte einen Makler. Im Zug der beabsichtigten Veräußerung richtete der Klagevertreter am 24. 4. 2006 an den Beklagten ein Schreiben, in dem er ihn darauf hinwies, dass der Kläger beabsichtige, die Liegenschaft zu veräußern. Dem Kläger stünde als Eigentümer des Grundstücks Nr ***** ein Fahrtrecht über die Liegenschaft des Beklagten Nr ***** zum Weggrundstück Nr ***** zu. Dieses Fahrtrecht sei seit Bestehen des Hauses immer ausgeübt worden. Anlässlich einer Bauverhandlung vom 13. 4. 1976 habe der Vater des Beklagten der Errichtung einer Garage auf der Liegenschaft des Klägers zugestimmt. Der Beklagte sei damals bei der Verhandlung auch anwesend gewesen. Der Beklagte werde daher ersucht, die zur Verbücherung notwendige Urkunde, die zur grundbücherlichen Sicherstellung des Geh- und Fahrtrechts notwendig sei, zu unterfertigen. Nach Erhalt dieses Schreibens stellte der Beklagte einen Traktor bzw ein Mähwerk auf das Weggrundstück, wodurch ein Zufahren zum Haus A***** 1 nicht mehr möglich war.

Die streitgegenständliche Zufahrt verläuft - wie in dem einen integrierenden Bestandteil des Ersturteils bildenden Lageplan ersichtlich - von der Gemeindestraße ***** in nordöstliche Richtung über das Grundstück Nr ***** des Beklagten zum Grundstück Nr ***** des Klägers. Zu diesem Grundstück wird seit mehr als dreißig Jahren zugefahren. Die gegenständliche Zufahrt bildet die einzige Zufahrt zum Grundstück des Klägers.

Mit Bescheid vom 22. 9. 1982 wurde von der Agrarbezirksbehörde G***** im Zusammenlegungsverfahren P***** gemäß § 91 Abs 1 Oö. FLG 1979 eine Übergangsverfügung getroffen und die Ausübung von Grunddienstbarkeiten des Fußsteigs, Viehtriebs und Fahrwegs an einbezogenen Grundstücken (§ 2 Abs 2 Oö. FLG 1979) bis zur Rechtskraft des Zusammenlegungsplans - ausgenommen einige explizit angeführte Dienstbarkeiten - untersagt. In der Begründung des Bescheids ist diesbezüglich angeführt, dass gemäß § 91 Abs 1 Oö. FLG 1979 aus wirtschaftlichen Gründen Verfügungen getroffen werden können, um einen angemessenen Übergang in die Neugestaltung des Grundbesitzes zu erzielen. Mit Ausnahme der Ausgedinge erlöschen Grunddienstbarkeiten und Reallasten aus dem Titel des § 480 ABGB erst mit Rechtskraft des Zusammenlegungsplans, es sei denn, dass diese Rechte von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrecht gehalten werden. Mit den im Spruch bezeichneten Ausnahmen sei die Ausübung der dort angeführten Dienstbarkeiten infolge der neuen Voreinteilung unnötig. Die Rechtsausübung würde überdies die Bewirtschaftung der Grundabfindungen erschweren. Die weitere Ausübung dieser Rechte sei daher im Rahmen einer Provisorialverfügung zu untersagen, wobei über ihren endgültigen Bestand erst im Zusammenlegungsplan abzusprechen sein werde.

Auch die Liegenschaft des Beklagten (A***** 2) befand sich im Zusammenlegungsgebiet, nicht jedoch die Liegenschaft des Klägers (A***** 1). Diesem war im Grundzusammenlegungsverfahren auch keine Parteistellung eingeräumt.

