OGH 2Ob65/08k

OGH2Ob65/08k10.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei F***** Partei Österreichs (*****), Landesgruppe Vorarlberg, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Weber, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei Vorarlberger F*****, vertreten durch Dr. Hubert F. Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen Unterlassung (Streitwert und Revisionsrekursinteresse 21.000 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 18. Februar 2008, GZ 4 R 264/07s-29, womit aus Anlass des Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 15. September 2007, GZ 6 Cg 174/07m-11, das vor dem Erstgericht abgeführte Provisorialverfahren für nichtig erklärt und der Antrag der klagenden und gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Rekursgericht zurückverwiesen und ihm die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

Begründung

Die Proponenten Klaus B***** und Rainer Maria K***** fassten gemeinsam den Entschluss, die Klägerin und gefährdete Partei (im Folgenden nur als Klägerin bezeichnet) zu gründen, und hinterlegten am 21. 12. 2005 gemäß § 1 Abs 4 Parteiengesetz die Satzung der Klägerin beim Bundesministerium für Inneres.

§ 23 der Satzung der Klägerin lautet:

„Vertretung der Partei nach außen

(1) Die Partei wird durch den Landesparteiobmann vertreten.

(2) Rechtsverbindliche Erklärungen, Bekanntmachungen und Ausfertigungen bedürfen zu ihrer Verbindlichkeit der Zeichnung durch den Landesparteiobmann gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des Landesparteivorstands oder den Landesgeschäftsführer. ...."

Die Klägerin übt derzeit keine politischen Aktivitäten aus, hat sich an der politischen Willensbildung bislang nicht beteiligt, Organwalter oder Funktionäre, insbesondere auch ein Landesparteiobmann, wurden nicht bestellt.

Gleichzeitig mit ihrer auf Unterlassung der Führung von Namensbestandteilen gerichteten Klage begehrt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Beklagte und Gegnerin der gefährdeten Partei (im Folgenden nur als Beklagte bezeichnet); hilfsweise stellt sie zwei Eventualsicherungsbegehren.

Die Beklagte bestreitet sowohl das Klage- als auch das Sicherungsbegehren und beantragt die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Klage und des Sicherungsantrags. Sie bringt unter anderem vor, es fehle der Klägerin an der Handlungsfähigkeit, da sie über keine vertretungsberechtigten Personen verfüge.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag aus materiellrechtlichen Erwägungen ab. Mit dem von der Beklagten im Ergebnis gemachten Einwand der fehlenden Prozessfähigkeit der Klägerin befasste sich das Erstgericht nicht.

Das Rekursgericht erklärte aus Anlass des Rekurses der Klägerin das Provisorialverfahren für nichtig und wies den Antrag der Klägerin auf Erlassung der einstweiligen Verfügung sowie die Eventualsicherungsbegehren zurück. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 20.000 EUR, setzte aber keinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, gemäß § 1 Abs 4 letzter Satz Parteiengesetz habe die Klägerin mit der Hinterlegung der Satzung Rechtspersönlichkeit erlangt, sie sei daher parteifähig. Klaus B***** und Rainer Maria K***** seien in den Schriftsätzen der Klägerin als deren „Proponenten" angeführt worden. Eine Vertretung der Klägerin durch „Proponenten" sei in ihrer Satzung nicht vorgesehen. Da die Organe, insbesondere der vertretungsbefugte Landesparteiobmann, noch nicht bestellt worden seien, habe die Klägerin keine Vertreter, die vor Gericht für sie handeln oder auch einem Rechtsanwalt Vollmacht erteilen könnten. Der Klägerin mangle es daher an der Prozessfähigkeit. Dieser Mangel sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen. Da im Provisorialverfahren wegen dessen Dringlichkeit ein Verbesserungsverfahren nicht statthaft sei, führe dies zur Nichtigerklärung des Provisorialverfahrens und zur Zurückweisung des Antrags auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Im Übrigen hätte die begehrte einstweilige Verfügung auch aus materiellrechtlichen Erwägungen nicht erlassen werden können. Eines Zulässigkeitsausspruchs hinsichtlich der Anrufung des Obersten Gerichtshofs bedürfe es nicht, weil die Nichtigerklärung und Zurückweisung des Provisorialantrags im Rekursverfahren jedenfalls anfechtbar sei (analoge Anwendung von § 519 Abs 1 Z 1 ZPO iVm § 78 EO).

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die begehrte einstweilige Verfügung erlassen werde.

