OGH 10ObS127/07k

OGH10ObS127/07k6.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen des Klägers Rudolf G*****, vertreten durch Dr. Edeltraud Fichtenbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente und Pflegegeld, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. August 2007, GZ 9 Rs 102/07x-27, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Soweit in der Revision ein schon in der Berufung geltend gemachter angeblicher Mangel des Verfahrens erster Instanz (unterlassene Beischaffung des den Kläger betreffenden Pensionsaktes) gerügt wird, dessen Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, kann dieser nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes mit Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (Klauser/Kodek, ZPO16 § 503 ZPO E 36 ff mwN).

Wenn der Kläger eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO im Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Vorliegens einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 183 ASVG in einer vergleichbaren Fallkonstellation erblickt, ist zunächst ganz allgemein darauf hinzuweisen, dass § 183 ASVG nach ständiger Rechtsprechung die Möglichkeit einer Neufeststellung der Versehrtenrente regelt und für diesen Bereich bezüglich der Entziehung eine Sonderbestimmung gegenüber der allgemeinen Regelung des § 99 ASVG darstellt. Danach hat die Neufeststellung (bzw Entziehung) der Versehrtenrente zu erfolgen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung einer Rente maßgebend waren, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Der Leistungsentzug setzt daher (wie auch nach § 99 ASVG) eine entscheidende Änderung in den Verhältnissen voraus, wobei für den anzustellenden Vergleich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Leistungszuerkennung mit den Verhältnissen im Zeitpunkt des Leistungsentzuges in Beziehung zu setzen sind. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse kann dabei unter anderem in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes, auch im Abklingen akuter Symptome oder in der Gewährung oder Anpassung an den Leidenszustand liegen. Nicht gerechtfertigt ist ein Leistungsentzug, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Leistungsvoraussetzungen von vornherein gefehlt haben. Haben die objektiven Grundlagen für die Leistungszuerkennung keine wesentliche Änderung erfahren, so steht die Rechtskraft des Gewährungsbescheides der Entziehung entgegen (SSV-NF 12/7 mwN ua). In Übereinstimmung mit den dargelegten Grundsätzen hat bereits das Berufungsgericht auf die zur vergleichbaren Problematik der Entziehung von Pensionsleistungen (§ 99 ASVG) im Anschluss an Krebserkrankungen ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes verwiesen, wonach in einer jahrelangen Rezidivfreiheit hinsichtlich des Karzinoms und in einer positiven Änderung des Allgemeinzustandes eine wesentliche Besserung des körperlichen Zustandes und somit der objektiven Grundlagen der seinerzeitigen Leistungszuerkennung erblickt werden kann (vgl SSV-NF 12/99; 10 ObS 196/90; 10 ObS 123/90; 10 ObS 55/89). Nach den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen lag der mit rechtskräftigem Bescheid der beklagten Partei vom 22. 10. 2002 seinerzeit erfolgten Gewährung einer Dauerrente infolge Berufskrankheit im Ausmaß einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 vH ab 17. 4. 2002 eine krankheitsbedingte Funktionseinschränkung der Lunge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vH zugrunde. Mit einer weiteren Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 vH wurden damals die besonderen Aspekte in der Genesungszeit nach der am 4. 10. 1999 erfolgten Operation des Bronchialkarzinoms berücksichtigt, nämlich dass der Kläger durch die hohe Rezidivwahrscheinlichkeit innerhalb von fünf Jahren und die damit für ihn verbundene sehr schlechte Überlebensprognose psychisch belastet war und bei ihm auf Grund der Krebserkrankung eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit bestand, weshalb er sich wegen ständiger schmerzhafter Vernarbungs- und Anpassungsbeschwerden schonen musste. Während die lungenfunktionsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit zum Zeitpunkt der von der beklagten Partei mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Bescheid ausgesprochenen Leistungsherabsetzung weiterhin 40 vH beträgt, ist beim Kläger mehr als fünf Jahre nach der Operation eine Schonungsnotwendigkeit nur mehr im geringen Umfang gegeben, da nunmehr vom Vorliegen einer fertigen Narbenbildung sowie einer entsprechenden organischen Anpassung an die geänderten Drücke und Flüsse auszugehen ist. Gerade nach Tumoroperationen bedarf es nämlich nicht nur eines günstigen Heilungsverlaufes unmittelbar nach der Operation, sondern darüber hinaus auch einer gewissen Zeit der Beobachtung, ob diese Operation auch erfolgreich war und keine Rezidiverkrankungen auftreten. Wenn daher das Berufungsgericht bei der geschilderten Sachlage die jahrelange Rezidivfreiheit des Klägers sowie die Besserung seines (häufig auch durch psychische Komponenten bedingten) Allgemeinzustandes (geringere Schonungsbedürftigkeit) als eine wesentliche Besserung seines Gesundheitszustandes und somit der objektiven Grundlagen der seinerzeitigen Leistungszuerkennung beurteilte, bewegt sich diese Einschätzung durchaus im Rahmen der bereits zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes in vergleichbaren Fällen. Es ist dabei auch ohne Bedeutung, dass die lungenfunktionsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit gegenüber dem Zeitpunkt der Leistungszuerkennung unverändert geblieben ist und die Änderung des maßgebenden Gesamtzustandes daher nur auf eine Besserung im Allgemeinbefinden des Klägers zurückzuführen ist, da es nicht erforderlich ist, dass in allen Bereichen eine Besserung oder Änderung des Gesundheitszustandes eintritt (vgl 10 ObS 359/90). Soweit der Kläger demgegenüber geltend macht, es stehe nicht fest, dass seine nach der Operation erhöhte Schonungsbedürftigkeit für die seinerzeitige Gewährung der Versehrtenrente im Ausmaß von 100 vH ausschlaggebend gewesen sei, entfernt er sich in unzulässiger Weise von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen.

Die außerordentliche Revision des Klägers musste daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen werden.

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