Im Generalakt der Agrarbezirksbehörde G***** vom 20. 3. 1986 ist bezüglich des Beklagtengrundstücks hinsichtlich der verbücherten Grunddienstbarkeiten und Reallasten festgehalten:

Löschung des Rechts der Ableitung von Regen und Schmelzwasser in AO ***** hinsichtlich des verbleibenden Rechts des Gehens und Fahrens die Anmerkung, dass nunmehr herrschendes Grundstück Nr ***** und dienstbares Grundstück Nr ***** (EZ *****) ist:

Löschung der Eintragungen in AO *****

Einverleibung der Löschung der Grunddienstbarkeit des Fahrtrechts in CO *****

Einverleibung der Löschung der Grunddienstbarkeit der Duldung der elektrischen Hochspannungsleitung in CO *****

Anmerkung in CO *****, dass nunmehr dienstbare Grundstücke Nr ***** und Nr ***** sind.

Das streitgegenständliche Geh- und Fahrtrecht war im Zusammenlegungsplan nicht ausgewiesen.

Die Liegenschaft des Klägers wurde auch nach Rechtskraft des Grundzusammenlegungsplans über das Grundstück des Beklagten Nr ***** anstandslos bis zum Frühjahr 2006 befahren.

Dem Rechtsvorgänger des Klägers wurde am 3. 7. 1975 die Baubewilligung zur Errichtung eines Anbaus zum Wohnhaus A***** 1 erteilt. Der Rechtsvorgänger des Beklagten erhob dagegen keine Einwände. Ein weiterer Rechtsvorgänger des Klägers beantragte am 28. 6. 1991 die Errichtung einer Senkgrube. Am 22. 8. 1991 wurde der Antrag mit einigen Auflagen bewilligt. In Punkt 8. der Auflagen ist festgehalten, dass die Zufahrt über die bestehende Zufahrt zu erfolgen habe. Eine direkte Zufahrt zur W***** Landesstraße dürfe nicht errichtet werden. Dieser Bewilligungsbescheid wurde dem Beklagten zugestellt.

Der Kläger stellte mit der am 3. 7. 2006 eingebrachten Klage die aus dem Spruch ersichtlichen sowie zwei weitere, nicht mehr revisionsgegenständliche und rechtskräftig von den Vorinstanzen zugesprochene (Beiseitigungs- und Unterlassungs‑)Begehren. Das Haus A***** 1 werde seit mehr als dreißig Jahren über das Grundstück des Beklagten erschlossen. Es sei sohin ein uneingeschränktes Geh- und Fahrtrecht ersessen worden.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung. Dem Kläger stehe kein Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück des Beklagten zu. Aufgrund des Zusammenlegungsverfahrens P*****, in das sowohl das Grundstück des Beklagten als auch jenes des Klägers einbezogen gewesen seien, gebe es kein ersessenes Geh- und Fahrtrecht des Klägers. Dieser könne auch von anderer Seite her eine Zufahrt schaffen, sodass die Zufahrt über das Grundstück des Beklagten nicht unbedingt erforderlich sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. In rechtlicher Hinsicht ging es davon aus, dass die Liegenschaft des Klägers nach dem Sachverhalt lediglich über die über das Grundstück des Beklagten führende Zufahrt zu erreichen sei. Die Zufahrt sei ungehindert über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren erfolgt, sodass von einer Ersitzung der Dienstbarkeit auszugehen sei. Das Grundstück des Klägers sei vom Zusammenlegungsverfahren nicht erfasst gewesen und es habe der Rechtsvorgänger des Klägers auch keine Parteistellung gehabt. Das Zusammenlegungsverfahren habe daher auf die Ersitzung keinen Einfluss.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und ließ - hinsichtlich der Punkte I (Feststellungsbegehren) und II) 1. (Einwilligung in Einverleibung der Dienstbarkeit) - die ordentliche Revision zu, wobei es aussprach, dass in diesen Urteilspunkten der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteigt. Hinsichtlich der beiden restlichen Urteilspunkte II) 2. und 3. (Bestätigung der Unterlassung) wurde ausgesprochen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (jeweils) weder 4.000 EUR noch 20.000 EUR übersteigt und die Revision insoweit jedenfalls unzulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht zusammenfassend aus, dass der Kläger, der als Ersitzender Art und Umfang der Besitzausübung und die Vollendung der Ersitzungszeit zu behaupten und zu beweisen habe, diesen Beweis erbracht habe. Der Ersitzungsgegner habe hingegen eine Unterbrechung der Ersitzung zu beweisen.

