OGH 12Os123/07s

OGH12Os123/07s13.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Dezember 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wiaderek als Schriftführer in der Strafsache gegen Jürgen Z***** und weitere Angeklagte wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Gerhard B***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 5. Juli 2007, GZ 23 Hv 99/07a-132, und über die Beschwerden des Angeklagten Jürgen Z***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen die gleichzeitig gefassten Beschlüsse nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung des hinsichtlich Gerhard B***** ergangenen Schuldspruchs A 3) unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG, damit auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch samt Vorhaftanrechnung aufgehoben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B***** zurückgewiesen.

Der Angeklagte Gerhard B***** wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Christian W***** und über die Beschwerde des Angeklagten Jürgen Z***** sind die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zuzuleiten. Dem Angeklagten Gerhard B***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Teilfreispruch betreffend den Angeklagten Jürgen Z***** enthaltenden Urteil wurden Jürgen Z***** (richtig:) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall und Abs 3 erster Fall SMG (A 1) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B 1), Christian W***** (richtig:) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (A 2) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B 2) und Gerhard B***** (richtig:) der Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG (A 3) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (B 3) schuldig erkannt. Danach haben Jürgen Z*****, Christian W***** und Gerhard B***** zu größtenteils nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkten im Raum Landeck, in Pfunds und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider

A. Suchtgifte in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG), nämlich nicht mehr exakt quantifizierbare, die Grenzmenge insgesamt aber jeweils um ein Vielfaches übersteigende große Mengen der nachangeführten Suchtgifte gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt, und zwar:

1) Jürgen Z***** im Zeitraum von etwa Frühjahr 2006 bis zum 29. Dezember 2006 durch den fortlaufenden gewinnbringenden Verkauf, in verschwindend geringem Umfang aber auch durch die unentgeltliche Weitergabe von insgesamt ca 3,5 kg an Cannabisprodukten (Marihuana und Cannabisharz von zum Teil mäßiger Qualität), mindestens 60 bis 80 g Kokain durchwegs sehr guter Qualität sowie auch von zumindest 80 bis 100 g Amphetamin und schließlich geringer Mengen von psylozibinhältigen Pilzen an Gerhard B***** sowie weitere, teils im Urteilstenor ausgewiesene, abgesondert verfolgte, teils namentlich nicht bekannte Personen;

2) Christian W***** im Zeitraum von etwa Sommer 2006 bis zum 29. Dezember 2006 durch den gewinnbringenden Verkauf von zumindest rund 400 g Kokain durchwegs sehr guter Qualität an Jürgen Z***** sowie weitere, teils im Urteilstenor ausgewiesene, abgesondert verfolgte, teils namentlich nicht bekannte Personen;

3) Gerhard B***** im Zeitraum von zumindest Frühjahr 2006 bis einschließlich Dezember 2006 durch den gewinnbringenden Verkauf von insgesamt zumindest 3,2 kg an Cannabisprodukten (Marihuana und Cannabisharz von zum Teil mäßiger Qualität) an Jürgen Z***** in mehreren Teillieferungen;

B. wiederholt Suchtgifte für den Eigenbedarf erworben und besessen, und zwar:

1) Jürgen Z***** im Zeitraum von etwa November 2005 bis zum 29. Dezember 2006 jeweils geringe Mengen von Kokain, Cannabisprodukten, Amphetamin und psylozibinhältigen Pilzen;

2) Christian W***** ebenfalls im Zeitraum von etwa November 2005 bis zum 29. Dezember 2006 jeweils geringe Mengen von Kokain und Cannabisprodukten sowie

3) Gerhard B***** im Zeitraum von zumindest April 2006 bis zum 1. Februar 2007 jeweils geringe Mengen von Kokain und Cannabisprodukten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch A 3) richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B*****, der teilweise Berechtigung zukommt.

Die in der Mängelrüge (Z 5) vorgebrachten Widersprüche in den Angaben des Mitangeklagten Jürgen Z***** wurden vom Erstgericht umfassend erörtert (US 14 f und insbesondere 17).

Die vom Schöffengericht ausdrücklich als Zusammenfassung bezeichnete Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsrichter erfolgte schon deswegen nicht aktenwidrig, weil das erkennende Gericht auf die in der Rüge hervorgehobene geständige Einlassung in dieser Vernehmung betreffend den Zeitraum November bis Dezember 2006 ausdrücklich Bezug nimmt (US 15).

Die Angaben der Zeugin Johanna K***** wurden entgegen der eine Unvollständigkeit vorbringenden Mängelrüge sehr wohl erwogen (US 16 f).

Soweit der Rechtsmittelwerber aus den Beweisergebnissen andere Schlussfolgerungen zieht als die Tatrichter, bekämpft er lediglich die Beweiswürdigung des Kollegialgerichtes, ohne einen Begründungsmangel darzutun.

