OGH 14Os50/08x

OGH14Os50/08x13.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard L***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (idF BGBl 60/1974) und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 18. Dezember 2007, GZ 22 Hv 151/07h-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden - Urteil wurde Richard L***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (idF BGBl 60/1974, 1.), der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2.), des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach § 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (3.) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (4/a), der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (4/b) und der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB (5.) schuldig erkannt. Danach hat er in W***** und anderen Orten

1. im Mai oder Juni 2002 seine Ehefrau Breda L***** außer dem Fall des Abs 1 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie auf ein Bett drückte, sich auf sie setzte, ihre Arme oberhalb des Kopfes durch Halten und Niederdrücken fixierte, ihre Beine mit Gewalt auseinanderspreizte und einen Geschlechtsverkehr mit ihr durchführte;

2. Breda L***** mit einer Verletzung am Körper, teils mit Körperverletzungen von Sympathiepersonen gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

a. ab Anfang Dezember 2006 bis zum 7. August 2007 - meist nachdem er sie in Begleitung eines Mannes gesehen hatte - durch die mehrmalige telefonische oder persönliche Äußerung: „Ihr werdets beide bluten."

oder „Ich kille dich",

b. am 11. Juli 2007 durch die telefonische Äußerung: „Du wirst schon sehen, was du davon hast, ich mach dich kalt! Deine Freunde mach ich auch kalt!";

3. Breda L***** zu nicht näher bekannten Zeitpunkten im Jahr 2007 mehrmals durch die Äußerungen: „Ich schneid dir die Missgeburt aus der Wampn." und „Uns scheidet nur der Tod, du wirst keine Kinder von einem anderen haben.", durch Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich von einem anderen Mann schwanger zu werden, zu veranlassen versucht, die besonders wichtige Interessen der genötigten Person, nämlich ihre Entscheidungsfreiheit, Kinder zu gebären, verletzt hätte;

4. seinen Sohn Marcel L***** im Februar 2007 dadurch, dass er an ihm einen Polizeigriff ansetzte, indem er ihm die Hände auf den Rücken drehte und ihm dann ein Bein stellte, wodurch dieser zu Sturz kam und auf den Mund fiel, vorsätzlich am Körper misshandelt und ihm dadurch fahrlässig eine blutende Verletzung an der Innenseite der Oberlippe zugefügt;

b. dadurch, dass er im Anschluss daran ein Messer in ein hölzernes Jausenbrett rammte und für den Fall, dass das Kind die Entstehung der eben dargestellten Verletzung seiner Mutter wahrheitsgemäß schildern und nicht behaupten würde, ihm wäre an der Lippe eine Fieberblase aufgeplatzt, androhte: „Das werd ich mit dir und der Mama auch machen," somit durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, auch an einer Sympathieperson, zu einer Handlung, nämlich einer falschen Sachverhaltsschilderung gegenüber seiner Mutter, genötigt;

5. ab Dezember 2006 bis zum 7. August 2007 Breda L***** widerrechtlich beharrlich verfolgt, indem er in einer Weise, die geeignet war, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, durch Versenden von ca 300 SMS und durch ca 500 Anrufe eine längere Zeit hindurch fortgesetzt im Wege der Telekommunikation Kontakt zu ihr herstellte.

Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 4 reklamierte Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens über den minderjährigen Marcel L***** zum Beweis dafür, dass sich dieser in einem „extremen Loyalitätskonflikt" befindet, „insbesonders als er sich einmal mit positiven Äußerungen einem Elternteil und andererseits dem anderen Elternteil zuwendet", wodurch bewiesen werden könne, dass „die Aussagen, welche seinen Vater massiv belasten, unrichtig sind und unter dem Einfluss seiner Mutter zustande gekommen sind." (S 433/I und S 8/II), verfiel schon deshalb zu Recht der Abweisung, weil darin nicht dargetan wurde, dass der unmündige Zeuge sowie dessen gesetzliche Vertreterin die erforderliche Zustimmung zur psychologischen Exploration erteilt hätten oder erteilen würden (RIS-Justiz RS0097584, RS0118956, RS0108614; vgl Birklbauer, WK-StPO Nach § 149 Rz 85, 100; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350).

Im Übrigen obliegt die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen dem Schöffengericht im Rahmen der ihm zukommenden freien Beweiswürdigung, wobei es nur ausnahmsweise der Hilfestellung eines Sachverständigen bedarf, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen (RIS-Justiz RS0120634; Hinterhofer, WK-StPO § 118 Rz 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Durch den Hinweis auf Ausführungen zu einem Loyalitätskonflikt des Unmündigen in einem im Pflegschaftsverfahren eingeholten Gutachten werden - vom Erstgericht verneinte (S 35/II) - Anhaltspunkte hiefür nicht aufgezeigt. Dass sich aus der Expertise Indizien für eine durch Beeinflussung der Mutter zustande gekommene Falschaussage des Kindes ergeben würden, wurde nicht behauptet, sodass aus dem Antrag auch nicht zu erkennen war, weshalb durch die beantragte Beweisführung das behauptete Beweisziel erreicht werden könnte.

Ebensowenig wurden durch Abweisung des Antrags auf Einvernahme des vernehmenden Untersuchungsrichters zum Beweis dafür, dass Breda L***** „17 Minuten" nach ihrer eigenen Einvernahme und jener des Marcel L***** aus Eigenem neuerlich beim Untersuchungsrichter erschien und „erst zu diesem Zeitpunkt den inkriminierten Tatbestand der Vergewaltigung angegeben hat, diesen offenbar auf Anraten ihres damaligen Freundes; durch die Aussage des Untersuchungsrichters kann erhellt werden, warum die Zeugin Breda L***** erst so spät die Beschuldigung hinsichtlich der Vergewaltigung ihm gegenüber angegeben hat" (S 31/III), Verteidigungsrechte verletzt, weil das den gewählten Zeitpunkt der belastenden Angaben betreffende Motiv der Zeugin keinen für Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betrifft. Im Übrigen ließ der Antrag nicht erkennen, aufgrund welcher Wahrnehmungslage der Untersuchungsrichter - über die ohnehin im Protokoll über die Beweisaufnahme vermerkten Umstände der Aussage und die Erklärung der Zeugin für ihre verspätete Anzeigeerstattung (S 59 und 61/I) hinausgehende - Kenntnis über die Beweggründe ihres Verhaltens haben sollte, und zielte solcherart auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Solcherart kann auch die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat. Dass Breda L***** anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Untersuchungsrichter erstmals angab, vom Angeklagten vergewaltigt worden zu sein, haben die Tatrichter gar wohl erörtert, daraus aber mit der Begründung, ihre dafür abgegebene - eine Beeinflussung durch ihren derzeitigen Freund eingestehende - Erklärung sei nachvollziehbar und glaubwürdig, kein Indiz für die Unrichtigkeit ihrer Angaben gesehen (US 12). Weshalb ihre Aussage in der Hauptverhandlung, Karl P***** habe ihr nach der polizeilichen Einvernahme in Leibnitz gesagt, sie habe „jetzt die Chance alles zu sagen, was vorgefallen ist" in erörterungsbedürftigem „eklatantem" Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zu den Depositionen vor dem Untersuchungsrichter stehen sollte, wonach sie sich aufgrund des Zuratens ihres Freundes erst jetzt dazu entschlossen habe, auch diesen Vorfall zur Anzeige zu bringen, lässt die Beschwerde offen. Wie die Mängelrüge selbst eingesteht, haben sich die Tatrichter auch mit der Verantwortung des Angeklagten, Breda L***** habe ihm, seiner Familie oder Jolanda S***** angedroht, ihn „fertig zu machen", auseinandergesetzt, hielten ein solches Geschehen aber aufgrund der diesbezüglich widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers sowie der zu diesem Themenkomplex befragten Zeugen für nicht erweislich. Welcher näheren Begründung die Überzeugung des Schöffengerichts bedurft hätte, dass selbst unter Annahme der Richtigkeit dieses Vorwurfs solchen Äußerungen keine Indizwirkung für eine Verleumdung zum Nachteil des Beschwerdeführers durch Breda L***** und Marcel L***** zukäme (US 11), bleibt gleichfalls unklar.

Insgesamt unternimmt die Mängelrüge bloß den Versuch, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung zu bekämpfen ohne damit einen Begründungsmangel im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zu vier von Marcel L***** an seinen Vater gerichteten Briefen (Beilagen 1./ und 2./ zu ON 33), die nach Ansicht des Beschwerdeführers „im großen Widerspruch zu den belastenden Angaben" stehen, vermag die Tatsachenrüge keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken. Sie zielt vielmehr ebenfalls - hier unzulässig - auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung außerhalb der von Z 5a erfassten Sonderfälle ab (RIS-Justiz RS0118780).

Die Tatrichter setzten sich nämlich auch mit der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen ausführlich auseinander und hielten - dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - seine Beteuerung, den Vater nicht unter dem Einfluss der Mutter zu Unrecht zu beschuldigen, insgesamt für zuverlässig (US 12). Zu einer gesonderten Erörterung seiner Angaben zum Zustandekommen der in Rede stehenden Briefe und zu seiner damaligen Motivation, sie zu verfassen (S 29/II), waren sie nicht verhalten.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst in Betreff des Schuldspruchsfaktums 1. Feststellungen zum „Vorsatz", übergeht dabei die entsprechenden Konstatierungen des Erstgerichts (US 6) und orientiert sich damit nicht am Verfahrensrecht.

Dass das Schöffengericht seine Überzeugung vom Vorliegen auch der subjektiven Tatseite des Verbrechens der Vergewaltigung aus den „äußeren Handlungsabläufen" ableitete, begegnet - entgegen dem weiteren „aushilfsweise" auf Z 5 vierter Fall gestützten Vorbringen - aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Denn der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen ist nicht zu beanstanden und bei leugnenden Angeklagten in der Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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