§ 24 Abs 1 Oö. FLG 1979 bestimme, dass Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der in § 480 ABGB genannten Titel gründen, mit Ausnahme der Ausgedinge ohne Entschädigung erlöschen. Sie seien jedoch von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrechtzuerhalten oder neu zu begründen, wenn sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig seien. Zu dieser Bestimmung habe der Oberste Gerichtshof in 3 Ob 588/87 ausgeführt, dass ein mangels Ablauf der erforderlichen Zeit noch nicht ersessenes Recht nicht weiter ersessen werden könne und vielmehr der Lauf der Ersitzungszeit mit Beendigung des Zusammenlegungsverfahrens neu beginnen müsse. In der zitierten Entscheidung, in der im Übrigen noch das Gesetz vom 25. 2. 1911, LGuVBl für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns Nr 16 anzuwenden gewesen sei, seien aber das herrschende und das dienende Grundstück im Zusammenlegungsgebiet gelegen. Im vorliegenden Fall sei jedoch die Liegenschaft des Klägers nie in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen gewesen und habe der Rechtsvorgänger des Klägers im Zusammenlegungsverfahren auch keine Parteistellung gehabt. Die Agrarbehörde habe daher auch keine wirksamen Verfügungen über die Dienstbarkeit treffen können, weder eine solche, dass die Dienstbarkeit gemäß § 24 Abs 1 Oö. FLG 1979 aufrechterhalten bzw begründet werde noch eine solche, dass die Dienstbarkeit erloschen sei. Da der Agrarbehörde für die Aufhebung oder Begründung der Dienstbarkeit keine Zuständigkeit zugekommen sei, sei durch die Einleitung des Zusammenlegungsverfahrens auch der Verlauf der Ersitzungszeit nicht beeinflusst worden. Die dreißigjährige Ersitzungszeit sei daher vollendet, weshalb dem Kläger das Recht auf Ausübung der Dienstbarkeit zustehe.

Die ordentliche Revision sei (in den Punkten I) und II) 1.) zulässig, weil der Beurteilung der Frage, ob die Einleitung eines Zusammenlegungsverfahrens die Ersitzungszeit unterbreche, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und dazu mit Ausnahme der Entscheidung 3 Ob 588/87, der kein gleichgelagerter Sachverhalt zugrundeliege, keine Rechtsprechung aufgefunden werden könne.

Gegen die Urteilspunkte I) und II) 1. richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das Klagebegehren in diesen Punkten abzuweisen.

Die klagende Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der primär das Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen behauptet und beantragt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig. Sie ist auch (im Umfang der Anfechtung) berechtigt.

