Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.126,62 EUR (darin 187,77 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin betreibt eine PR- und Werbeagentur. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sind Erika und Gernot R*****. Mit Vertrag vom 27. 3. 2001 vereinbarte die Klägerin mit Erhard P. S*****, Leistungen im PR- und Werbebereich zur Unterstützung der Aktivitäten von E***** zu erbringen. Über derartige Leistungen legte die Klägerin im Zeitraum zwischen März und Dezember 2002 zahlreiche Rechnungen; sie erliegen im Steuerakt der Klägerin. Der Beklagte ist Mitglied des Nationalrats. Er war Obmann des Untersuchungsausschusses über die Beschaffung von Kampfflugzeugen („Eurofighter-Untersuchungsausschuss"). Zur Anhörung von Auskunftspersonen war Medienvertretern der Zutritt gewährt worden. Über Auftrag des Untersuchungsausschusses übermittelte die Finanzbehörde diesem den gesamten Steuerakt der Klägerin. In den medienöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses, so auch in der Sitzung vom 27. 3. 2007, wurde die Geschäftsführerin der Klägerin detailliert zu den einzelnen im Steuerakt erliegenden Rechnungen befragt. Anlässlich dieser Befragung wurden die Rechnungen Zeile für Zeile erörtert. Schon vor der Ausschusssitzung vom 27. 3. 2007 war der Beklagte in Tageszeitungen dahingehend zitiert worden, dass der Ausschuss mögliche „Scheinrechnungen" und „persönliche Entnahmen" der Geschäftsführer der Klägerin beim „E*****-Werbevertrag" um 6,6 Mio EUR untersuchen werde. Seit Anfang November 2006 hatten sich zahlreiche Medienberichte mit dem Agenturvertrag der Klägerin, insbesondere mit dem ihr zur Verfügung stehenden Werbebudget und den erbrachten Agenturleistungen beschäftigt. NEWS hatte etwa ein Interview mit der Geschäftsführerin der Klägerin veröffentlicht, worin diese das gesamte Werbebudget mit 6,598.000 EUR angegeben hatte. Diverse Medien hatten auch über die Vermutung berichtet, dass die Klägerin nur über zwei von insgesamt 6,6 Mio EUR für Werbung verwendet habe und der Rest „verschollen" sei. Berichtet wurde auch darüber, dass der Untersuchungsausschuss von der Geschäftsführerin der Klägerin Aufklärung über den Agenturvertrag erwarte. Nach Einvernahme der Geschäftsführerin der Klägerin nahm der Beklagte am 30. 3. 2007 unter dem Titel „Luftgeschichte, Scheinrechnung" eine Veröffentlichung auf seiner Internet-Website vor. Darin zitierte er die im Steuerakt erliegenden Rechnungen der Klägerin in chronologischer Reihenfolge und mit ihrem genauen Wortlaut. Er versah diese Zitate mit eigenen kritischen Kommentaren. Dass der Beklagte Rechnungsinhalte unrichtig wiedergegeben hätte, hat die Klägerin nicht behauptet. Unbestritten blieb, dass die aus Rechnungen des Steuerakts stammenden und auf der Website des Beklagten wiedergegebenen Inhalte in den medienöffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses detailliert („Zeile für Zeile") erörtert wurden.
Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrte die Klägerin, dem Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Informationen aus die Klägerin betreffenden abgabenbehördlichen Akten und/oder aus die Klägerin betreffenden Abgabenverfahren zu veröffentlichen; in eventu, derartige Informationen zu veröffentlichen, wenn sie der Öffentlichkeit zuvor nicht bekannt gewesen seien. Der Beklagte habe dadurch, dass er Inhalte des Steuerakts gegenüber Medienvertretern zitiert und interpretiert und am 30. 3. 2007 sämtliche im Steuerakt der Klägerin erliegenden Rechnungen auf seiner Internetseite veröffentlicht habe, gegen die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht des § 48a BAO und gegen die in § 24 Abs 3 VO-UA festgelegte Vertraulichkeitsverpflichtung verstoßen. Er habe damit Schutzgesetze verletzt und in das durch § 16 ABGB geschützte Persönlichkeitsrecht der Klägerin, nämlich die gebotene Wahrung ihres wirtschaftlichen Rufs und die erforderliche Achtung ihrer Geheimsphäre eingegriffen. Dass die der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht unterliegenden Informationen Gegenstand öffentlicher Erörterungen im Untersuchungsausschuss gewesen seien, berechtige den Beklagten nicht zu deren Veröffentlichung. Ziehe man wegen des gleichgelagerten Normzwecks die Überlegungen der Rechtsprechung zum Geheimnisbegriff des § 310 StGB heran, so bleibe auch ein in einer öffentlichen Verhandlung erörterter Umstand ein Geheimnis. Der Beklagte verwende die der Geheimhaltungspflicht unterliegende Information, um die Klägerin und ihre Gesellschafter und Geschäftsführer in der Öffentlichkeit bloßzustellen und greife damit in ihr Recht auf Ehre nach § 16 ABGB ein. Die dadurch entstehenden Nachteile könnten durch Geldersatz nicht adäquat ausgeglichen werden. Die Veröffentlichung von Details der Geschäftsbeziehung und der Honorargestaltung gewähre Mitbewerbern Einblick in den Betrieb der Klägerin und gebe Informationen über ihre Kunden preis; es drohe die Vernichtung ihres Betriebs und damit ihrer Existenz.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Die auf seiner Website wiedergegebene Information stamme nicht ausschließlich aus den dem Untersuchungsausschuss übermittelten Akten. Die Klägerin selbst habe die Öffentlichkeit über die Medien darüber informiert, dass sie entsprechende Zahlungen erhalten habe. Die beanstandete Veröffentlichung sei lediglich eine belegmäßige Präzisierung und Konkretisierung von Tatsachen und Fällen, die der Öffentlichkeit längst bekannt gewesen seien. Der Untersuchungsausschuss habe über die den Gegenstand des Verfahrens bildenden Fakten medienöffentlich getagt, die Inhalte des Steuerakts seien verlesen und ausführlichst erörtert worden, sie seien daher für die breite Öffentlichkeit ihrem gesamten Inhalt nach verfolgbar gewesen. Schon durch die öffentliche Erörterung sei eine Geheimhaltung obsolet geworden. Zudem sei das Wortprotokoll einer medienöffentlichen Befragung im Untersuchungsausschuss nicht vertraulich. Es stehe den Abgeordneten daher frei, es weiterzugeben oder selbst zu veröffentlichen. Im Übrigen würden die Wortprotokolle des Untersuchungsausschusses über medienöffentliche Sitzungen durch die Parlamentsdirektion als Kommuniqués veröffentlicht und auf der Homepage des Parlaments der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. § 24 Abs 3 VO-UA gelte daher nicht für jene Akteninhalte, die - wie sämtliche von der Klägerin in der Klage genannten Informationen - Bestandteil des Wortprotokolls geworden seien. Im Übrigen würden § 48a BAO und § 310 StGB nach der zu § 10 EMRK ergangenen Rechtsprechung konventionswidrig ausgelegt, stellte man nicht in Rechnung, dass die durch einen Oppositionspolitiker erfolgten Veröffentlichungen eine eminente politische Kritik an politischen Vorgängen seien. Als Oppositionspolitiker müsse der Beklagte das Recht haben, gemeinsam mit der Presse die Regierungspolitik und damit im Zusammenhang stehende wirtschaftliche und/oder gesellschaftliche Vorgänge transparent zu machen, um auf der Basis dieser Tatsachen Kritik zu üben. Es bestehe daher geradezu ein zwingendes öffentliches Interesse an der Bekanntmachung der dem Beklagten zugänglichen Informationen. Im Übrigen sei das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst und nicht hinreichend bestimmt.
