OGH 4Ob217/07a

OGH4Ob217/07a11.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der auf die Rechtssache der klagenden Partei „J*****" *****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Ernst K*****, 2. Mag. Markus A*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 65.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.000 EUR), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den über einen Ablehnungsantrag ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Linz vom 17. Oktober 2007, GZ 5 Nc 97/07i-4, womit der Ablehnungsantrag der klagenden Partei zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren teilweise statt. Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, dass es die Klage abwies; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels hinreichender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Rechtsmissbrauch in Wettbewerbssachen zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung über die Berufungen der Streitteile nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurück. Das Berufungsgericht habe den Einwand der Beklagten, die Klage sei rechtsmissbräuchlich und Teil massiver Versuche der Klägerin, mit unlauteren Motiven einen Mitbewerber zu schädigen, unzutreffend als schlüssig beurteilt und darüber - dieser Behauptung folgend - inhaltlich abgesprochen. Das Berufungsgericht werde im fortgesetzten Verfahren zunächst die Unschlüssigkeit des Einwands des Rechtsmissbrauchs mit den Beklagten im aufgezeigten Sinn zu erörtern haben. Sollte es den Beklagten danach nicht gelingen, diesen Einwand schlüssig zu stellen, werde die zweite Instanz über die Berufungen der Streitteile unter Abstandnahme von seiner bisherigen Rechtsansicht neuerlich zu entscheiden haben (4 Ob 114/07d). Die Klägerin hatte zusammen mit der ordentlichen Revision gegen jenes Urteil des Berufungsgerichts „für den Fall der Aufhebung des gegenständlichen Urteils durch den Obersten Gerichtshof und Rückverweisung an das Berufungsgericht" einen Ablehnungsantrag gegen den Vorsitzenden des betreffenden Rechtsmittelsenats und die beiden anderen an der Entscheidung beteiligten Senatsmitglieder erhoben. Die namentlich genannten Richter hätten massiv die Verfahrensvorschriften verletzt, insbesondere jene des Parteiengehörs und der Objektivität des Verfahrens. Sie seien von einem Sachverhalt ausgegangen, der vom Erstgericht nicht festgestellt worden sei, nämlich dahingehend, dass Josef H***** der Klägerin als „Strohmann" zugerechnet worden sei. Aus dieser überraschenden - weil mit der Klägerin nicht erörterten - Vorgangsweise sei eine massive Voreingenommenheit aller Mitglieder des Berufungssenats gegen die Klägerin abzuleiten. Es bestehe die Gefahr, die Mitglieder des Berufungssenats würden im Fall der Aufhebung des Urteils ihre in der angefochtenen Entscheidung vertretene Rechtsansicht durch eine entsprechende „Beweiswürdigung" zu untermauern versuchen.

Die Mitglieder des betroffenen Berufungssenats erklärten, nicht befangen zu sein; sie nähmen am Prozessausgang keinen persönlichen Anteil, die Befürchtung einer einseitigen Beweiswürdigung sei unbegründet.

Der zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag berufene Senat der zweiten Instanz wies den Ablehnungsantrag als nicht berechtigt zurück. Dass eine bestimmte Rechtsmeinung vertreten werde, möge diese auch von der herrschenden Rechtsprechung abgelehnt werden, begründe ebensowenig eine Befangenheit wie die (behauptete) Unrichtigkeit der Beweiswürdigung, es sei denn, die Beweiswürdigung sei völlig unhaltbar. Solches sei etwa dann der Fall, wenn sie auf so offensichtlichen und groben Verstößen beruhe, dass zu besorgen sei, der Richter habe sich im konkreten Fall nicht ausschließlich von objektiven Gesichtspunkten leiten lassen, oder wenn das Berufungsgericht die Beweiswürdigung des Erstgerichts als nicht haltbar bezeichne und bei seiner rechtlichen Beurteilung ohne Beweiswiederholung von einem den Feststellungen des Erstgerichts entgegengesetzten Sachverhalt ausgehe. Befangenheit sei gegeben, wenn der Richter in auffallender und bedenklicher Weise Verfahrensgrundsätze außer Acht lasse, die dem Schutz des Parteiengehörs und der Objektivität des Verfahrens dienten. Solches liege im Anlassfall jedoch nicht vor. Im Berufungsverfahren sei das Parteiengehör zur Stellung Josef H*****s nicht verletzt worden, weil die Klägerin dazu in ihrer Berufungsbeantwortung ausführlich Stellung genommen und ihr Vorbringen auch in der Berufungsverhandlung mündlich vorgetragen habe. Zwar habe der Oberste Gerichtshof die Handlungen des Josef H***** als der Klägerin zurechenbar angesehen, aus ihnen die behauptete Rechtsfolge des Rechtsmissbrauches jedoch noch nicht abgeleitet. Insofern liege also keine unrichtige Rechtsansicht des Berufungsgerichts vor. Den Einwand des Rechtsmissbrauches hätten die Beklagten bereits in erster Instanz erhoben und in der Berufung wiederholt; dass er in der Berufungsentscheidung als berechtigt beurteilt worden sei, sei eine Frage der rechtlichen Beurteilung. Die Frage des Rechtsmissbrauchs sei Gegenstand der Berufung und der Berufungsbeantwortung gewesen, daher liege keine Überraschungsentscheidung für die Klägerin vor. Die Bejahung rechtsmissbräuchlicher Klagsführung begründe keine Befangenheit des Berufungssenats. Das Berufungsgericht sei an die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsmeinung gebunden. Es fehle jeder konkrete Hinweis dafür, die Senatsmitglieder würden - entgegen § 511 ZPO - der bindenden Rechtsansicht des Höchstgerichtes im fortgesetzten Verfahren nicht Rechnung tragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, der Ablehnungssenat gehe aktenwidrig davon aus, dass der Oberste Gerichtshof die Handlungen des Josef H*****s als der Klägerin zurechenbar angesehen habe, und ziehe daraus den unrichtigen Schluss, der abgelehnte Senat habe keine unvertretbare Rechtsansicht geäußert. Auch lasse der Ablehnungssenat unberücksichtigt, dass im Aufhebungsbeschluss eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das Berufungsgericht aufgezeigt und Josef H***** im Berufungsurteil ohne jede Prozessbehauptung in diese Richtung als „Strohmann" der Klägerin bezeichnet werde. Der Berufungssenat habe daher seiner Beurteilung einen nicht festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt, was seine Befangenheit begründe.