Der Revisionswerber vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass die Ersitzungszeit im Sinn der Entscheidung 3 Ob 588/87 auch dann unterbrochen werden müsse, wenn nur eines der beiden Grundstücke bzw das dienende Grundstück vom Zusammenlegungsverfahren erfasst sei. Eine allenfalls bestehende Dienstbarkeit bzw eine laufende und nicht unterbrochene Ersitzung vermindere den Wert des Grundstücks. Gerade der Wert der Grundstücke sei aber in einem Zusammenlegungsverfahren die wesentliche Entscheidungsgrundlage für Abfindungsgrundstücke. Bei Beginn des Grundzusammenlegungsverfahrens müsse eine Unterbrechung allfälliger Ersitzungszeiten stattfinden, weil andernfalls eine Wertfestlegung nur beschränkt möglich oder für einen Eigentümer benachteiligend sei. Im Übrigen sei nach den Feststellungen durch den Bescheid der Agrarbezirksbehörde G***** vom 22. 9. 1982 die Ausübung von Dienstbarkeiten des Fußsteigs, Viehtriebs und Fahrwegs an einbezogenen Grundstücken, also dem Grundstück des Beklagten, untersagt worden. Damit werde im Bescheid ausdrücklich auf die dienenden Grundstücke Bezug genommen. Schon dadurch sei die dreißigjährige Ersitzungszeit jedenfalls unterbrochen worden.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Das oberösterreichische Flurverfassungs‑Landesgesetz 1979 (Oö. FLG 1979, LGBl 1979/73 idgF) ordnet in seinem ersten Hauptstück „Zusammenlegung und Flurbereinigung" im ersten Abschnitt „Zusammenlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke" in § 1 unter der Überschrift „Ziele und Aufgaben der Zusammenlegung" an, dass „im Interesse der Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen und umweltverträglichen Landwirtschaft die Besitz‑, Benützungs- und Bewirtschaftungsverhältnisse im ländlichen Lebens- und Wirtschaftsraum durch

1. die Neueinteilung und Erschließung des land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes sowie

2. die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Grundlagen der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe

nach zeitgemäßen volkswirtschaftlichen, betriebswirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten in einem Zusammenlegungsverfahren verbessert und neu gestaltet werden können" (Abs 1).

Gegenstand der Zusammenlegung sind alle im Zusammenlegungsgebiet liegenden Grundstücke (einbezogene Grundstücke).

„Einbezogene Grundstücke sind entweder

a) Grundstücke, die der Zusammenlegung unterzogen werden, das sind land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des § 1 Abs 3 sowie nicht land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15 Abs 3, oder

b) Grundstücke, die im Sinne des § 15 Abs 4 für Grenzänderungen oder für gemeinsame Anlagen in Anspruch genommen werden" (§ 2 Abs 2).

Aus § 12 Abs 1 Oö. FLG 1979 ergibt sich, dass die Agrarbehörde „die in die Zusammenlegung einbezogenen Grundstücke" unter Berücksichtigung der in den Abs 2 bis 8 aufgestellten Grundsätze zu schätzen hat („amtliche Bewertung").

§ 24 Oö. FLG 1979 ordnet in seinem Abs 1 an, dass „Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die sich auf einen der in § 480 ABGB genannten Titel gründen, mit Ausnahme der Ausgedinge ohne Entschädigung erlöschen. Sie sind jedoch von der Agrarbehörde ausdrücklich aufrechtzuhalten oder neu zu begründen, wenn sie im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sind".

Anders als das durch das 1. BRBG BGBl I 1991/191 zufolge Nichtaufnahme in den Anhang dieses Bundesgesetzes außer Kraft getretene Gesetz vom 7. 6. 1883, betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke RGBl Nr 92, nach dessen § 16 ausdrücklich Grunddienstbarkeiten (§ 474 ABGB) zum Erlöschen kommen sollten, ohne Unterschied, ob das herrschende und das dienstbare Grundstück oder nur eines dieser beiden Grundstücke der Zusammenlegung unterzogen wurde (ein solche Fall lag auch der Entscheidung 3 Ob 588/87 zugrunde), enthalten weder § 24 Oö. FLG noch die wortgleiche Bestimmung des § 6 Flurverfassungs‑Grundsatzgesetzes (FlVfGG) 1951 eine derartige ausdrückliche Regelung, sondern sehen vielmehr unter bestimmten Voraussetzungen das entschädigungslose Erlöschen von Grunddienstbarkeiten vor, ohne (ausdrücklich) zu differenzieren, ob sowohl das dienende als auch das herrschende Grundstück oder nur eines dieser beiden vom Zusammenlegungsverfahren erfasst sein müssen. In den Materialien zu § 6 Flurverfassungs‑Grundsatzgesetz 1951 (RV 237 BlgNR 11. GP, 12) heißt es hiezu ua: „Es entspricht der Zielsetzung und dem Wesen der Zusammenlegung, daß bei der Neuordnung des Zusammenlegungsgebietes Grundienstbarkeiten und Reallasten möglichst weitgehend beseitigt werden sollen. ... Die Novelle ... erklärt nunmehr alle Grunddienstbarkeiten und Reallasten grundsätzlich für aufgehoben und verpflichtet die Behörde, jene Grunddienstbarkeiten und Reallasten, die im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin notwendig sind, ausdrücklich aufrecht zu halten. ... Die entschädigungslose Aufhebung wirtschaftlich nicht notwendiger, somit entbehrlich gewordener Grunddienstbarkeiten und Reallasten entspricht der bisherigen Rechtslage."