Das Erstgericht erließ das Sicherungshauptbegehren. Die lückenlose chronologische Veröffentlichung aller Rechnungen, deren Widmung und genaue Rechnungssumme habe einen unvergleichbar größeren Aussagewert als die vorangegangenen Pressemeldungen, die aus Kommentaren und Mutmaßungen und nur zu einem geringen Teil aus Zitaten der Geschäftsführerin der Klägerin bestanden hätten. Die vorangegangenen Pressemeldungen hätten nur einen Bruchteil an Information über das im Zusammenhang mit dem Eurofighter-Vertrag vereinbarte Honorar beinhaltet. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der Geheimhaltung dieser Informationen, sie habe einer Veröffentlichung nicht zugestimmt. Die Erörterung der Rechnungen „Zeile für Zeile" in der medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses rechtfertige deren Veröffentlichung nicht. Auch bei noch so genauer Berichterstattung durch Journalisten bestehe ein wesentlicher Unterschied zwischen der Wiedergabe dessen, was ein Zuhörer über seine Wahrnehmung schreibe und der Bestätigung dieser Wahrnehmungen durch Preisgabe des Akteninhalts. Das Wortprotokoll gebe zwar ausführlich die Befragung der Geschäftsführerin der Klägerin wieder. Ihm sei aber der Inhalt der Rechnungen nicht in jener übersichtlichen und aufschlussreichen Form zu entnehmen, wie sie der Beklagte veröffentlicht habe. Auch sei das Wortprotokoll für die Öffentlichkeit nicht so ohne weiteres zugänglich. § 10 EMRK berechtige den Beklagten nicht, eine gesetzlich normierte Verschwiegenheitspflicht zu ignorieren. Das Recht des Oppositionspolitikers, Vorgänge transparent zu machen und zu kritisieren, stehe nicht über dem in § 48a BAO geregelten Steuergeheimnis, an das jedermann, so auch der Oppositionspolitiker gebunden sei. Die Möglichkeit, aufklärungsbedürftige Vorgänge rund um die Regierungspolitik zu untersuchen, werde durch die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gewahrt, die Möglichkeit, Kritik zu üben, durch den Bericht des Ausschusses über das Ergebnis seiner Untersuchung an den Nationalrat. Ein darüber hinausgehendes zwingendes öffentliches Interesse, das die Geheimhaltungspflicht der BAO aufheben könnte, sei nicht erkennbar. Ein dem Geschäftsbetrieb der Klägerin durch die Veröffentlichung drohender Schade liege auf der Hand. Die Formulierung des Unterlassungsgebots überschreite den für Verallgemeinerungen zulässigen Spielraum nicht. Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob der Geheimhaltungspflicht des § 48a BAO unterliegende Tatsachen schon nach Erörterung in einer medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses als der Öffentlichkeit bekannt und daher nicht mehr als geheim anzusehen seien, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle. Die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht umfasse nur der Öffentlichkeit unbekannte Verhältnisse und Umstände, nicht aber solche, die einem individuell nicht umgrenzten (nicht geschlossenen oder schließbaren) Personenkreis bereits zugänglich geworden seien. Mit „Öffentlichkeit" sei daher nicht die Allgemeinheit, sondern ein größerer, durch eine geringe Zahl und durch individuelle Merkmale nicht einschränkbarer Personenkreis gemeint. Es komme nicht auf die tatsächliche Wahrnehmung, sondern auf die Wahrnehmbarkeit an. Demnach sei das, worüber die Medien bereits berichtet hätten, kein Geheimnis. Vergleiche man die von den Streitteilen jeweils zitierten Zeitungsartikel, so enthielten die dort dem Beklagten zugeordneten Zitate jedenfalls bis 27. 3. 2007 keine der Öffentlichkeit noch nicht bekannte Information aus dem Steuerakt der Klägerin. Die angeführten Summen von 6,6 Mio EUR und 96.000 EUR seien schon zuvor und teilweise mehrfach in den Medien veröffentlicht worden. Auch darüber, dass Scheinrechnungen und persönliche Entnahmen der Gesellschafter der Klägerin vorliegen könnten und bestimmte Rechnungen vom Ausschuss angezweifelt würden, hätten die Medien schon zuvor (unter Nennung konkreter Summen) berichtet. Mehr sei in den gegen den Beklagten ins Treffen geführten Zeitungsartikeln bis 27. 3. 2007 nicht veröffentlicht worden. Der Beklagte habe lediglich die weitere Vorgangsweise des Untersuchungsausschusses erläutert. Er habe aber auch auf seiner Website keinen geheimzuhaltenden Sachverhalt veröffentlicht. Zwar habe die Öffentlichkeit diese Informationen in ihrer Ausführlichkeit und Detailliertheit aus vorangegangenen Medienberichten noch nicht gekannt. Sie seien aber Gegenstand der über sieben Stunden dauernden Befragung der Geschäftsführerin der Klägerin in der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 27. 3. 2007 gewesen und dort Punkt für Punkt erörtert worden. Zur Frage, ob ein der Geheimhaltungspflicht unterliegender Umstand durch Erörterungen in einer medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses allgemein zugänglich werde und daher kein Geheimnis mehr sei und bleibe, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung. Zu § 310 StGB werde zwar die Meinung vertreten, dass der Geheimnischarakter von Strafregisterauskünften trotz ihrer Verlesung in einer öffentlichen Verhandlung erst dann verlorengehe, wenn darüber danach in den Zeitungen berichtet worden sei. Andererseits werde aber angenommen, dass amtliche Vorgänge, die sich vor den Augen der Öffentlichkeit abspielten, kein Amtsgeheimnis seien. In diesem Sinn könne es auch keine Amtsverschwiegenheit für Tatsachen geben, die in einer öffentlichen Verhandlung erörtert worden seien. So sei auch das Oberlandesgericht Wien bei seiner Entscheidung über eine Beschlagnahme von Teilen der Website des Beklagten davon ausgegangen, dass die zuvor bestehende Geheimhaltungspflicht durch die Medienöffentlichkeit der 28. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. 3. 2007 aufgehoben worden sei; demnach sei alles, was Gegenstand dieser Sitzung gewesen sei, der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Dieser Auffassung sei zu folgen. Alles was Gegenstand der medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses gewesen und dort Punkt für Punkt erörtert worden sei, könne auch nicht mehr vertraulich im Sinn des § 24 Abs 1 VO-UA sein. Nach dieser Bestimmung seien nämlich der Inhalt der Beratungen des Untersuchungsausschusses und die Inhalte der Aussagen von Auskunftspersonen nur dann vertraulich, wenn sie in nichtöffentlicher Sitzung erfolgt seien. Eine entsprechende Bestimmung für medienöffentliche Sitzungen finde sich schon deshalb nicht, weil der Gesetzgeber mit Einführung der Medienöffentlichkeit dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit habe entsprechen wollen; ein derartiges Informationsbedürfnis bestehe in hohem Maß gerade bei Untersuchungsausschüssen des Nationalrats. Durch die Medienöffentlichkeit solle der in einer Sitzung erörterte Sachverhalt eine weitergehende Verbreitung erfahren und gerade nicht geheimgehalten werden. Es könne daher nicht mehr von einem Geheimnis bzw einem geheimzuhaltenden Sachverhalt ausgegangen werden. Demnach dürfe jeder darüber berichten, ohne gegen Geheimhaltungspflichten zu verstoßen. Auch die belegmäßige Präzisierung und Konkretisierung der in der Sitzung erörterten Verhältnisse und Umstände, die im Wesentlichen in einer chronologischen Anordnung der Verhältnisse bestehe, verletze die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nicht. Die dadurch vermittelte Information sei derart unbedeutend, dass sie weder materiell noch ideell eine Rolle spiele. Der Beklagte habe demnach keinen geheimzuhaltenden Sachverhalt veröffentlicht. Auf die weiteren Argumente des Beklagten (Bedachtnahme auf Art 10 EMRK, fehlende hinreichende Bestimmtheit des Sicherungsbegehrens und unwiederbringlicher Schaden) müsse nicht mehr eingegangen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist aus den in der Entscheidung des Rekursgerichts angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch auf einen Eingriff in die durch § 16 ABGB geschützten Persönlichkeitsrechte wegen unbefugter Offenbarung und Verwertung von Umständen und Verhältnissen, die dem Beklagten aus ihren Abgabenakten zur Kenntnis gelangt sind. Sie macht ferner einen Verstoß gegen die Vertraulichkeit von Beratungen des Untersuchungsausschusses und der Inhalte der Aussagen von Auskunftspersonen im Ausschuss geltend. Gemäß § 48a Abs 3 lit b BAO verletzt derjenige die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht, der öffentlich unbekannte Verhältnisse oder Umstände eines anderen, die ihm ausschließlich aus Akten eines Abgaben- oder Monopolverfahrens oder eines Finanzstrafverfahrens anvertraut oder zugänglich geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet. Abgesehen von den in § 48a Abs 4 BAO normierten Rechtfertigungsgründen im Fall der Preisgabe der Öffentlichkeit unbekannten Tatsachen sind somit öffentlich bekannte Umstände und Verhältnisse nicht geheim zu halten.
