OGH 6Ob225/07t

OGH6Ob225/07t7.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. E. Solé als weitere Richter in in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Robert G*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Klasnic, Rechtsanwalt in Judendorf-Straßengel, gegen die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Georg G*****, vertreten durch Schüssler & Schuster Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Wolfsberg, wegen EUR 72.000 sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 23. August 2007, GZ 2 R 116/07g-17, womit der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 26. Juni 2007, GZ 50 Cg 14/07t-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 402 Abs 4, § 78 EO, § 508a Abs 2 Satz 2und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt vom Beklagten EUR 72.000,- s.A. Zur Zuständigkeit beruft er sich auf den durch den Besitz mehrerer Liegenschaften im Inland begründeten Vermögensgerichtsstand des Beklagen, der in Barbados als Hotelmanager seinen ordentlichen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt habe. Mit der Klage verband der Kläger den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, dem Beklagten die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung mehrerer - im Einzelnen näher bezeichneter - Liegenschaften zu verbieten und dieses Verbot im Lastenblatt anzumerken. Der Anspruch des Klägers sei objektiv gefährdet, verfüge der Beklagte doch abgesehen von diesen Liegenschaften im Inland über kein wesentliches Vermögen. Nachdem die Liegenschaft „mit Aufwendungen verbunden" sei, sei „davon auszugehen", dass der Beklagte sie veräußere und den Erlös an seinen Wohnort schaffe oder verbrauche.

Das Erstgericht erließ zunächst die beantragte einstweilige Verfügung, hob sie jedoch in der Folge über Widerspruch des Beklagten auf. Nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt lebt der Beklagte derzeit als Hotelmanager in Barbados. Eine Versetzung nach Wien oder in die Schweiz in absehbarer Zeit ist nicht unwahrscheinlich. Der Beklagte hat nicht die Absicht, die Liegenschaften zu verkaufen, sondern will sie auf Dauer behalten und für Urlaube nutzen; er will später einmal im Ruhestand zumindest teilweise dort wohnen und letztlich die Liegenschaften seinen Kindern übergeben. Das Wohnhaus hat er auch bereits zu renovieren begonnen. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, es müssten nach § 379 Abs 2 Z 2 EO konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sein, die es wahrscheinlich machten, dass ohne die Provisorialmaßnahme im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Urteils im Inland keine befriedigungstauglichen Vermögenswerte mehr zur Verfügung stünden und die Vollstreckung im Ausland erforderlich wäre. Diese Voraussetzungen fehlten hier.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Mangels Gefahrenbescheinigung habe das Erstgericht zutreffend die einstweilige Verfügung aufgehoben. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil Rechtsfragen „von übergeordneter Bedeutung" nicht vorlägen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist nicht zulässig.

1. Die Regelung des § 379 Abs 2 Z 2 EO wurde durch die 6. GEN eingeführt (Materialien bei Weiser, Gerichtsentlastungsnovelle 36 Anm 45a; vgl auch Kößler, Die einstweilige Verfügung im Rahmen des Entwurfes einer sechsten Gerichtsentlastungsnovelle, NZ 1929, 78). Maßgeblich war dabei die Überlegung, dass es bei der „heutigen internationalen Ausgestaltung des Verkehres" für den Inländer oft unvermeidlich sei, „Kredit in das Ausland zu gewähren". Vorbild waren auch ausländische Rechtsordnungen, insbesondere § 917 dZPO, wonach der dingliche Arrest stattfindet, „wenn zu besorgen ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde".

2. Die Auffassung der Vorinstanzen, der Antragsteller müsse konkrete Umstände behaupten und bescheinigen, die es wahrscheinlich machen, dass ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Urteils keine befriedigungstauglichen Vermögensobjekte im Inland und in den anderen in § 379 Abs 2 Z 2 EO genannten Staaten zur Verfügung stünden, entspricht der herrschenden Lehre (E. Kodek in Angst, EO § 379 Rz 12) und Rechtsprechung (JBl 1979, 323; MietSlg 35.879 ua). Nach neuerer Auffassung genügt - entgegen einzelnen Stimmen der älteren Lehre (Kininger, Einstweilige Verfügungen zur Sicherung von Rechtsverhältnissen 19 FN 9; weitere Nachweise bei Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 255 FN 100; ebenso in neuer Zeit König, Einstweilige Verfügungen³ Rz 3/10) - die abstrakte Möglichkeit einer Auslandsexekution nicht; vielmehr ist die Gefahr einer Auslandsexekution nur anzunehmen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Exekutionsobjekte oder Personen, auf die zur Hereinbringung der Leistung gegriffen werden müsste, ins Ausland verbracht werden bzw sich dorthin begeben wollen (Konecny, aaO 255 f mwN; so schon JBl 1979, 323; 5 Ob 628/80 ua).

3.1. Anerkannt ist auch, dass dann, wenn der Gegner der gefährdeten Partei - wie im vorliegenden Fall - im Inland ausreichendes Vermögen besitzt und kein Grund zur Annahme besteht, dass dieses Vermögen dem Zugriff des Gläubigers entzogen werden könnte, die Voraussetzungen des § 379 Z 2 EO fehlen (E. Kodek aaO; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung § 379 EO Rz 3, S 122 ff; SZ 15/224; JBl 1952, 348; 4 Ob 549/70; JBl 1979, 323; 4 Ob 505/80; 5 Ob 545/80; EvBl 1984/126; 7 Ob 543/85; 2 Ob 546/89; SZ 62/44; AnwBl 1991, 742).