Berücksichtigt man nun den in diesen Gesetzesmaterialien und damit dem Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck kommenden Zweck der Zusammenlegung, Grunddienstbarkeiten und Reallasten weitgehend zu beseitigen, kann dieser nach Auffassung des erkennenden Senats nur dann vollständig erreicht werden, wenn grundsätzlich auch jene Grunddienstbarkeiten entfallen, die an Grundstücken, die in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen sind, als dienende Grundstücke bestehen. Zutreffend weist der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nach § 12 Oö. FLG die in die Zusammenlegung einbezogenen Grundstücke zu schätzen sind und bei Nichtanwendung des § 24 leg cit für den Fall, dass nur das dienende Grundstück in die Zusammenlegung einbezogen ist, diese Bewertung erheblich erschwert würde. So judiziert etwa der Verwaltungsgerichtshof, dass die Aufrechterhaltung, Neubegründung oder Auflassung von Grunddienstbarkeiten einen Teil der Entscheidung über die gesetzliche Abfindung im Zusammenlegungsverfahren darstellt (VwGH 26. 2. 1987, 86/07/0270). Eine Berufung, die sich gegen die Aufrechterhaltung, Neubegründung oder Auflassung von Grunddienstbarkeiten im Zusammenlegungsplan richtet, betrifft daher die Frage der Gesetzmäßigkeit der Abfindung bei der Zusammenlegung oder Flurbereinigung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke im Sinne des § 7 Abs 2 Z 3 AgrBehG 1950 (VwGH 1. 6. 2006, 2005/07/0044).

