OGH 14Os14/08b

OGH14Os14/08b15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Konrad P***** und weitere Angeklagte wegen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aF und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Konrad P***** und Jaqueline K***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 21. November 2007, GZ 11 Hv 100/07p-231, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung der Angeklagten Jaqueline K***** wegen Schuld werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Den Angeklagten Konrad P***** und Jaqueline K***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuldspruch der Mitangeklagten Sonja R***** und einen Teilfreispruch Konrad P*****s enthaltenden Urteil wurden Konrad P***** der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall (zu ergänzen: SMG [aF]) und der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall (zu ergänzen: SMG [aF]), jeweils teilweise als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (I., IV.) und Jaqueline K***** des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall (zu ergänzen: SMG [aF]) und der Vergehen nach § 27 Abs 1 sechster Fall (zu ergänzen:

SMG [aF]; III.) schuldig erkannt.

Soweit im Rechtsmittelverfahren hier von Bedeutung haben in Sollenau bzw anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer (hinsichtlich K*****) bzw in mehrfach großen Mengen (hinsichtlich P*****) in Verkehr gesetzt sowie (nur P*****) auch andere bestimmt, es in Verkehr zu setzen, und zwar indem I. Konrad P***** von Ende September 2006 bis Ende Jänner 2007 insgesamt zumindest 1.000 Ecstasy-Tabletten, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 45 Gramm MDMA, nur zum Teil gewinnbringend, überwiegend zum Einstandspreis an eine Reihe von Abnehmern überließ;

...

III. Jaqueline K***** am 18. Februar 2007 zumindest 80,8 Gramm Kokain, enthaltend eine Reinsubstanz von zumindest 17,69 Gramm, das sie zuvor von Sonja R***** empfangen hatte, an Manfred Michael S***** übergab;

IV. Konrad P***** am 18. Februar 2007 in Holland seine Tochter Jaqueline K***** telefonisch beauftragte, ein Paket, welches sie am selben Tag in Sollenau erhalten werde, an Manfred Michael S***** zu übergeben, mithin sie zu den unter III. genannten strafbaren Handlungen bestimmte.

Die dagegen von dem Angeklagten Konrad P***** aus den Gründen der Z 3, 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht ebenso fehl wie jene Jaqueline K*****s, welche - sanktionslos - als „Berufung wegen Nichtigkeit" bezeichnet und auf die Gründe der Z 5, 5a, „9" und 10 leg cit gestützt wird.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Konrad P*****:

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht eine Verletzung des § 250 Abs 1 zweiter Satz StPO geltend, weil der Angeklagte P***** in der Hauptverhandlung vom 3. Oktober 2007 nach seiner Wiedereinführung in den Verhandlungssaal nicht über die Aussage des in seiner Abwesenheit vernommenen Zeugen Muharrem A***** in Kenntnis gesetzt worden sei (S 277/IV). Abgesehen davon, dass er es - insoweit unter Verfehlung der gesetzlichen Anfechtungserfordernisse des § 285a Z 2 StPO (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249; RIS-Justiz RS0110266) - unterlässt, die vermissten Aussageinhalte, deren unterbliebene Mitteilung sich für ihn nachteilig ausgewirkt hätten, deutlich und bestimmt zu bezeichnen, liegt der behauptete Nichtigkeitsgrund gar nicht vor, wurde doch die in Rede stehende Aussage dem Beschwerdeführer in der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 21. November 2007 vor Schluss des Beweisverfahrens (dem ungerügt gebliebenen Protokoll zufolge) im Rahmen der Verlesung des „gesamten Akteninhalts" (S 472/IV) zur Kenntnis gebracht (§ 250 Abs 2 StPO).

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Einvernahme der Zeugin Anna-Maria P***** „zum Beweis dafür, dass die Verantwortung des Erstangeklagten Konrad P***** nicht stimmt" (S 272, 471/IV), Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Denn der Beschwerdeführer schloss sich diesem vom Ankläger offensichtlich zu seinem Nachteil erhobenen Antrag bloß an (S 273/IV), ohne seinerseits ein zur Unterstützung seines Prozessstandpunkts geeignetes Beweisthema vorzutragen (siehe im Übrigen die Depositionen des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vom 21. November 2007 betreffend die voraussichtliche Aussichtslosigkeit der beantragten Einvernahme; S 467/IV). Das in der Rechtsmittelschrift nachgeholte Antragsvorbringen ist zur Gänze unbeachtlich, weil die Berechtigung einer begehrten Beweisaufnahme immer nur auf den Antragszeitpunkt bezogen überprüft werden kann (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325; RIS-Justiz RS0099618). Soweit der Nichtigkeitswerber in diesem Zusammenhang remonstriert, das Erstgericht habe die Aussage des Zeugen A***** wonach dieser und auch Naci Ki***** mit seiner Ehegattin Anna-Maria P***** bekannt gewesen seien, mit Stillschweigen übergangen (inhaltlich Z 5 zweiter Fall), spricht er kein für die Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliches Verfahrensergebnis an (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff).

