OGH 10ObS12/08z

OGH10ObS12/08z5.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Dr. Schramm und die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Armin L*****, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Dezember 2007, GZ 25 Rs 128/07w-18, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber vermag eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht aufzeigen.

Die Frage, ob der Mindestwert für die tägliche Körperpflege unterschritten werden darf, wenn der tatsächliche zeitliche Betreuungsaufwand 56 % des Mindestwerts beträgt, stellt sich nicht:

Die Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz (EinstV) sieht für die tägliche Körperpflege in § 1 Abs 4 einen zeitlichen Mindestwert von 2 x 25 Minuten täglich vor (entspricht 25 Stunden monatlich). Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fällt die Notwendigkeit der Hilfe beim Baden, Duschen und Haarewaschen sowie bei der Pediküre und Maniküre nicht unter den Begriff der „täglichen Körperpflege" im Sinne des § 1 Abs 4 EinstV, sondern unter die (sonstige) Körperpflege nach § 1 Abs 2 EinstV (10 ObS 337/02k mwN; 10 ObS 384/02x; RIS-Justiz RS0058447; RS0107436; vgl RS0107435). Dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt;

es hat daher in Übereinstimmung mit dieser (10 ObS 337/02k;

RIS-Justiz RS0058447 [T4]) den für die „gründliche Ganzkörperpflege" notwendigen Aufwand (vgl 10 ObS 337/02k mwN) in seiner tatsächlichen Höhe berücksichtigt. Dagegen bringt der Revisionswerber nichts vor. Zählt aber der Aufwand für die gründliche Ganzkörperreinigung von vier Stunden monatlich nicht zur „täglichen Körperpflege", so fällt eine Prämisse des Revisionswerbers für die als erheblich angesehene Rechtsfrage weg, weil dieser Betreuungsaufwand bei der Beurteilung des Ausmaßes der Unterschreitung der für die „tägliche Körperpflege" normierten Mindestwerts nicht zu berücksichtigen ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Revisionswerber „bei regelmäßiger Motivierung (10 Stunden monatlich)" in der Lage, die tägliche Körperpflege selbständig zu machen. Er selbst ging schon in seiner Berufung im Einklang mit den Feststellungen des Erstgerichts davon aus, dass er weder geistig noch psychisch behindert ist. Das Berufungsgericht führte aus, dass deshalb der Aufwand für die Motivierung nicht unter § 4 Abs 1 oder 2 EinstV zu subsumieren sei. Es kam - gestützt auf die oberstgerichtliche Entscheidung 10 ObS 2410/96a (RIS-Justiz RS0065210 [T2]; RS0065213 [T2]) - zu dem Schluss, dass dieser Aufwand nicht der Verrichtung „tägliche Körperpflege" zuzuordnen ist, sondern als Pflegeaufwand für die psychische Betreuung des Klägers zu werten und mit dem tatsächlichen erforderlichen zeitlichen Ausmaß zu veranschlagen ist. Mit dieser entscheidungstragenden Beurteilung setzt sich der Revisionswerber nicht auseinander.

Die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, dass selbst dann, wenn die Motivierung zur Verrichtung „tägliche Körperpflege" gezählt würde, der zeitliche Mindestwert für diese Betreuung nicht heranzuziehen sei, sondern nur der tatsächliche Zeitaufwand, weil dieser nur 40 % des Mindestwerts erreiche, liegt im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung. Nach dieser ist der jeweilige Mindestwert nur dann zu berücksichtigen, wenn sich der tatsächliche Bedarf nicht bloß auf einen kleinen Teil der im § 1 Abs 4 EinstV angeführten Betreuungsmaßnahmen bezieht: Bei einer erheblichen Unterschreitung des betreffenden Mindestwerts, etwa dann, wenn die einzelnen Verrichtungen lediglich einen Aufwand verursachen, der deutlich unter der Hälfte des normierten Mindestwerts liegt (10 ObS 197/06b mwN), ist nicht der Mindestwert zu veranschlagen. Der Kläger benötigt nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei der Verrichtung der Notdurft keiner Hilfe; ihm ist die Reinigung im Zusammenhang mit der Harninkontinenz zumutbar; bei teilweiser Stuhlinkontinenz kann er die Reinigung nicht alleine durchführen. Hiefür beträgt der monatliche Zeitaufwand 10 Stunden. Die Vorinstanzen haben nicht den in § 1 Abs 3 EinstV für die Reinigung bei inkontinenten Patienten normierten Richtwert des zeitlichen Betreuungsaufwands von 4 x 10 Minuten täglich (entspricht 20 Stunden monatlich) berücksichtigt, sondern nur den tatsächlichen Zeitaufwand von 10 Stunden monatlich. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist grundsätzlich von den normierten Richtwerten auszugehen, wesentliche Abweichungen von diesen sind jedoch zu berücksichtigen; sie können daher im Einzelfall überschritten, aber auch unterschritten werden (10 ObS 197/06b mwN; RIS-Justiz RS0053147). Der Oberste Gerichtshof hat ferner bereits ausgesprochen, dass ein wesentliches (erhebliches) Abweichen des zeitlichen Betreuungsbedarfs vom pauschalierten Richtwert nur dann vorliegt, wenn der tatsächliche Pflegebedarf vom Pauschalwert um annähernd die Hälfte des Pauschalwerts abweicht (10 ObS 197/06b). Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Der Revisionswerber meint bloß - ohne weitere Begründung - gerade die Stuhlinkontinenz des Klägers rechtfertige den Ansatz des Richtwerts. Damit stellt er eine erhebliche Rechtsfrage nicht dar, trägt doch der auf einen Tag bezogene Richtwert dem Umstand Rechnung, dass das Bestehen von Harninkontinenz einen mehrmals täglich und somit wesentlich häufigeren Betreuungsaufwand erfordert.

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