Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Erst- und Zweitantragsteller sind schuldig, den Antragsgegnern die mit EUR 399,74 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin EUR 66,62 USt) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Begründung
Antragsteller und Antragsgegner sind sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****, Grundstücksadresse *****.
Am 21. 3. 2006 kam ein Umlaufbeschluss zustande, in dem die Mehrheit der Mit- und Wohnungseigentümer die Erstellung einer behindertengerechten Zugangsrampe mit einem Kostenaufwand von netto ca EUR 25.000 beschloss.
Die Antragsteller hatten gegen diese Maßnahme gestimmt.
Kurz zuvor war eine Renovierung der Liegenschaft erfolgt, weshalb die Rücklage aufgebraucht ist. Aus der Generalsanierung sind Erst- und Zweitantragstellerin noch mit einer Kostentragung von EUR 4.470 belastet. Bei Durchführung des (angefochtenen) Beschlusses würden ihnen weitere Kosten von EUR 850 bis EUR 1.000 entstehen.
Schon vor der Generalsanierung war am Gebäude eine Zugangsrampe angebracht, die jedoch nicht den technischen Vorgaben entsprach, sie ist wegen Rostschäden nicht mehr gebrauchsfähig und auch nicht sanierbar. Ohne Zufahrtsrampe gelangt man über eine Eingangstreppe mit acht Stufen bei einem vorhandenen Zwischenpodest in das gegenständliche Haus. Im Haus ist eine Miteigentümerin wohnhaft, die infolge Rollstuhlabhängigkeit auf eine solche Zufahrtsmöglichkeit angewiesen ist.
Die Antragsteller und deren Familienmitglieder sind nicht auf eine Fortbewegungshilfe angewiesen.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrten Erst- und Zweitantragsteller, den bezeichneten Mehrheitsbeschluss aufzuheben, weil eine solche Rampe derzeit nicht benötigt werde, die Errichtung einer behindertengerechten Rampe zu einer unnötigen finanziellen Mehrbelastung der Miteigentümer führen würde und überdies auf dem Markt auch standardisierte Behindertenrampen angeboten würden, die gleichermaßen dem technischen Standard entsprechen.
Der Drittantragsteller und die Viertantragstellerin haben sich dem Antrag angeschlossen.
Die Erstantragsgegnerin bestritt das Begehren mit der Begründung, ein behindertengerechter Zugang würde allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereichen. Schon aus der Altersstruktur der Wohnungseigentümer ergebe sich, dass in absehbarer Zeit mehrere Personen auf Fortbewegungsmittel angewiesen sein würden. Schließlich könnten auch auf Rollstühle angewiesene Besucher oder Personen mit Kinderwägen das Haus nur schwer über die vorhandene Treppe erreichen. Letztlich stelle die gegenständliche Rampe auch eine Wertsteigerung für das gesamte Haus dar. Die vorhandene Rampe sei nicht mehr zu renovieren.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses ab.
Gegenstand des angefochtenen Mehrheitsbeschlusses sei eine nützliche Verbesserung bzw eine über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderung iSd § 29 Abs 1 WEG. Ein solcher Mehrheitsbeschluss sei über Antrag auch nur eines Wohnungseigentümers aufzuheben, wenn entweder der Antragsteller durch die beschlossene Veränderung übermäßig beeinträchtigt werde oder die Kosten der Veränderung nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten. Im letzteren Fall habe jedoch eine Aufhebung des Beschlusses dann nicht stattzufinden, wenn der gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen werde, oder, wenn es sich um eine Verbesserung handle, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereiche. Hier sei von einem eindeutigen Vorteil für alle Wohnungseigentümer auszugehen. Die individuelle Kostenbelastung verliere an Gewicht, wenn mit der Verbesserung neben einer besseren Benützbarkeit auch eine Wertsteigerung sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte verbunden sei. Von einer übermäßigen Beeinträchtigung der überstimmten Antragsteller könne keine Rede sein.
Einem dagegen vom Erst- und Zweitantragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die Antragsteller keine übermäßige finanzielle Beeinträchtigung durch die in Frage stehende Maßnahme behauptet hätten. Sie hätten nur auf erhebliche finanzielle Belastungen hingewiesen. Dass diese infolge ihrer beschränkten finanziellen Möglichkeiten eine übermäßige Beeinträchtigung darstellten, sei nicht behauptet worden. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Antragsteller in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten würden.