Die Beklagte begehrt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob eine politische Partei nach der Hinterlegung ihrer Satzung beim Bundesministerium für Inneres, jedoch vor Bestellung von vertretungsbefugten Organwaltern durch ihre Gründer vertreten werden kann oder nicht. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1.) Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels:

§ 402 Abs 1 letzter Satz EO bildet die einzige Ausnahme von der gemäß § 402 Abs 4 EO iVm § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 528 ZPO. Es fehlt somit an der Voraussetzung einer planwidrigen Gesetzeslücke für eine Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO, welche auf die Fälle einer abschließenden Erledigung eines Rechtsschutzbegehrens zu beschränken ist (RIS-Justiz RS0112144). Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts ist daher im vorliegenden Fall der Revisionsrekurs nicht jedenfalls zulässig, sondern nur bei Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO (vgl 5 Ob 159/99i; Zechner, Sicherungsexekution § 402 Rz 1). Die vom Rekursgericht für seine Ansicht zitierten Entscheidungen betreffen die Nichtigerklärung des Verfahrens und die (hier nicht vorliegende) Zurückweisung der Klage aufgrund eines vom Rekursgericht aufgegriffenen Nichtigkeitsgrunds oder Fälle, in denen das Berufungsgericht (hier aber: Rekursgericht) erstmals die Unzulässigkeit aufgegriffen und den Zurückweisungsgrund wahrgenommen hat.

Das Rekursgericht hätte daher einen Ausspruch setzen müssen, ob der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Dennoch kann eine Zurückstellung des Akts an das Rekursgericht zur Nachholung dieses Ausspruchs unterbleiben: Der Oberste Gerichtshof wäre an den vom Rekursgericht gesetzten Ausspruch nicht gebunden; aus dem schon genannten Grund ist im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO ohnehin zu bejahen (vgl 3 Ob 162/07f).

2.) Zur Nichtigkeit des Verfahrens:

Die Klägerin argumentiert in ihrem Revisionsrekurs, da die vertretungsbefugten Organwalter bei juristischen Personen erst in der einzuberufenden Gründungsversammlung (Parteitag) bestellt werden könnten, müsse die juristische Person bis dahin vertreten sein. Da sich aus dem Parteiengesetz diesbezüglich keine Hinweise entnehmen ließen, müsse auf § 2 Abs 2 VereinsG 2002 (VerG) zurückgegriffen werden, wonach die Gründer bis zur Bestellung der organschaftlichen Vertreter gemeinsam den entstandenen Verein vertreten, sofern die Bestellung der ersten organschaftlichen Vertreter erst nach der Entstehung des Vereins erfolgt.

Diese Ausführungen sind berechtigt.

Mit der Hinterlegung ihrer Satzung beim Bundesministerium für Inneres hat die Klägerin gemäß § 1 Abs 4 letzter Satz Parteiengesetz Rechtspersönlichkeit erlangt.

Über die Vertretung einer gemäß § 1 Abs 4 letzter Satz Parteiengesetz als juristische Person entstandenen politischen Partei im Zeitraum zwischen Hinterlegung ihrer Satzung und erst nachfolgender Bestellung ihrer in ihren Statuten vorgesehenen vertretungsbefugten Organwalter sieht das Parteiengesetz nichts vor. Weder wird angeordnet, dass die Gründer vertretungsbefugt sind, noch, dass sie es nicht sind.

Dazu wurde erwogen:

Das Gesellschafts- und das Privatstiftungsrecht belegen an vielen Stellen das Interesse der Rechtsordnung daran, dass juristische Personen (oder eingetragene Personengesellschaften als Rechtsträger) tunlichst über vertretungsbefugte Organwalter verfügen sollen. Schon für die Vorgesellschaft (Zeitraum zwischen Abschluss des Gesellschaftsvertrags und Firmenbucheintragung) wird in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, dass sie durch die Geschäftsführer der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG3 § 2 Rz 22 mwN) oder durch den Vorstand der Aktiengesellschaft (vgl Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG § 34 Rz 16 f; Geist in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 21 Rz 8 jeweils mwN) vertreten wird. Dasselbe gilt auch für die Vorstiftung einer Privatstiftung (Arnold, PSG2 § 7 Rz 6 mwN). Für eingetragene Personengesellschaften sieht § 123 Abs 2 UGB (§ 161 Abs 2 UGB) in diesem Stadium eine Regelung vor.

Soweit im Gesellschaftsrecht und im Privatstiftungsrecht Rechtsträger in das Firmenbuch eingetragen werden und die Gesellschaft bzw die Privatstiftung „als solche" erst mit der Firmenbucheintragung entsteht (§ 123 Abs 1 UGB, § 2 Abs 1 GmbHG, § 34 Abs 1 AktG, § 8 GenG, § 7 Abs 1 PSG), ist die Vertretung des jeweiligen Rechtsträgers zumindest im Zeitpunkt der Eintragung des Rechtsträgers in das Firmenbuch jedenfalls gewährleistet: Ein Rechtsträger kann nach den einschlägigen Bestimmungen nur dann in das Firmenbuch eingetragen werden, wenn er von den bestellten vertretungsbefugten Organwaltern zur Eintragung in das Firmenbuch angemeldet wird und im Eintragungszeitpunkt über (einzutragende, vgl § 3 Abs 1 Z 8 FBG) vertretungsbefugte Organwalter verfügt (§§ 106, 107, 125 UGB, §§ 9, 15 GmbHG, §§ 23 Abs 2, 28, 29 Abs 2 Z 3 AktG, §§ 7 Abs 1, 15 Abs 1 GenG, §§ 12, 14 Abs 1, 17 Abs 1 PSG). Einige Bestimmungen im Gesellschafts- und Privatstiftungsrecht stellen auch sicher, dass bei späterem Wegfall der vertretungsbefugten Organwalter, etwa durch Rücktritt, Abberufung oder Tod, notfalls auch das Gericht auf Antrag von (auch außenstehenden) Beteiligten (§ 15a GmbHG, § 76 AktG), aber auch von Amts wegen (§ 27 Abs 1 PSG) durch Bestellung vertretungsbefugter Organwalter einem Vertretungsnotstand abhelfen kann.