Ebenso wenig erörterungsbedürftig war der vom Angeklagten isoliert betrachtete Umstand, dass in einem bestimmten Telefongespräch, auf das der Zeuge CI Ernst S***** in der Hauptverhandlung im Übrigen - entgegen den Beschwerdeausführungen - gar nicht konkret Bezug genommen hat (S 456 ff/IV), „nur von einem Treffen", aber „von keinerlei Drogenbestellungen" die Rede sei.

Auch der formal aus Z 5 erhobenen Mängelrüge war ein Erfolg zu versagen.

Der Erhalt von 1.200 Stück Ecstasy-Tabletten „in Kommission" und deren Rückstellung an Manfred S***** sind nicht Gegenstand des Schuldspruchs. Dem Beschwerdeführer wird auch nicht gewerbsmäßige Tatbegehung nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG aF zur Last gelegt. Die darauf bezogenen Einwände sprechen daher keine entscheidenden Tatsachen an. Aus diesem Grund erübrigt sich auch eine Erörterung der kritisierten Feststellung eines vom Angeklagten verrechneten Gewinnaufschlags, der keinem Tatbildmerkmal des § 28 Abs 2 vierter Fall SMG aF entspricht.

Schließlich geht der Beschwerdeführer selbst von einer Reinsubstanz des Kokains von zumindest 17,69 Gramm und einem Reinheitsgehalt an MDMA von 30,7 % aus, bestreitet somit bei keinem der in Rede stehenden Suchtgifte das jeweilige Übersteigen der Grenzmenge (vgl insb S 243/II).

Mit der allgemeinen Kritik, das Erstgericht habe sich mit den verlesenen Aktenteilen, „soweit diese [den Angeklagten] entlastende Aussagen enthalten", überhaupt nicht auseinandergesetzt, werden die angeblich mit Stillschweigen übergangenen Verfahrensergebnisse nicht deutlich und bestimmt bezeichnet.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Jaqueline K*****:

Die Mängelrüge vermag unter Hinweis auf die übereinstimmend leugnende Verantwortung der Beschwerdeführerin und des Mitangeklagten P***** weder eine in sich widersprüchliche (Z 5 dritter Fall) noch eine unzureichende (Z 5 vierter Fall) Begründung der zur subjektiven Tatseite getroffenen erstrichterlichen Feststellungen darzutun. Denn der Schöffensenat leitete seine Überzeugung vom zumindest bedingten Vorsatz der Angeklagten K***** logisch und empirisch einwandfrei aus ihrem objektiven Verhalten unter Berücksichtigung der konkreten Begleitumstände der Tat - wie etwa der ausdrücklichen Anweisung Konrad P*****s, nicht vom Handy, sondern von einer Telefonzelle aus anzurufen, dem Verhalten der Nichtigkeitswerberin ihrem Freund gegenüber, den sie aus Angst, er würde „Verdacht" schöpfen, nicht informierte, der Tatsache, dass ihr im Hinblick auf die längere Inhaftierung ihres Vaters wegen Betäubungsmittelhandel in Deutschland dessen Bereitschaft zu Suchtmittelgeschäften bekannt war, sowie dem Löschen verfänglicher Anrufdaten auf ihrem Mobiltelefon (US 9 f) - ab. Ein „zwingender Hinweis", wie ihn die Beschwerde vermisst, ist zum Nachweis der entscheidungswesentlichen Feststellungen hingegen nicht erforderlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 449). Nach Prüfung des weiteren Beschwerdevorbringens anhand der Akten (Z 5a) ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen.

Im Übrigen lässt die Rüge diesbezüglich einen Aktenbezug vermissen. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrunds erfordert - abgesehen vom hier nicht vorliegenden Fall der Geltendmachung von Feststellungsmängeln - wiederum das Festhalten am gesamten im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, das Erstgericht sei bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581; RIS-Justiz RS0099810).

Rechts- (Z 9 lit a) und Subsumtionsrüge (Z 10) negieren die erstrichterlichen Feststellungen zur (auch die große Suchtgiftmenge umfassenden) subjektiven Tatseite (US 7), stellen diesen Konstatierungen eigene beweiswürdigende Überlegungen entgegen und verfehlen damit den gesetzlichen Bezugspunkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Gleiches gilt für die von Jaqueline K***** erhobene, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene „Berufung wegen Schuld". Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO).

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