Im Weiteren teilte das Rekursgericht die Rechtsansicht des Erstgerichtes, dass die beschlossene Errichtung einer behindertengerechten Zugangsrampe allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereiche. Bei dieser Beurteilung sei nach der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen, sodass es nicht darauf ankomme, wieviele Wohnungseigentümer konkret zum jetzigen Zeitpunkt eine solche Zugangsrampe benötigten. Schließlich bestehe jederzeit die Möglichkeit, dass einer der Wohnungseigentümer aufgrund eines Unfalls oder einer ihn treffenden Erkrankung auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen sei. Schon infolge zunehmenden Alters ergebe sich eine Notwendigkeit der Benützung der Zugangsrampe anstelle der Stufen. In der Rechtsprechung sei auch bereits die Überwindung von sechzehn Stufen zur niedrigstgelegenen Wohnung eines Hauses durch einen Lift als allen Miteigentümern zum Vorteil gereichend angesehen worden (wobl 1999/159). Das gelte auch für eine zeit- und zweckmäßige Errichtung einer behindertengerechten Auffahrtsrampe zu einem Hochhaus.
Damit lägen die Voraussetzungen für eine Aufhebung des angefochtenen Mehrheitsbeschlusses weder nach § 29 Abs 2 Z 1 noch Z 2 WEG vor.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand EUR 10.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen sei. Die Frage, ob die Errichtung einer behindertengerechten Zufahrtsrampe zu einem Wohnungseigentumsobjekt mit einer größeren Zahl von Wohnungen eine allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereichende Maßnahme darstelle, gehe in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Antragsstattgebung.
Die Antragsgegner beantragten, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsteller erweist sich als zulässig, weil noch keine ausreichende Rechtsprechung zum Begriff des „eindeutigen" Vorteils aller Wohnungseigentümer iSd § 29 Abs 2 Z 3 WEG vorliegt.
Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.
Beschließt die Mehrheit der Wohnungseigentümer gemäß § 29 Abs 1 WEG eine Veränderung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die über die in § 28 WEG genannten Angelegenheiten hinausgeht, wie hier eine nützliche Verbesserung durch Errichtung einer behindertengerechten Zugangsrampe, kann jeder der Überstimmten dagegen binnen drei Monaten das Gericht anrufen.
Der in § 29 Abs 2 Z 1 WEG normierte Aufhebungsgrund liegt nicht vor, weil nicht erwiesen ist, dass die Veränderung die Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde.
Allerdings können die Kosten der Veränderung nicht aus der Rücklage gedeckt werden, was den Aufhebungsgrund des § 29 Abs 2 Z 2 WEG herstellen könnte.
§ 29 Abs 3 WEG schließt jedoch diesen Aufhebungsgrund aus, wenn entweder der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird, was hier nicht der Fall ist, oder, wenn es sich um eine Verbesserung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht.
Im Revisionsrekursverfahren steht nur mehr in Frage, ob die Errichtung des behindertengerechten Zugangs eines Hauses mit immerhin 54 Wohnungseigentümern allen eindeutig zum Vorteil gereicht, obwohl derzeit nur eine Wohnungseigentümerin auf die Benützung einer solchen Rampe mit einem Rollstuhl angewiesen ist. Dass es um eine über die Erhaltung hinausgehende bauliche Veränderung iSd § 29 Abs 1 WEG 2002 geht, ist kein Streitpunkt.