Im Unterschied zur dargestellten Rechtslage im Gesellschafts- und Privatstiftungsrecht können - wie dies der vorliegende Fall zeigt - wegen anderer Gründungsvorschriften im Recht der politischen Parteien und der Vereine nach dem Vereinsgesetz im Zeitpunkt des Entstehens dieser Rechtsträger Organwalter der in den Statuten vorgesehenen vertretungsbefugten Organe fehlen.

§ 2 Abs 2 VerG lautet:

„Die ersten organschaftlichen Vertreter des errichteten Vereins können vor oder nach der Entstehung des Vereins bestellt werden. Erfolgt die Bestellung erst nach der Entstehung des Vereins, so vertreten die Gründer bis zur Bestellung der organschaftlichen Vertreter gemeinsam den entstandenen Verein."

Dazu führen Krejci/S. Bydlinski/ Rauscher/Weber-Schallauer, VereinsG 2002, § 2 Rz 61, aus, auf diese Weise sei vorgesorgt, dass der entstandene Verein vorweg eine nach außen hin erkennbare, mit hinreichender Publizität ausgestattete Vertretung habe.

Das Parteiengesetz sieht keine derartige Regelung vor. Wegen des schon erörterten allgemeinen Interesses der Rechtsordnung daran, dass juristische Personen tunlichst vertreten sein sollen, erweist sich das Parteiengesetz als planwidrig lückenhaft. § 2 Abs 2 Satz 2 VerG ist daher auf politische Parteien analog anzuwenden. Es wäre nicht einzusehen, dass die Gründer einer politischen Partei zwar vor ihrer Entstehung insoweit für sie (als „Vorpartei") vertretungsbefugt sind, als die Gründer ihre Entstehung durch Hinterlegung der Satzung beim Bundesministerium für Inneres bewirken können, nach ihrer Entstehung aber die politische Partei nicht mehr vertreten können sollten. Für die Annahme eines derartigen Vertretungsnotstands ist weder eine Notwendigkeit noch ein Sinn zu erkennen.

Dieser analogen Anwendung von § 2 Abs 2 Satz 2 VerG auf politische Parteien steht nicht entgegen, dass nach herrschender Ansicht auf politische Parteien das Vereinsgesetz (oder früher das Vereinsgesetz 1951) nicht anzuwenden ist (8 Ob 605/90; Ermacora, JBl 1976, 85; Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine2 [2002] 16; vgl allerdings Fessler/Keller, Die politische Partei und der Rechtsschutz Dritter, in FS Machacek/Matscher [2008] 113 [119]. Die entsprechenden Aussagen beziehen sich nur darauf, dass das Vereinsgesetz (als ganzes) auf politische Parteien nicht anzuwenden sei, da politische Parteien eben keine Vereine sind (sofern sie nicht auch gleichzeitig als Verein konstituiert wurden, vgl 6 Ob 269/01d mwN).

Gegen die hier vertretene Auffassung spricht auch nicht der wegen mangelnder Legitimation der Einschreiter ergangene Zurückweisungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs A11/05, Slg 17.663, weil dort (nicht Gründer, sondern) ein Zustellbevollmächtigter die klagende politische Partei vertreten hatte.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Hat eine politische Partei durch Hinterlegung ihrer Satzung beim Bundesministerium für Inneres gemäß § 1 Abs 4 Parteiengesetz Rechtspersönlichkeit erlangt, sind aber in diesem Zeitpunkt die organschaftlichen Vertreter entsprechend den in der Satzung vorgesehenen Organen noch nicht bestellt, so vertreten bis zur Bestellung der organschaftlichen Vertreter in analoger Anwendung von § 2 Abs 2 Satz 2 VerG 2002 die Gründer gemeinsam die politische Partei.

Die Vertretungsbefugnis der Gründer der Klägerin wäre daher erst mit der Bestellung der nach ihren Statuten dafür vorgesehenen vertretungsbefugten Organwalter (Landesparteiobmann) weggefallen. Da diese jedoch nicht bestellt wurden, konnten die Gründer der Klägerin dem Klagevertreter namens der Klägerin Vollmacht erteilen. Das Prozesshindernis der mangelnden Prozessfähigkeit der Klägerin liegt daher nicht vor.

Es war daher der Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO iVm den §§ 78, 402 Abs 4 EO.

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