In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Gerhard B***** bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Im Recht ist der Beschwerdeführer mit seiner in der Tatsachenrüge (Z 5a) erhobenen Kritik betreffend die Urteilsannahmen zum Ausschluss der Privilegierung nach § 28 Abs 3 letzter Satz SMG. Gegenstand der Tatsachenrüge nach § 281 Abs 1 Z 5a StPO sind Feststellungen, angesichts derer gemessen an allgemeinen Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt, die somit schlechterdings unerträglich sind (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391 und Rz 490).

Dazu stellte das Schöffengericht fest, dass Gerhard B***** Cannabisprodukte (bezogen auf Gramm - US 20) um einen Einkaufspreis von 4,50 bis 5,20 Euro erwarb und um 6,30 bis 6,80 Euro verkaufte (US 21). Zugleich benötigte er monatlich ca 400 Euro zur Beschaffung der zum Eigenkonsum bestimmten Suchtgifte (US 23). Unter Berücksichtigung des ein Inverkehrsetzen inkriminierenden Zeitraums von ca zehn Monaten (US 4 und US 12: „zumindest Frühjahr 2006 bis einschließlich Dezember 2006") bestehen daher erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der die Privilegierung des § 28 Abs 3 letzter Satz SMG ausschließenden Konstatierung, dass diese Suchtgiftgeschäfte nicht überwiegend der Finanzierung des Eigenkonsums dienten (US 13 und 21). Zunächst lässt sich - wie die Rüge zutreffend aufzeigt - eine vom Erstgericht auf die eigene Verantwortung des Rechtsmittelwerbers gestützte, nur die letzten beiden Monate des vorgeworfenen Tatzeitraums umfassende Gewinnmarge von 2 Euro je verkauften Gramms aus den gerichtlichen Einlassungen des Angeklagten (vgl S 429g ff/I und S 559 ff/V) nicht nachvollziehen. Darüber hinaus schließt die Bandbreite der im Urteil auf Basis der Angaben des Beschwerdeführers dargestellten Gewinnspannen - unter Berücksichtigung der insgesamt in Verkehr gesetzten Cannabisprodukte (der Einlassung des Angeklagten zuwider 3200 Gramm) - in Relation zur Intensität des Suchtmittelmissbrauchs und der dafür nach den Feststellungen des erkennenden Gerichts notwendigen Aufwendungen sogar die Möglichkeit mit ein, dass der Nichtigkeitswerber den gesamten lukrierten Verkaufserlös (und nicht nur einen vorwiegenden Teil) zur Beschaffung der seine Sucht befriedigenden Substanzen verwendete. Die in der Hauptverhandlung vorgekommenen und vom Tatgericht herangezogenen Beweismittel lassen gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahme eines Ausschlusses der Voraussetzungen der Privilegierung nach § 28 Abs 3 letzter Satz SMG aufkommen. Sie legen mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftssätzen eine unrichtige Lösung der diese Qualifikation betreffenden Schuldfrage qualifiziert nahe.

Dieser Mangel zwingt zur Aufhebung der bei Gerhard B***** angenommenen Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO). Damit war auf die von der Generalprokuratur unter dem Aspekt eines amtswegig wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 StPO) Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO angesprochene Problematik unzureichender Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit iSd § 28 Abs 3 erster Fall SMG nicht mehr weiter einzugehen. Bei den beiden Mitangeklagten Jürgen Z***** und Christian W***** ergibt hingegen eine Gesamtbetrachtung der Feststellungen zur angenommenen Qualifikation der Tathandlungen unter Einschluss des Urteilstenors eine gerade noch hinreichende (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) Konstatierung der Voraussetzungen des § 28 Abs 3 erster Fall

SMG.

Solcherart bedurfte es auch keiner Erörterung der die Qualifikation nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG bekämpfenden weiteren Beschwerdepunkte. Das Urteil war demnach in der Unterstellung des hinsichtlich Gerhard B***** ergangenen Schuldspruchs A 3) unter § 28 Abs 3 erster Fall SMG, damit auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch samt Vorhaftanrechnung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte Gerhard B***** auf das kassatorische Erkenntnis zu verweisen.

Der Angeklagte Jürgen Z***** meldete in der Hauptverhandlung vom 5. Juli 2007 nach Verkündung des Urteils sowie des Beschlusses nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO sowohl Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung als auch eine Beschwerde an (S 575/V). Mit einer am 3. August 2007 beim Landesgericht Innsbruck einlangenden Erklärung zog der Angeklagte Jürgen Z***** die angemeldeten Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung zurück (ON 138). Damit blieb die ausdrücklich erhobene, aber nicht ausgeführte Beschwerde gegen den in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss - entgegen der Ansicht des Erstgerichtes (vgl ON 139) - unerledigt. Über dieses Rechtsmittel des Angeklagten Jürgen Z***** sowie über die Berufung und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten Christian W***** wird vorerst das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden haben (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten B***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

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