1.1. Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RIS-Justiz RS0046024 [T2]). Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS-Justiz RS0046024 [T3]).

1.2. Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RIS-Justiz RS0045949). Es soll auch schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RIS-Justiz RS0046052). Andererseits sollen die Regelungen über das Ablehnungsrecht den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters auf einfache Weise zu entledigen (RIS-Justiz RS0109379 [T1]; RS0046087). Die Frage nach einer Befangenheit lässt sich dabei nicht abstrakt generell, sondern nur bezogen auf die jeweilige Rechtssache und den damit befassten Richter lösen (RIS-Justiz RS0045933).

1.3. Weder die Unrichtigkeit einer Gerichtsentscheidung noch die Vertretung einer bestimmten Rechtsmeinung durch den Richter sind im Allgemeinen ein Ablehnungsgrund (RIS-Justiz RS0111290 [T3]; RS0045916 [T5]). Auch Verfahrensmängel oder eine unrichtige Beweiswürdigung rechtfertigen in der Regel eine Ablehnung nicht, es sei denn, die Verstöße wären so schwerwiegend, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen lassen (RIS-Justiz RS0045916, RS0046090; Mayr in Rechberger³ § 19 JN Rz 6 mwN). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens (RIS-Justiz RS0111290 [T4]).

2. Im vorliegenden Fall ergeben sich bei objektiver Prüfung keine Umstände, die den Anschein einer Voreingenommenheit der Mitglieder des abgelehnten Berufungssenats erwecken könnten. Die von ihnen in der Frage der Schlüssigkeit des Einwands des Rechtsmissbrauchs vertretene Auffassung beruhte zwar auf einer unrichtigen Rechtsansicht, doch reicht dies allein nach den zuvor aufgezeigten Grundsätzen für die Annahme eines Ablehnungsgrunds nicht aus. Die im Berufungsurteil vertretene Auffassung, jemand sei Strohmann einer Verfahrenspartei, ist Ausfluss der rechtlichen Beurteilung und keine Sachverhaltsfeststellung ohne Beweisverfahren. Schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze bei der Entscheidungsfindung, die die Objektivität der Senatsmitglieder mit Grund bezweifeln ließen, liegen entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerberin auch nicht darin, dass im Berufungsurteil als Hilfsbegründung auf ein MSch-Verfahren Bezug genommen wurde und in diesem Zusammenhang möglicherweise das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt worden ist. Aus diesem möglichen Versäumnis allein lässt sich nämlich noch nicht ableiten, den abgelehnten Richter fehle die nötige Distanz und Unbefangenheit. Anhaltspunkte dafür, der Berufungssenat werde bei seiner Entscheidung im fortgesetzten Verfahren auf einer vorgefassten Meinung beharren, anstatt die ihm vom Obersten Gerichtshof überbundene Rechtsmeinung zugrunde zu legen, sind nicht erkennbar.

3. Dass der Ablehnungssenat den Inhalt des Aufhebungsbeschlusses möglicherweise ungenau wiedergegeben hat, ändert am Ergebnis des Ablehnungsverfahrens nichts.

4. Eine Kostenersatzpflicht im Ablehnungsverfahren ist nicht vorgesehen (RIS-Justiz RS0035778). Bereits deshalb ist der Antrag auf Zuerkennung von Rekurskosten abzuweisen.

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