OGH 1Ob59/08w

OGH1Ob59/08w3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz H*****, 2. Theresia H*****, 3. Johann S*****, 4. Rosina S*****, 5. F***** GmbH, 6. Anneliese L*****, 7. DI Friedrich L*****, und 8. Roman E*****, alle vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die beklagten Parteien 1. Ignaz S*****, und 2. Maria S*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 6 R 287/00v des Oberlandesgerichts Linz, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 30. Jänner 2008, AZ 6 R 213/07x, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00059.08W.0403.000

 

Spruch:

1. Die „Rekursergänzung" vom 3. 3. 2008 wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der sechstklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Sie hat die auf sie entfallenden Rekurskosten selbst zu tragen.

3. Im Übrigen wird dem Rekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die auf die verbleibenden Kläger entfallenden Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Im Vorverfahren wurde das Begehren der Kläger auf Feststellung, dass den Beklagten ein Fischereirecht an näher bezeichneten Gewässern links der T***** nicht zukomme, vom Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht abgewiesen.

Die Kläger begehrten nun die Wiederaufnahme dieses Verfahrens unter Berufung auf § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Am 25. 10. 2007 sei ihnen ein Sachverständigengutachten über die historische Entwicklung der Fischereirechte in der T***** samt Nebengewässern bekannt geworden, das in einem von sieben der insgesamt acht Wiederaufnahmskläger gegen die Republik Österreich und die Wiederaufnahmsbeklagten als Nebenintervenienten geführten Prozess eingeholt worden sei. Dieses Gutachten sei zum Zeitpunkt der Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren naturgemäß noch nicht zur Verfügung gestanden. Seine Berücksichtigung hätte zu einer Veränderung der Tatsachengrundlage und damit zu einer Bestätigung des Ersturteils im wiederaufzunehmenden Verfahren geführt. Im Gutachten seien zahlreiche Hinweise dafür angeführt worden, dass die fraglichen Gewässer schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts zu den „F***** Fischwässern" gehört hätten. Diesem Sachverständigengutachten seien erstmals auch drei (näher dargestellte) Urkunden zugrunde gelegt worden, die den Klägern nicht bekannt gewesen und ihnen auch bei ihren seinerzeitigen Recherchen im Landesarchiv nicht untergekommen seien. Es sei ihnen auch nicht bekannt, woher die angesprochenen Urkunden beigeschafft bzw dem Sachverständigen zur Verfügung gestellt worden seien. Die Unkenntnis dieser Urkunden sei den Klägern jedenfalls nicht als Verschulden zuzurechnen, zumal diese sich auch nicht in den durchgesehenen Akten der zuständigen Bezirkshauptmannschaft befunden hätten.

Das Oberlandesgericht Linz wies die Wiederaufnahmsklage in nichtöffentlicher Sitzung zurück, weil ein tauglicher Wiederaufnahmsgrund nicht geltend gemacht werde. Den nunmehr als neues Beweismittel geltend gemachten Sachverständigenbeweis hätten die Kläger bereits im Vorprozess antreten können. Sie vermöchten nicht darzutun, dass die drei angeführten, vom Sachverständigen beigeschafften Urkunden nicht bereits einem im Vorprozess beigezogenen Sachverständigen bei seiner Befundaufnahme zur Verfügung gestanden wären. Außerdem seien diese Urkunden nicht geeignet, darauf eine Klagsstattgabe zu gründen. Die Schlussfolgerung des Sachverständigen aus dem Schreiben des Gemeindevorstands K***** vom 24. 11. 1889 sei nicht nachvollziehbar: Aus der Mitteilung, dass im Gemeindegebiet keine Fischereirechte existierten, sei nicht zu schließen, dass sich das von den Klägern behauptete Fischereirecht auch auf Gewässer nördlich der T***** erstreckt habe; vielmehr ergebe sich daraus, dass es damals im angesprochenen Bereich keine Fischereirechte gegeben, folglich noch die auf § 382 ABGB beruhende Befugnis zum freien Fischfang bestanden habe. Im Übrigen wäre auch bei Zutreffen der aufgestellten Behauptung, das im A2‑Blatt der Liegenschaften der Kläger ersichtlich gemachte Fischereirecht beziehe sich auch auf links der T***** gelegene Gewässer, der Klage nicht stattzugeben. Diese Ersichtlichmachung sei materiellrechtlich ohne Bedeutung. Mangels Verbücherung des Fischereirechts bzw mangels Urkundenhinterlegung könnte das Begehren der Kläger nur bei Offenkundigkeit des Fischereirechts erfolgreich sein, was sich aber weder aus den Behauptungen der Kläger noch aus dem vorgelegten Gutachten ergäbe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er von der Sechstklägerin erhoben wurde, nicht berechtigt, im Übrigen hingegen berechtigt. Die - nach Ablauf der Rekursfrist eingebrachte - „Rekursergänzung" ist schon angesichts des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels als unzulässig zurückzuweisen.

