OGH 11Os134/07a

OGH11Os134/07a18.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Prammer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Josip F***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Februar 2007, GZ 054 Hv 117/06d-140, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch III und damit auch im Strafausspruch sowie im Cveta V***** betreffenden Privatbeteiligtenzuspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Kassation der bekämpften Aussprüche verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche und einen Ausspruch nach § 263 Abs 2 StPO (die Beschlussform dafür entspricht nicht dem Gesetz [§ 263 Abs 2 StPO] und der ständigen Judikatur dazu - vgl etwa Fabrizy, StPO9 § 263 Rz

13) enthält - wurde Josip F***** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB (I), des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter SatzStGB (II) und der teils vollendeten, teils versuchten Erpressung nach § 144 Abs 1 und 15 StGB (III) sowie des Vergehens (zu ergänzen:) der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (IV) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Kresimir S***** (früher T*****),

I.) fremde bewegliche Sachen der Cveta V***** mit dem Vorsatz, sich durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch der wiederkehrende Begehung und Diebstählen eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen,

1.) weggenommen, und zwar am 13. Dezember 2005 der Cveta V***** einen Bargeldbetrag in Höhe von 1.876,49 Euro,

2.) wegzunehmen versucht, und zwar am 14. März 2006 eine Handtasche und darin befindliche Wertgegenstände;

II.) zwischen 13. Dezember 2001 und 22. Dezember 2005 in 14 im Urteil spezifizierten Fällen mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Vorgabe, ihnen wertvollen Schmuck zu verkaufen, obgleich es sich lediglich um Glassteine oder wertlosen Modeschmuck handelte, weiters durch die Behauptung, sich kurzfristig Geldbeträge gegen umgehende Rückzahlung auszuborgen, zu Handlungen, nämlich zur Übergabe von Geldbeträgen verleitet, wobei er die schweren Betrugshandlungen in der Absicht beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, und einen 50.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte;

III.) am 13. Dezember 2005 Cveta V***** mit Gewalt „oder" durch gefährliche Drohung, indem ihr Kresimir S***** (früher T*****) einen Gegenstand in den Rücken drückte und sie mit dem Tode bedrohte, zu einer Handlung genötigt bzw zu nötigen versucht, die diese am Vermögen schädigte „bzw" schädigen sollte, nämlich von ihrem Bankkonto 2.000 Euro und 770 Euro zu beheben und ihm und Josip F***** zu übergeben, wobei es hinsichtlich eines Betrages von 770 Euro zur Übergabe bzw Vollendung kam und hinsichtlich eines weiteren Betrages von 2.000 Euro beim Versuch blieb, und er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten „der Getäuschten" sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;

IV.) zwischen 17. April 2004 und 14. März 2006 in wiederholten Angriffen eine falsche „oder verfälschte" ausländische öffentliche Urkunde, die inländischen öffentlichen Urkunden durch Gesetz gleichgestellt ist, nämlich den total gefälschten kroatischen Reisepass, ausgestellt auf den Namen Josip B*****, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem er diesen bei Grenzkontrollen gegenüber den Kontrollorganen sowie am 14. März 2006 einschreitenden Sicherheitswachebeamten vorwies.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhebt der Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit a StPO.

Seine Verfahrensrüge (Z 4) stützt der Rechtsmittelwerber einerseits auf die Abweisung (S 53/IV) seines Antrages „auf Unterbrechung des Verfahrens verbunden mit dem Antrag, dass vor einer weiteren Einvernahme der Zeugen vor dem erkennenden Gericht eine ordnungsgemäße Gegenüberstellung zu erfolgen hat, bei der die Zeugen anzugeben haben werden, ob und bejahendenfalls, wen sie als Täter wieder erkennen ... Ausdrücklich verlangt der Angeklagte, dass eine Gegenüberstellung in der Weise zu erfolgen hat, dass der Angeklagte mit mindestens vier weiteren Personen, die bezüglich des Alters gleich dem Angeklagten sind und auch die gleiche Hautfarbe haben wie er, den Zeugen gegenübergestellt wird." (S 51/IV).

