OGH 13Os123/07y

OGH13Os123/07y7.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. November 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Halil Ibrahim V***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Jugendschöffengericht vom 14. Juni 2007, GZ 23 Hv 96/07k-29, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem zu I/A/5, 6, 8 und 9 ergangenen Schuldspruch, in der rechtlichen Unterstellung der zu I/A/3, 4, 7, 10, 11 und 12 genannten Taten unter § 147 Abs 1 Z 1 StGB, in der nach § 29 StGB in Betreff der Betrugstaten gebildeten Subsumtionseinheit des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB (I/A), demnach auch im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung, und der zugleich ergangene Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen. Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die auf seine erfolglose Nichtigkeitsbeschwerde entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Halil Ibrahim V***** der Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er

A) (zusammengefasst wiedergegeben) im Zeitraum Juni 2005 bis 2. Mai 2007 in Innsbruck, Hall in Tirol und Linz mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von (qualifizierten) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in 15 detailliert angeführten Fällen Verfügungsberechtigte von namentlich bezeichneten Beherbergungsbetrieben durch Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Gewährung von Kost, Logis und anderen Leistungen (Pay-TV, Telefon) verleitet, wodurch diese Beherbergungsbetriebe und die H***** AG um insgesamt 1.907,25 Euro am Vermögen geschädigt wurden, wobei er zur Täuschung in mehreren Fällen „falsche Urkunden", nämlich von ihm mit unrichtigem Namen und sonstigen unrichtigen Angaben versehene und unterfertigte Gästeblätter, in anderen Fällen falsche Beweismittel, nämlich von ihm mit unrichtigen „Daten" versehene Gästeblätter benützte,

B) in Innsbruck und Hall in Tirol fremde bewegliche Sachen mit auf

unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, weggenommen, und zwar:

1. am 12. April 2007 Berechtigten des Hotels C***** ein Fernsehgerät im Wert von 370 Euro,

2. am 17. April 2007 Berechtigten des Hotels H***** zwei LCD-Fernsehgeräte im Wert von 756 Euro,

3. am 28. April 2007 Berechtigten des P***** ein Notebook im Wert von 500 Euro und zwei key-cards unerhobenen Wertes sowie

4. am 19. und 30. April 2007 sowie zu einem anderen nicht näher bekannten Zeitpunkt im April 2007 Berechtigten des Hotels B***** und des Hotels K***** drei Zimmerschlüssel unerhobenen Wertes.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell auf § 281 Abs 1 Z 10 (inhaltlich vorwiegend Z 5) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Dem Beschwerdeeinwand zuwider ist dem Urteil eindeutig zu entnehmen, dass die Tatrichter zufolge Täuschung unter Verwendung von mit falschen Daten versehenen und in sieben Fällen auch mit falschen Namen unterzeichneten Gästeblättern nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB qualifizierte Betrügereien angenommen haben.

Die gegen die gewerbsmäßige Begehung gerichtete Behauptung fehlender Feststellungen, „inwieweit tatsächlich im jeweiligen Tatzeitpunkt eine Notsituation des Angeklagten vorlag", übergeht prozessordnungswidrig die Konstatierungen zum Ausschluss einer solchen Notsituation (US 14). Die unsubstatiierte Kritik an der Begründung dieser Annahme, wonach nämlich die Inanspruchnahme von Zusatzleistungen (Telefonate, Pay-TV und Getränke aus der Zimmerbar) mit einer Notlage nicht erklärbar wäre (US 16), greift bloß unzulässig einen Teil der dem für die Subsumtion wesentlichen Ausspruch gewerbsmäßiger Begehung zugrunde liegenden Beweiswürdigung (US 15 ff) an, womit sie sich in deren Bekämpfung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung erschöpft.