Das Begehren der Sechstklägerin wurde im Vorprozess mit der Begründung abgewiesen, sie habe nicht nachweisen können, überhaupt am F***** Koppelfischereirecht beteiligt zu sein. Da sich der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund aber nicht auf die Frage der (Mit‑)Berechtigung der Sechstklägerin dem Grunde nach bezieht, sondern lediglich auf den strittigen Umfang des (gesamten) Koppelfischereirechts, ist das Klagevorbringen nicht geeignet, zu einer für die Sechstklägerin günstigeren Entscheidung zu führen. Ihr Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage erschöpft sich darin, dass sie nach wie vor Alleineigentümerin einer bestimmten Liegenschaft sei und die Ersichtlichmachung des Fischereirechts im A2‑Blatt des Grundbuchs bereits zum Schluss der damaligen mündlichen Streitverhandlung gegeben gewesen sei.

In Ansehung der übrigen Kläger hat das Oberlandesgericht Linz jedoch nicht beachtet, dass eine Wiederaufnahmsklage gemäß § 538 Abs 1 ZPO nur dann in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen ist, wenn sie nicht auf einen der gesetzlichen Anfechtungsgründe gestützt (oder nicht in der gesetzlichen Frist erhoben) wurde. Beruft sich ein Wiederaufnahmskläger auf das Auffinden neuer Beweismittel, kommt eine Zurückweisung nur in Betracht, wenn das Beweismittel absolut ungeeignet ist, eine maßgebliche Änderung der Tatsachengrundlage herbeizuführen. Eine über eine solche „eingeschränkte Beweiswürdigung" (6 Ob 127/00w; 10 ObS 23/03k ua) hinausgehende Beurteilung des Beweiswerts der neuen Beweismittel hat hingegen im Vorprüfungsverfahren nicht stattzufinden (vgl nur die Judikaturnachweise bei Jelinek in Fasching/Konecny² IV/1, § 538 ZPO Rz 23, RIS‑Justiz RS0044510).

Soweit das Oberlandesgericht in seiner Begründung ausführt, das von den Wiederaufnahmsklägern geltend gemachte neue Beweismittel sei der Sachverständigenbeweis, den sie bereits im Vorprozess antreten hätten können, soll damit offenbar ausgedrückt werden, dass die Kläger nicht im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO außer Stande gewesen seien, die neuen Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess geltend zu machen. Es trifft zwar zu, dass auch für den Sachverständigenbeweis judiziert wird, dass eine Wiederaufnahmsklage auch dann unzulässig ist, wenn die Partei schon im Vorverfahren Anlass gehabt hätte, ein Sachverständigengutachten einzuholen, dies jedoch unterlassen hat (so etwa JBl 1974, 144, 9 Ob 7/05b; vgl auch Kodek in Rechberger³ § 530 ZPO Rz 15), doch ist dies auf jene Fälle zu beschränken, in denen die Partei ausreichende Gründe zur Annahme haben musste, ein Sachverständigengutachten wäre geeignet, zusätzlichen Erkenntnisgewinn zu bringen. Dies ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn es überwiegend um die Beurteilung von Urkunden geht, die der Partei im Vorverfahren aber noch nicht zur Verfügung gestanden sind.

Wenn der angefochtene Beschluss in diesem Zusammenhang ausführt, die Kläger vermöchten nicht darzutun, dass die nunmehr vom Sachverständigen verwerteten weiteren Urkunden nicht bereits einem im Vorprozess beigezogenen Sachverständigen bei seiner Befundaufnahme zur Verfügung gestanden wären, wird dabei übersehen, dass die Wiederaufnahmskläger ausdrücklich vorbrachten, sie wüssten nicht, woher diese Urkunden stammen. Das Oberlandesgericht Linz lässt auch nicht nachvollziehbar erkennen, warum es annimmt, die Kläger hätten bereits im Vorprozess erwarten können, im Rahmen eines von ihnen beantragten Sachverständigengutachtens würden weitere Urkunden - insbesondere die nunmehr verwerteten - aufgefunden werden. Berücksichtigt man weiter, dass die Wiederaufnahmskläger in der Folge ohnehin ein fischereifachliches Gutachten eingeholt und in einem früheren Wiederaufnahmeverfahren (1 Ob 128/02h) vorgelegt haben, in dem ersichtlich die nunmehr aufgefundenen Urkunden nicht berücksichtigt worden waren, kann umso weniger davon ausgegangen werden, die Urkunden wären bereits durch ein im Vorverfahren beantragtes Sachverständigengutachten zugänglich geworden.

Soweit es um die bloße Würdigung des Urkundeninhalts geht, sind als neue Beweismittel im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO regelmäßig die Urkunden selbst - und nicht etwa das Sachverständigengutachten - als allfälliger Wiederaufnahmegrund zu qualifizieren (so schon 1 Ob 194/06w), zumal die endgültige Beweiswürdigung letztlich den Gerichten obliegt und der Sachverständige dazu nur unterstützende Hilfe leistet. Die Auffassung des Oberlandesgerichts Linz, die von den Wiederaufnahmsklägern bezeichneten Urkunden seien nicht geeignet, darauf eine Klagsstattgabe zu gründen, wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Die im angefochtenen Beschluss angestellte Auslegung des Erklärungsinhalts des Schreibens des Gemeindevorstands K***** vom 24. 11. 1889 ist keineswegs die einzig mögliche; warum die Mitteilung nicht auch so verstanden werden könnte, dass mit Liegenschaften im Gemeindegebiet keine Fischereirechte verbunden sind, sodann das Recht, in den dortigen Gewässern zu fischen, Eigentümern von Liegenschaften in einer anderen Gemeinde zusteht, wird nicht dargelegt. Damit kann aber nicht gesagt werden, dass es den Urkunden schon an der abstrakten Eignung mangle, allenfalls auf die endgültige Tatsachenfeststellung Einfluss zu nehmen, die ja eine Gesamtwürdigung aller aufgenommenen Beweismittel erfordert.

Nicht leicht nachvollziehbar sind letztlich die Ausführungen des Oberlandesgerichts Linz zur fehlenden Offenkundigkeit des Fischereirechts der Kläger und den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Abgesehen davon, dass ganz unstrittig ist, dass den Klägern (mit Ausnahme der Sechstklägerin) das Koppelfischereirecht an einem Abschnitt der T***** und bestimmten Nebengewässern zusteht, bezieht sich die in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung SZ 74/33 auf eine andere Problematik; keinesfalls kann daraus abgeleitet werden, dass ein Fischereiberechtigter, dessen Fischereirecht nur im A2‑Blatt seiner eigenen Liegenschaft angemerkt, nicht aber im Lastenblatt der (welcher?) dienenden Liegenschaft(en) als Servitut einverleibt ist, sein Recht ohne weiteres verlieren würde, weil es - in einem nicht näher bestimmten Zeitraum - allenfalls nicht offenkundig war.

Der im angefochtenen Beschluss angenommene Zurückweisungsgrund liegt somit nicht vor, weshalb das Verfahren fortzusetzen ist.

Der auf die Sechstklägerin entfallende Teil der Rekurskosten ist von ihr gemäß den §§ 40 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO selbst zu tragen. Der im Übrigen ausgesprochene Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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