Wiewohl die Begründung des Schöffensenates, „Wahlkonfrontationen" seien „im Rahmen der Hauptverhandlung gesetzlich nicht zwingend vorgesehen", am Antrag vorbeigeht und diese Art der Beweiserhebung im Rahmen einer Hauptverhandlung keineswegs ex lege ausgeschlossen ist, verletzte die Entscheidung des Erstgerichtes die grundrechtlich geschützten Verfahrens-, vor allem Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht:

Nach ständiger Judikatur (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341; RIS-Justiz RS0116987) muss nämlich aus einer Beweisführung unter Zugrundelegung der Verfahrensergebnisse im Zeitpunkt der Antragstellung bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zu erwarten sein. Im Gegenstand haben eine Vielzahl der mutmaßlichen Opfer den Angeklagten bereits anhand bei der Polizei vorgelegter Lichtbilder identifiziert (US 20 ff mit Fundstellenzitaten), in einem Fall gab es eine dem Angeklagten zugeordnete DNA-Spur (US 72). Nach Lage des Falles hätte der Antragsteller bezogen auf einzelne Zeugen dartun müssen, aus welchem Grund dennoch nur aus einer Wahlkonfrontation verlässliche Aufschlüsse über die Täterschaft zu den einzelnen Fakten zu erwarten wären.

Überdies hätte der Nichtigkeitswerber den Erkenntnisvorgang konkreter Zeugen in der Hauptverhandlung durch gezielte Vorhalte hinterfragen können, wovon er jedoch keinen Gebrauch machte. Auch daraus erhellt, dass seine Beweisführung fallbezogen nur das Ziel hatte, abzuklären, ob davon eine weitere Aufklärung zu erwarten sei. Diese Art von Erkundung ist jedoch in der Hauptverhandlung nicht (mehr) statthaft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).

Zusammenfassend bezeichnet als „Nichtigkeiten im Zusammenhang auf Verhandlungsführung" rügt der Beschwerdeführer aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO weiters Details seiner Befragung zu den Anklagevorwürfen und mangelnde Einräumung des ihm zustehenden Rechtes der Befragung von Zeugen. Damit verkennt er jedoch die Reichweite dieses Nichtigkeitsgrundes, der voraussetzt, dass während der Hauptverhandlung über einen Antrag des Beschwerdeführers nicht erkannt worden ist oder dass durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis Gesetze oder grundrechtlich geschützte Verfahrensgrundsätze hintangesetzt worden wären. Auf keine dieser formellen Voraussetzungen kann sich der Angeklagte berufen, weshalb sich ein Eingehen auf seine Argumentation erübrigt. Bloß zur Abrundung sei erwähnt, dass sämtliche Verfahrensrechte des gemäß § 234 StPO aus dem Verhandlungssaal entfernten Angeklagten dessen Verteidiger wahrnehmen konnte, was etwa hinsichtlich der Fragen an Zeugen auch aktuell geschah (vgl zB S 65, 71, 75/IV). In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde (die im Übrigen trotz Antrages auf Gesamtaufhebung des bekämpften Urteiles keinerlei Vorbringen zu den Schuldsprüchen I und IV erstattet) bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen. Zutreffend reklamiert die Rechtsrüge (Z 9 lit a) jedoch zum Schuldspruch III einen Rechtsfehler mangels Feststellungen, weil dem Ersturteil keinerlei Konstatierungen zu objektiv tatbestandsmäßigem Verhalten des Angeklagten zur verurteilten Erpressung zu entnehmen sind, sondern nur solche zu dessen weiteren Anwesenheit am Tatort (nach Begehung der zu I 1 geschilderten Tat) und zu unmittelbaren Tathandlungen des Kresimir S***** (US 49) sowie undifferenzierte Feststellungen zur inneren Tatseite einer - allerdings in keiner Weise konkretisierten - Mittäterschaft (US 51, 75). In diesem Umfang war daher das angefochtene Urteil gemäß § 285e StPO aufzuheben.

Mit der Berufung wegen Strafe und wegen des Ausspruches über die privatrechtlichen Ansprüche der Cveta V***** war der Angeklagte auf diese Kassation zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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