OGH 2Ob236/07f

OGH2Ob236/07f17.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) K*****-GmbH, *****, 2) Dr. Peter S***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der K***** Gesellschaft m. b.H., *****, beide vertreten durch Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, wegen EUR 648.812,92 sA und Feststellung (Revisionsinteresse EUR 25.000), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 19. September 2007, GZ 38 R 125/07z-16, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der von den Streitteilen mit der „Schiedsgutachtervereinbarung" vom 24. 5. 2005 bestellte Sachverständige Christian S***** ermittelte den gemäß § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzins unter angemessener Berücksichtigung der zuvor vom Hauptmieter getätigten Aufwendungen zur Verbesserung des Mietgegenstandes für das gegenständliche Geschäftslokal mit EUR 32.900.

Nach den Behauptungen der Beklagten betrage der angemessene Hauptmietzins nach dem Privatgutachten des Sachverständigen Herbert J***** EUR 43.300, also 30 % mehr.

Rechtliche Beurteilung

Ein Schiedsgutachten ist dann nicht bindend, wenn es offenbar der Billigkeit widerstreitet. Als offenbar unbillig ist eine Bestimmung dann anzusehen, wenn sie den Maßstab von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und ihre Unrichtigkeit sich dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss. Es liegt also nicht in jedem Fall eine objektive Unrichtigkeit oder Sachwidrigkeit vor (RIS-Justiz RS0016769). Nicht jede objektive, sondern nur eine qualifizierte Unrichtigkeit beraubt das Schiedsgutachten seiner bindenden Wirkung. Ein unrichtiges Schiedsgutachten mag von anfechtbaren Unterlagen ausgegangen sein, falsche Methoden angewandt haben oder auch Rechenfehler enthalten, es ist damit noch nicht offenbar unbillig, sondern das Ergebnis des Gutachtens muss augenscheinlich unrichtig sein (SZ 69/168 = RIS-Justiz RS0106360).

Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, besteht bei Ausmittlung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Mietzinses unter Berücksichtigung von Mieterinvestitionen auch bei Einhaltung der vom Gesetz und der hiezu ergangenen Rechtsprechung vorgegebenen Richtlinien stets ein relativ weiter Wertungs- und Ermessensspielraum.

Wenn das Berufungsgericht angesichts dieses Wertungs- und Ermessensspielraums bei einer Differenz des Ergebnisses von (nur) ca 30 % zwischen dem vom Schiedsgutachter ermittelten und dem von der Beklagten behaupteten Betrag eine grobe Unbilligkeit des Ergebnisses des Schiedsgutachters schon nach dem Vorbringen der Beklagten verneint hat, handelt es sich jedenfalls um eine vertretbare Rechtsansicht, die keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.

Die Revisionswerberin erblickt weiters eine erhebliche Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO im Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob die Übertragung der Feststellung des nach § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses an einen Dritten zwecks Beendigung diesbezüglicher Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter einen (gültigen) Schiedsgutachtervertrag oder einen (nichtigen) Schiedsvertrag darstellt.

Dazu ist der Revisionswerberin zu entgegnen, dass zur Abgrenzung zwischen Schiedsvertrag und Schiedsgutachtervertrag durchaus oberstgerichtliche Rechtsprechung vorhanden ist: Allgemein wird der sachliche Unterschied zwischen Schiedsverträgen und Schiedsgutachterverträgen darin erblickt, dass der Schiedsvertrag die Entscheidung eines Rechtsstreits zum Ziel hat, während die Schiedsgutachterabrede auf die Feststellung von Tatsachen, Tatbestandselementen oder auf die Ergänzung des Parteiwillens gerichtet ist. Einen Sonderfall vertragsergänzender Schiedsgutachten stellen rechtsabändernde Schiedsgutachterverträge dar, durch die einem Dritten die Aufgabe übertragen wird, ein bestehendes Schuldverhältnis veränderten Umständen anzupassen. Die in solchen Fällen erforderliche rechtliche Schlusstätigkeit des Schiedsgutachters führt aber für sich allein noch nicht zum Ergebnis, dass ein echter Schiedsvertrag vorliegt. Maßgeblich ist vielmehr, ob die zu treffende Entscheidung nur aus den im § 595 ZPO (bzw § 611 ZPO idF des Schiedsrechts-Änderungsgesetzes, BGBl I 2006/7) angeführten Gründen durch ein ordentliches Gericht aufgehoben werden kann oder ob diesem eine darüber hinausgehende materielle Überprüfungsmöglichkeit der Tätigkeit des Schiedsgutachters zustehen soll (1 Ob 300/00z = RIS-Justiz RS0106359 [T2]; RS0106358 [T2]).

Die Einordnung eines konkreten Vertrages ist im Einzelfall zu prüfen und entzieht sich einer generellen Beurteilung. Im vorliegenden Fall haben die Parteien der von ihnen selbst so bezeichneten „Schiedsgutachtervereinbarung" dem bestellten Schiedsgutachter nur die Ermittlung des gemäß § 16 Abs 1 MRG angemessenen Hauptmietzinses übertragen. Die aus dem vom Schiedsgutachter ermittelten angemessenen Hauptmietzins resultierenden Rechtsfolgen hat aber nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht der Schiedsgutachter festzulegen; vielmehr haben die Parteien diese Rechtsfolgen in ihrer Vereinbarung selbst geregelt.

Die Qualifizierung des Berufungsgerichtes, gegenständlich liege kein (allenfalls unzulässiger, vgl 5 Ob 186/99k; 5 Ob 123/03d = SZ 2004/1; RIS-Justiz RS0087651; RS0112325) Schiedsvertrag, sondern ein Schiedsgutachtervertrag vor, ist daher ebenfalls durchaus vertretbar. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

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