Im Übrigen geht auch der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass von den im § 24 Abs 1 Oö. FLG normierten Rechtsfolgen ein Grunddienstbarkeitsberechtigter betroffen sein könne, der nicht Eigentümer eines Grundstücks ist, das der Flurbereinigung unterzogen oder für dessen Zweck in Anspruch genommen worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof (89/07/0008) leitet weiters auch aus § 24 Abs 1 Oö. FLG eine Tendenz des Gesetzes in der Richtung ab, die Belastung von Fremdgrund mit Grunddienstbarkeiten und Reallasten nach Möglichkeit abzubauen. In seinen Erkenntnissen vom 16. 9. 1999 (98/07/0047) und vom 21. 11. 1996 (95/07/0006) schließlich entschied ebenfalls der Verwaltungsgerichtshof über Beschwerden von Eigentümern nicht in das Zusammenlegungsverfahren einbezogener Liegenschaften als herrschende Grundstücke, die behaupteten, an in das Zusammenlegungsverfahren einbezogenen (dienenden) Grundstücken eine Grunddienstbarkeit ersessen zu haben, ohne Bedenken dahingehend, dass „nur" das jeweils dienende Grundstück vom Zusammenlegungsverfahren erfasst war, zu äußern. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass die auf der Grundlage des FlVfGG erlassenen sonstigen Landesgesetze dem § 6 Abs 1 FlVfGG (nahezu) wortgleiche und damit von der gleichen Tendenz getragene Bestimmungen aufweisen (§ 28 Abs 1 Burgenländisches Flurverfassungs‑Landesgesetz LGBl 1970/40; § 34 Abs 1 Kärntner Flurverfassungs‑Landesgesetz 1979 LGBl 1979/64; § 34 Steiermärkisches Zusammenlegungsgesetz 1982 LGBl 1982/82 [mit gewissen Abweichungen hinsichtlich der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung oder Neubegründung]; § 28 Abs 1 Salzburger Flurverfassungs‑Landesgesetz 1973 LGBl 1973/1 [unter ausdrücklichem Hinweis auf Erlöschung nicht angemeldeter Geh- und Fahrtrechte]; § 26 Tiroler Flurverfassungs‑Landesgesetz LGBl 1996/74; § 24 Vorarlberger Flurverfassungsgesetz LGBl 1979/2); lediglich im § 25 Abs 1 Niederösterreichisches Flurverfassungsgesetz LGBl 1975/100 findet sich eine (rechtshistorisch dem bereits zitierten § 16 RGBl 1883/92 offenbar nachgebildete) ausdrückliche Regelung, „dass Grunddienstbarkeiten ..., die ... im Besitzstandsausweis (§ 10 Abs 2) ausgewiesene Grundstücke als dienendes oder herrschendes Gut betreffen, ... ohne Entschädigung erlöschen". Lediglich in diesem Landesgesetz erfolgt sohin eine ausdrückliche Klarstellung, dass Grunddienstbarkeiten auch dann erlöschen, wenn nur das herrschende oder dienende Grundstück vom Zusammenlegungsverfahren erfasst ist. Das Fehlen einer derartigen Klarstellung im FlVfGG bzw den (übrigen) auf seiner Grundlage erlassenen Flurverfassungs‑Landesgesetzen ist damit wohl darauf zurückzuführen, dass sowohl der Bundes- als auch die Landesgesetzgeber bei der Regelung der Kommassierungen als selbstverständlich von jener Rechtslage ausgingen, die lediglich der niederösterreichische Landesgesetzgeber in § 25 leg cit ausdrücklich klarstellte, und die auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner zitierten (ständigen) Rechtsprechung anzuwenden pflegt.

Es ist daher davon auszugehen, dass § 24 Abs 1 Oö. FLG auch auf den hier zu beurteilenden Fall, in dem lediglich das „dienende" Grundstück in das Zusammenlegungsverfahren einbezogen war, anzuwenden ist.

Der Oberste Gerichtshof hat in seiner bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung vom 11. 11. 1987, 3 Ob 588/87, ausgesprochen, dass die mit § 6 Abs 1 des FlVfGG 1951 idF der Flurverfassungs‑Novelle 1967 inhaltsgleiche Bestimmung des § 24 Oö. FLG dafür spreche, dass, wenn sogar eine bestehende Servitut erlischt, soweit sie nicht ausdrücklich aufrechterhalten oder neu begründet werde, um so mehr ein mangels Verlaufs der erforderlichen Zeit noch nicht ersessenes Recht nicht weiter ersessen werden könne, und der Lauf der Ersitzungszeit mit Beendigung des Zusammenlegungsverfahrens neu beginnen müsse. Es könne dabei nach dem Gesetzeswortlaut auch keinen Unterschied machen, ob die Grenzen der betroffenen Grundstücke durch das Zusammenlegungsverfahren verändert wurden oder ob sie unverändert geblieben seien. Der erkennende Senat sieht schon aufgrund des Wortlauts des § 24 Oö. FLG keine Veranlassung, von dem in der zitierten Entscheidung gezogenen Größenschluss abzugehen.