3.2. Auch die vom Revisionsrekurswerber zitierte Entscheidung 1 Ob 2009/96i geht davon aus, dass dem Erfordernis der Gefährdung durch die Notwendigkeit einer Vollstreckung im Ausland nur dann entsprochen ist, wenn konkrete Umstände behauptet und bescheinigt werden, die es wahrscheinlich machen, dass ohne Bewilligung der einstweiligen Verfügung im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Urteils keine befriedigungstauglichen Vermögensobjekte im Inland mehr zur Verfügung stünden. Dies entspricht auch der Auffassung von Zechner (aaO § 379 EO Rz 3, S 122). Demnach ist die objektive Gefährdung verwirklicht, wenn die gefährdete Partei konkrete Umstände für die Notwendigkeit einer Auslandsvollstreckung des Exekutionstitels in einem Staat, der nicht Mitglied des EuGVÜ oder LGVÜ ist (oder in EuGVVO-Staaten [König, Einstweilige Verfügungen3 Rz 3/11]), bescheinigt. Sicherungsmaßnahmen sind daher möglich, wenn - ohne Erlassung der EV - zu besorgen sei, dass im Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels kein befriedigungstaugliches Vermögen des Schuldners mehr im Inland sein wird (Konecny, aaO 256; JBl 1979, 323; 10 Ob 1587/95; 6 Ob 512, 513/95; 1 Ob 2009/96i).

3.3. Auch für den vergleichbaren Fall der Sicherstellungsexekution entspricht es völlig herrschender Auffassung, dass die Gefahr bestehen muss, dass der inländische Gegenstand der Exekution ohne die Exekution zur Sicherstellung dem Zugriff des betreibenden Gläubigers entzogen wird (Heller/Berger/Stix III 2647). Zechner (aaO § 370 EO Rz 5) weist ausdrücklich darauf hin, dass der Gefährdungstatbestand nach § 370 EO zu bescheinigen ist.

3.4. Dem Revisionsrekurs ist zuzugeben, dass Teile der Rechtsprechung und Lehre bei der Prüfung, ob ausreichendes inländisches Vermögen vorhanden ist, jenes Vermögen, auf das sich die begehrte einstweilige Verfügung beziehen soll, ausklammern (JBl 1979, 323; RIS-Justiz RS0004646). Demnach liegt die Voraussetzung der §§ 370, 379 Abs 2 Z 2 EO nicht vor, wenn der im Ausland lebende Gegner der gefährdeten Partei im Inland ausreichendes Vermögen besitzt und kein Grund zur Annahme besteht, dass dieses Vermögen dem Zugriff des Gläubigers entzogen werden könnte. Diese Voraussetzung sei nur gegeben, wenn der Gegner der gefährdeten Partei außer dem Vermögensobjekt, auf das sich die beantragte einstweilige Verfügung bezieht, im Inland kein weiteres befriedigungstaugliches Vermögen hat. Abgesehen davon, dass die herrschende Lehre eine derartige Einschränkung nicht kennt (E. Kodek aaO; Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 379 Rz 13), ergibt sich daraus jedoch nur, dass das Fehlen sonstigen befriedigungstauglichen Vermögens notwendige Bedingung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 379 Abs 2 Z 2 EO ist, nicht jedoch, dass es sich dabei um eine hinreichende Bedingung handelte, die bereits für sich genommen ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach der zitierten Gesetzesstelle rechtfertigen würde.

3.5. Außerdem betrifft diese Judikaturlinie offenbar ganz überwiegend Forderungen, insbesondere Bankkonten, die besonders leicht ins Ausland zu transferieren sind (vgl Konecny, Der Anwendungsbereich der einstweiligen Verfügung 255). Auf unbewegliches Vermögen lässt sich diese Überlegung aber nicht übertragen (vgl auch Konecny aaO). Schon in der Entscheidung JBl 1979, 323 wurde die Bescheinigung der Voraussetzungen des § 379 Abs 2 Z 2 EO hinsichtlich der dort Gegenstand des Antrags bildenden Liegenschaften als nicht erbracht angesehen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung zur Vorbildbestimmung des § 917 dZPO zu verweisen. Dort wird vertreten, dass gerade dann keine Gefahr der Auslandsvollstreckung besteht, wenn inländischer Grundbesitz vorliegt (Vollkommer in Zöller, ZPO26 § 917 Rz 16 mwN).

4. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Beklagte nicht die Absicht, die Liegenschaften, hinsichtlich derer der Revisionsrekurswerber ein Belastungs- und Veräußerungsverbot im Wege einer einstweiligen Verfügung anstrebt, zu verkaufen, sondern beabsichtigt vielmehr, die Liegenschaften als Wohnsitz in der Pension zu nutzen. Damit steht aber für den Obersten Gerichtshof, der auch im Provisorialverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz ist (4 Ob 181/99t ua), bindend fest, dass schon auf der Tatsachenebene die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 379 Abs 2 Z 2 EO nicht vorliegen.

5. Der Revisionsrekurswerber bringt somit keine Rechtsfragen der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der außerordentliche Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war. Dabei war für die vor Freistellung erstattete Revisionsrekursbeantwortung kein Kostenersatz zuzuerkennen (§ 402 Abs 4, § 78 EO, § 508a Abs 2 Satz 2und § 521a Abs 2 ZPO).

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