2. Hier ist die Frage zu lösen, ob die auf der Website des Beklagten referierten Inhalte aus dem Abgabenakt der Klägerin durch die vorangegangene detaillierte Erörterung der Agenturrechnungen („Zeile für Zeile") in einer medienöffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses „öffentlich bekannte Verhältnisse und Umstände" wurden und damit der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht nicht mehr unterlagen.
3. Als „der Öffentlichkeit bekannt" werden Umstände und Verhältnisse angesehen, die einem individuell nicht umgrenzten (nicht geschlossenen oder schließbaren) Personenkreis bereits zugänglich sind (Stoll BAO 524; 4 Ob 206/01z). Entgegen der Auffassung der Klägerin wird unter „Öffentlichkeit" nicht die Allgemeinheit schlechthin, sondern ein größerer, durch geringe Zahl und individuelle Merkmale nicht eingeschränkter Personenkreis verstanden; insofern genügt die Wahrnehmbarkeit, eine tatsächliche Wahrnehmung ist nicht erforderlich (Stoll aaO 524).
3.1. Wendet man diese Erwägungen auf den Anlassfall an, so können die in einer medienöffentlichen Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses detailliert besprochenen Rechnungsdetails keineswegs mehr als der Öffentlichkeit unbekannte Umstände beurteilt werden. Die Anwesenheit einer großen Zahl an Medienvertretern in der Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses entspricht unter Berücksichtigung ihres Zwecks der Öffentlichkeit im Sinn der angeführten Definition. Der Zweck der Medienöffentlichkeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss besteht nämlich darin, dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Rechnung zu tragen (Widder, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse aus Sicht des Bundes, in Schäffer, Untersuchungsausschüsse 57). Die Anwesenheit von Medienvertretern soll sicherstellen, dass die in der Sitzung erörterten Sachverhalte einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden. Werden daher in einer medienöffentlichen Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses Sachverhalte (hier die Inhalte von Agenturrechnungen) detailliert und damit für alle Anwesenden deutlich wahrnehmbar besprochen, so kann unter Berücksichtigung des dargelegten Zwecks der Anwesenheit von Medienvertretern nicht mehr davon gesprochen werden, dass diese Sachverhalte der Öffentlichkeit nach wie vor unbekannt und deshalb im Sinn des § 48a BAO geheim zu halten seien.
3.2. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Geheimnisbegriff des § 310 StGB. Geheimnis im Sinn dieser Bestimmung sind Umstände, die nicht allgemein bekannt und nicht allgemein zugänglich sind. Dass ein Umstand in einer öffentlichen Verhandlung erörtert wurde (wie etwa eine Strafregisterauskunft), macht ihn nicht allgemein zugänglich (Bertel in Höpfel/Ratz, Wiener Kommentar zum StGB² § 310 Rz 4; SSt 52/35).