Schon im Geltungsbereich des § 14 Abs 3 WEG 1975 idF des 3. WÄG war zu beurteilen, ob eine Verbesserung allen Miteigentümern zum Vorteil gereicht. Unter Berücksichtigung, dass mit der Änderung des § 14 Abs 3 WEG 1975 durch das 3. WÄG die Durchführung mehrstimmig beschlossener Veränderungen eher erleichtert als erschwert werden sollte (vgl 5 Ob 93/95 = SZ 68/149) und der überstimmte Miteigentümer behauptungs- und beweispflichtig für eine erhebliche Beeinträchtigung ist (vgl 5 Ob 157/02b), wurde bei Beurteilung dieser Frage stets ein objektiver Maßstab angelegt (vgl 5 Ob 159/97m; 5 Ob 490/97p; 5 Ob 124/99t = SZ 72/102; zuletzt 5 Ob 296/05y). Dabei wurden Umstände als maßgeblich angesehen, die die bessere Benützbarkeit des Wohnobjektes bewirkten oder eine Wertsteigerung der Wohnungseigentumsobjekte insgesamt mit sich brachten (RIS‑Justiz RS0112139). Ein im konkreten Entscheidungszeitpunkt nicht vorhandenes subjektives Interesse des die Änderung ablehnenden Wohnungseigentümers an der konkreten Benützung etwa eines neu geschaffenen Abstellplatzes sollte die objektive Betrachtung nicht beeinflussen. Schließlich sei auch nicht auszuschließen, dass diese Wohnungseigentümer selbst oder ihr Rechtsnachfolger einmal konkretes Interesse an der Verwendung eines solchen Abstellplatzes hätten (vgl 5 Ob 159/97m).
Die Revisionsrekurswerber meinen, dass wegen der Einfügung des Wortes „eindeutig" bei der durch § 29 WEG 2002 geschaffenen Rechtslage ein anderes Verständnis erforderlich wäre.
Den Materialien zum WEG 2002 (GP XXI RV 989) kann dazu entnommen werden, dass der Gesetzgeber zum einen uneingeschränkt der zu § 14 Abs 3 WEG 1975 idF des 3. WÄG ergangenen Judikatur zustimmte und „im Sinn dieser Judikatur" bei fehlender Deckung der Kosten in der Rücklage die Regelung „insoweit strenger" fasste, als „nur ein eindeutiger Vorteil aller Miteigentümer ausreicht".
Damit ist jedoch entgegen der Ansicht der Revisionsrekurswerber kein Abgehen von der dargestellten objektiven Betrachtungsweise geboten, sondern nur das Erfordernis statuiert, die Maßnahme müsse allen einen klaren Vorteil bringen. In diesem Zusammenhang ist die von Dirnbacher WEG idF WRN 2006, 288, vertretene Ansicht, auf die sich der Revisionsrekurs bezieht und nach der „vermutlich nahezu jeder Anwendungsbereich endgültig verschlossen" sein soll, abzulehnen.
Der vorliegende Fall zeigt deutlich, dass das von den Antragstellern vertretene Verständnis dieser Bestimmung dazu führen würde, dass die Errichtung eines behindertengerechten Zugangs zu einem Haus bei mangelnder Kostendeckung in der Rücklage von der Mehrheit nur dann beschlossen werden dürfte, wenn alle Wohnungseigentümer auf einen solchen Zugang angewiesen wären. Dass die Antragsteller und fast alle übrigen Wohnungseigentümer derzeit nicht auf einen behindertengerechten Zugang angewiesen sind, wäre nur bei subjektiver Betrachtungsweise des eindeutigen Vorteils maßgeblich. In solchen Fällen würde es aber ohnedies nicht zu einem Mehrheitsbeschluss kommen; es würden wohl alle Wohnungseigentümer der Veränderung zustimmen.
Es hat also auch nach neuer Rechtslage bei der objektiven Betrachtungsweise zu bleiben.
Die mit einer Werterhöhung aller Wohnungseigentumsobjekte verbundene erleichterte Zugangsmöglichkeit des Hauses für Behinderte, Rollstuhlfahrer, Kinderwägen, Einkaufswägen, Fahrräder und dergleichen lässt es zu, von einem eindeutigen Vorteil für alle Wohnungseigentümer auszugehen, mögen sie derzeit auf eine derart erleichterte Benützbarkeit angewiesen sein oder nicht. Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, kann es jedem Einzelnen geschehen, dass er durch Unfall oder Krankheit auf eine derart behindertengerechte Zugangsmöglichkeit angewiesen ist. Es wäre verfehlt, die Wirkung von Mehrheitsbeschlüssen und der damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen ausschließlich nach ihrem gegenwärtigen konkreten Nutzen zu beurteilen, ohne dabei zukünftige Notwendigkeiten zu bedenken.
Aus den dargestellten Gründen muss die Beschlussanfechtung durch die Antragsteller erfolglos bleiben.
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG.
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