Das Argument der Vorinstanzen, wonach das Zusammenlegungsverfahren auf den Lauf der Ersitzungszeit keinen Einfluss haben könne, weil der (Rechtsvorgänger des) Kläger(s) keine Parteistellung im Zusammenlegungsverfahren gehabt habe, überzeugt nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung vom 16. 9. 1999, 98/07/0047 ausdrücklich ausgeführt, dass von den in § 24 Abs 1 Oö. FLG normierten Rechtsfolgen auch ein Grunddienstbarkeitsberechtigter betroffen sein könne, der nicht Eigentümer eines Grundstücks sei, das der Flurbereinigung unterzogen sei und dem daher keine Parteistellung gemäß § 89 Abs 1 Oö. FLG im Flurbereinigungsverfahren zukomme; § 89 Abs 4 Oö. FLG gewähre nämlich anderen als den in den vorstehenden Absätzen dieses Paragrafen genannten Personen Parteistellung (nur) insoweit, als ihnen in diesem Gesetz Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt seien (vgl auch VwGH 21. 2. 2002, 2001/07/0038). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit § 24 Abs 1 Oö. FLG auch ausdrücklich ausgeführt, dass dahinstehen könne, ob es sich bei einer Verfügung im Zusammenlegungsplan um die ausdrückliche Aufrechterhaltung einer bereits bestehenden Dienstbarkeit oder um die Neubegründung einer Dienstbarkeit gehandelt habe. Wie sich aus dem Wortlaut des § 24 Abs 1 Oö. FLG, der die Aufrechterhaltung einer bestehenden Dienstbarkeit an dieselben Tatbestandsvoraussetzungen knüpfe wie deren Neubegründung, eindeutig entnehmen lasse, komme es für die Aufrechterhaltung einer bestehenden Dienstbarkeit oder der Neubegründung ausschließlich auf die Beantwortung der Frage an, ob die Dienstbarkeit im öffentlichen Interesse oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sei. § 24 Abs 1 Oö. FLG bezwecke keinen Schutz wohl erworbener Rechte - umso weniger eines noch nicht berechtigten bloßen Ersitzungsprätendenten, dessen Rechtserwerb eines dinglichen Rechts ja erst durch den Ablauf der Ersitzungszeit (samt weiteren gesetzlichen Voraussetzungen: Koziol/Welser I³ 337 ff) eintritt -, sondern stelle allein auf das Vorhandensein öffentlicher Interessen oder einer Notwendigkeit der Dienstbarkeit aus wirtschaftlichen Gründen ab (VwGH 21. 3. 2002 2001/07/0175 mwN; 27. 5. 2003 98/07/0099 mwN). Nichts anderes kann für einen auf (bloße) Ersitzung pochenden Rechtserwerber gelten. Dazu kommt, dass Kenntnis vom Zusammenlegungsverfahren, um (allfällige) Rechte wahrnehmen zu können, dem Ersitzungsbesitzer auch durchaus zumutbar ist, zumal nach § 13 Abs 2 Oö. FLG ein Besitzstandsausweis mit einer „Zusammenstellung der der Zusammenlegung unterzogenen und getrennt davon der für die Zusammenlegung in Anspruch genommenen Grundstücke" zu ergehen hat und dieser nach Abs 3 leg cit ebenso wie der Bewertungsplan nach § 7 Abs 2 des Agrarverfahrensgesetzes 1950 BGBl 1950/173 idgF „zur allgemeinen Einsicht aufzulegen" ist. Spricht man dem bloßen Ersitzungsbesitzer während des Laufs der Ersitzungszeit aber in Ansehung des „dienenden" Grundstücks eine eigenständige Rechtsposition ab, kann er durch die, mit der Rechtskraft des Zusammenlegungsplans bewirkte, Unterbrechung der Ersitzungszeit auch in keinem hier beachtenswerten (Verfahrens- oder materiellen) Recht verletzt worden sein.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher - mit Ausnahme der nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden (stattgebenden) Urteilspunkte II) 2. und 3. des Ersturteils - im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich für das erstinstanzliche Verfahren auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Berufungsverfahren auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO und für das Revisionsverfahren auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat lediglich mit einem Viertel seiner Ansprüche in erster und zweiter Instanz obsiegt.

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