3.3. Der Geheimnisbegriff des § 310 StGB kann aber - berücksichtigt man den zuvor erläuterten Zweck der Medienöffentlichkeit - nicht auf Sachverhalte übertragen werden, die in einer medienöffentlichen Sitzung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses detailliert („Zeile für Zeile") erörtert wurden. Der Zweck der Medienöffentlichkeit besteht nämlich gerade darin, für eine Verbreitung der erörterten Sachverhalte zu sorgen, um dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit in einem umfassend verstandenen Sinn (Widder in Schäffer aaO 57 f) Rechnung zu tragen.
4. Die Klägerin hat nicht in Abrede gestellt, dass die dem Steuerakt entnommenen Rechnungen in der medienöffentlichen Sitzung detailliert besprochen wurden und der Beklagte deren Inhalte in seinem Internetauftritt (richtig) wiedergibt. Durch die eingehende Erörterung der Rechnungen in der Sitzung wurden auch die Rechnungsdetails der Öffentlichkeit bekannt und bildeten danach kein Geheimnis mehr. In welcher Form diese (bekannten) Details sodann wiedergegeben werden (hier in chronologischer Anordnung der einzelnen Rechnungen) ist nicht mehr entscheidend. Die chronologische Darstellung der in der Sitzung öffentlich bekannt gewordenen Rechnungsinhalte verletzt für sich die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nicht.
4.1. Die einzelnen dem Kläger zugeschriebenen Zitate in Medien betrafen gleichfalls Umstände, die in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses detailliert erörtert wurden (mögliche Scheinrechnungen und persönliche Entnahmen sowie Höhe des Werbebudgets).
5. Soweit sich die Klägerin im Verfahren ergänzend noch auf einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) über die Vertraulichkeit berief, ist sie auf § 24 VO-UA zu verweisen. Danach sind der Inhalt der Beratungen des Untersuchungsausschusses und die Inhalte der Aussagen von Auskunftspersonen in nichtöffentlicher Sitzung vertraulich. Für (medien-)öffentliche Sitzungen im Sinn des § 4 Abs 1 VO-UA ordnet die Verfahrensordnung dagegen gerade keine vertrauliche Behandlung der Aussagen von Auskunftspersonen und Sachverständigen an. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die vertrauliche Behandlung insoweit schon deshalb unterbleibt, weil der Gesetzgeber mit Einführung der Medienöffentlichkeit durch Art I Z 20a der Novelle zum Geschäftsordnungsgesetz des Nationalrats 1988 BGBl 720 (Einfügung des § 33 Abs 3) dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entsprechen wollte und dieses Informationsbedürfnis gerade bei Untersuchungsausschüssen des Nationalrats in hohem Maß besteht. Die Vorgangsweise des Beklagten verstößt somit auch nicht gegen die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse.
6. Die voranstehenden Erwägungen sind daher folgendermaßen zusammenzufassen:
6.1. Der Inhalt der Aussagen von Auskunftspersonen in nach § 4 Abs 1 VO-UA unter Zulassung von Medienvertretern öffentlichen Sitzungen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ist nicht gemäß § 24 VO-UA vertraulich.
6.2. Jedenfalls dann, wenn Auskunftspersonen in einer für Medienvertreter öffentlichen Sitzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Zeile für Zeile" zu bestimmten Inhalten von Akten eines Abgabenverfahrens vernommen wurden, steht die abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht nach § 48a Abs 3 lit b BAO einer Veröffentlichung dieser Teile des Abgabenakts nicht mehr entgegen.
7. Das Rekursgericht hat zutreffend sowohl eine Verletzung der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht nach § 48a BAO als auch einen Eingriff in die Vertraulichkeit der Inhalte der Aussagen von Auskunftspersonen in Untersuchungsausschüssen verneint. Dass der Beklagte in anderer Weise als durch die Veröffentlichung der erörterten Informationen aus den abgabenbehördlichen Akten in schutzwürdige Interessen der Klägerin eingegriffen hätte, wurde nicht geltend gemacht.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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