Schließlich hat der Schöffensenat entgegen der weiteren Argumentation ohnedies dargelegt, weshalb der Umstand, „dass der Angeklagte zwischen den gegenständlichen Einmietungen bezahlt hat" (US 16), den (mängelfrei auf das äußere Tatgeschehen, die Vielzahl der Angriffe, das geringe Einkommen des Angeklagten und die Inanspruchnahme von Zusatzleistungen gegründeten) Feststellungen zur inneren Tatseite nicht entgegensteht (US 15 f), und spricht der Beschwerdeführer auch mit der auf die urteilsferne Prämisse einer Notlage gegründeten Mutmaßung, „dass in einem Fall aus zwei angemieteten Zimmern zwei Bildschirme entwendet wurden, begründet deshalb für sich genommen auch nicht, dass dies geschah, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen", kein Verfahrensergebnis an, das für ihn günstigere Schlussfolgerungen zugelassen hätte.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch von zweifach unrichtiger Anwendung des materiellen Strafrechts überzeugt und sich zu kassatorischer Entscheidung in diesem Umfang (einschließlich der darauf beruhenden Sanktionierung) veranlasst gesehen (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter SatzStPO). Bei den zu I/A/5, 6, 8 und 9 genannten Taten hat der Angeklagte die Rechnung der jeweiligen Beherbergungsbetriebe durch Zahlung unter Verwendung einer Bankomatkarte beglichen und solcherart keinen täuschungsbedingten Schaden verursacht. Statt dessen wurde mangels entsprechender Bedeckung das kontoführende Institut geschädigt, sodass Betrug ausscheidet. Für die in Frage kommende Untreue aber fehlt es an den dafür erforderlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, sodass eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist (vgl RIS-Justiz RS0088858, RS0094498; Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 153 Rz 24, 38).

Nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB ist nur derjenige strafbar, welcher eines oder mehrere der dort genannten Beweismittel oder ein unrichtiges Messgerät nicht bloß anlässlich, vielmehr just zur Täuschung benützt. Durch das Ausfüllen und die Weitergabe von Gästeblättern in Beherbergungsbetrieben werden diese Urkunden jedoch nicht als Täuschungsmittel verwendet, vielmehr gegebenenfalls bloß anlässlich einer auf andere Weise unternommenen Täuschung hergestellt, auch wenn das Ausfüllen nicht in Anwesenheit eines Angestellten des Betriebes geschieht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die benützte Urkunde zur Erfüllung der Qualifikationsvoraussetzung des § 147 Abs 1 Z 1 StGB nicht in concreto täuschungskausal sein muss. Das bloße Ausfüllen eines Gästeblatts mit falschen Angaben hat keinerlei Täuschungseignung, wäre mithin zur Täuschung nach der Art der Handlung ohnehin nicht mehr geeignet als eine bloß dem Grundtatbestand entsprechende Täuschungshandlung (vgl § 15 Abs 3 StGB; vgl demgegenüber 11 Os 158/93, JBl 1995, 63 unter irriger Berufung auf SSt 51/16).

Demnach war hinsichtlich der zu I/A/3, 4, 7, 10, 11 und 12 genannten Taten die Unterstellung nach § 147 Abs 1 Z 1 StGB als nichtig in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 10 StPO - ersatzlos - aufzuheben. Bleibt darauf hinzuweisen, dass mangels automationsunterstützter Angaben vorliegend auch Datenbetrug nach § 147 Abs 1 Z 1 dritter Fall ausscheidet (vgl Kienapfel/Schmoller BT II Studienbuch § 147 Rz 39, Kirchbacher/Presslauer in WK2 § 147 [2006] Rz 28b). Die getroffenen Maßnahmen führen auch zur Aufhebung der zu I/A gebildeten Subsumtionseinheit des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall StGB. Im nachfolgenden Rechtsgang wird nach Maßgabe der verbliebenen Betrugstaten erneut eine derartige Subsumtionseinheit zu bilden sein. Berufung und Beschwerde des Angeklagten sind damit gegenstandslos. Die - nur die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde, nicht die getroffene amtswegige Maßnahme umfassende (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12) - Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte