European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00219.07Y.0506.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Zum Ankauf einer Eigentumswohnung gewährte die Beklagte der Gattin des Klägers einen Kredit. Der Kläger, der auch als Bürge und Zahler haftete, unterfertigte am 29. 4. 1983 zur Besicherung aller Forderung aus diesem Kreditvertrag bis zum Höchstbetrag von 660.000 ATS eine Pfandbestellungsurkunde, mit welcher er Liegenschaftsanteile an der EZ ***** KG ***** verpfändete. Die Parifizierung des Hauses und die Einverleibung der Hypothek im Grundbuch erfolgten erst rund vier Jahre später, im Jahr 1987. Dazwischen wurde am 8. 8. 1984 über das Vermögen des Klägers der Konkurs eröffnet, der 1985 mit einem Zwangsausgleich endete. An diesem Konkursverfahren beteiligte sich die Beklagte nicht, weil der Kredit damals regelmäßig bedient wurde. 1993 schenkte der Kläger die Liegenschaftsanteile seiner Tochter. Nach einer Mahnung der Beklagten vom 27. 8. 1996 bezahlte der Kläger die Zwangsausgleichsquote im Hinblick auf seine persönliche Haftung für die Kreditforderung der Beklagten. Mit Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. 9. 1997 zu ***** wurde das Begehren der Rechtsvorgängerin der nunmehrigen Beklagten, den Kläger zur ungeteilten Hand mit seiner dort erstbeklagten Ehefrau schuldig zu erkennen, „hinsichtlich seiner Sachhaftung ob den 102/1953-tel Anteilen der Liegenschaft EZ ***** KG *****, mit denen Wohnungseigentum untrennbar verbunden ist“, 563.538,94 ATS sA zu bezahlen, mit der Begründung abgewiesen, dass eine Sachhaftung nicht bestehe, weil das Pfandrecht erst rund zwei Jahre nach gerichtlicher Bestätigung des Zwangsausgleichs und Aufhebung des Konkursverfahrens einverleibt worden sei. Ein Fall des § 156 Abs 6 KO liege nicht vor. Auch zu einem Wiederaufleben der Forderung gemäß § 156 Abs 4 KO sei es nicht gekommen. Der verspätet eingetragenen Hypothek liege daher materiell keine Forderung zu Grunde, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei. Diese Entscheidung wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 13. 1. 1998 bestätigt.
Mit der nunmehr erhobenen Klage begehrte der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, in die Einverleibung der Löschung des Pfandrechts einzuwilligen. Durch die erst nach rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleichs erfolgte Verbücherung des Pfandrechts sei die Sachhaftung der Liegenschaft nicht wirksam begründet worden, sodass sich die Beklagte zu Unrecht weigere, der Löschung des Pfandrechts zuzustimmen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Hinweis auf die Bindung an die oben erwähnte Vorentscheidung vom 16. 9. 1997 statt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung aus eben diesen Gründen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten bezweifelt die Bindungswirkung der im Verfahren ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien ergangenen Entscheidung. Sie ist nicht zulässig.
Die objektiven Grenzen der Rechtskraft werden nach § 411 ZPO auf den durch Klage oder Widerklage geltend gemachten Anspruch bezogen. Gegenstand der Rechtskraft ist die anhand des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts und seiner rechtlichen Qualifikation festgestellte Rechtsfolge. Nach der Theorie vom zweigliedrigen Streitgegenstand ist unter dem geltend gemachten Anspruch das Tatsachenvorbringen als rechtserzeugender Sachverhalt (der Klagegrund) in Verbindung mit dem daraus abgeleiteten Klagebegehren zu verstehen (1 Ob 2123/96d = SZ 70/60 mwN). Zwar wird die Bindungswirkung im Kern auf den Spruch der Entscheidung beschränkt; allerdings kann der Gegenstand einer Entscheidung durch deren Spruch allein nur selten individualisiert werden, weshalb dessen Auslegung oft die Heranziehung der ihn tragenden Gründe erfordert (1 Ob 2123/96d mwN) und bei Ermittlung des Umfangs und der Grenzen der Rechtskraft insoferne auf die Begründung des Urteils abzustellen ist ( Fasching/Klicka in Fasching/Konecny III² § 411 Rz 74).
Dies gilt auch für den Umfang der Rechtskraftwirkung eines klagsabweisenden Urteils. Der Urteilsspruch hat das Begehren und seine Abweisung zu enthalten. Die rechtliche Qualifikation und die tatsächliche Substantiierung des Begehrens ergeben sich aus dem Tatsachenvorbringen des Klägers und die Tatsachen und die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen, aus denen das Begehren abgewiesen wurde, aus den Urteilsfeststellungen. Darum beschränkt sich die rechtskräftige Verneinung des Anspruchs grundsätzlich nur auf den vom Gericht zur Abweisung herangezogenen Grund, hindert aber die Geltendmachung desselben Begehrens aus anderen rechtserzeugenden Tatsachen nicht ( Fasching/Klicka aaO).
Die Vertauschung der Parteirollen ist für den Umfang der Rechtskraft- und Bindungswirkung jedenfalls ohne Bedeutung (6 Ob 18/06z mwN).
Im Vorprozess ***** war nicht nur die persönliche Haftung des Klägers, sondern auch dessen Sachhaftung aufgrund der Pfandbestellungsurkunde vom 29. 4. 1983 Prozessgegenstand. Das Bestehen einer solchen Sachhaftung wurde mit dem schon zitierten und in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 16. 9. 1997 ausdrücklich verneint und (auch) das auf diese Sachhaftung gegründete Klagebegehren abgewiesen. Dieser bereits entschiedene Anspruch stellt eine echte Vorfrage für den nunmehr erhobenen Anspruch auf Einwilligung zur Einverleibung der Löschung dieser Sachhaftung dar, sodass die Bindungswirkung der Rechtskraft zum Tragen kommt ( Fasching/Klicka aaO Rz 50 und 53; SZ 70/60 mwN; RIS‑Justiz RS0041309).
Im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Bindungswirkung, deren Anwendung auf den Einzelfall keine erhebliche Rechtsfrage darstellt und die hier auch nicht zu beanstanden ist, ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.
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