OGH 7Ob227/07v

OGH7Ob227/07v29.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.‑Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****aktiengesellschaft, ***** (nunmehr N***** AG, *****), vertreten durch Dr. Hanns Christian Baldinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Elisabeth Messner, Rechtsanwältin in Wien, wegen EUR 14.373,35 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 23. April 2007, GZ 14 R 13/07w‑12, mit dem das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 8. November 2006, GZ 7 Cg 31/06i‑8, infolge Berufung der klagenden Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 812,52 (darin enthalten EUR 135,42 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Für den vorliegenden Regressprozess der Klägerin als Haftpflichtversicherer eines Anhängers und der Beklagten als Haftpflichtversicherer einer Zugmaschine (Traktor) ist die Auslegung der Wortfolge „Versicherungsfälle, die nicht mit dem Ziehen des Anhängers durch ein Kraftfahrzeug zusammenhängen" in Art 21 Pkt. 2.1. AKHB 2004 entscheidend. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil hiezu eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die von der Klägerin gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:

Die Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren. Die einzelnen Klauseln sind objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS‑Justiz RS0008901), wobei stets der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen ist (RIS‑Justiz RS0050063). Das Berufungsgericht, das sich der Auffassung des Erstgerichtes anschloss, der vorliegende Versicherungsfall hänge im Sinn des Art 21 Pkt. 2.1. AKHB 2004 nicht mit dem Ziehen des Anhängers durch den Traktor zusammen, ist diesen in ständiger Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen gefolgt. Zwar ist die Auslegung von Versicherungsbedingungen, zu denen - wie hier - nicht bereits oberstgerichtliche Judikatur existiert (die auch Art 21 Pkt. 2 AKHB betreffende Entscheidung 2 Ob 19/91 ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar), im Hinblick darauf, dass sie in aller Regel einen größeren Personenkreis betreffen, grundsätzlich revisibel. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung allerdings nicht, wenn die betreffende Bestimmung so eindeutig ist, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung in Betracht kommt (RIS‑Justiz RS0121516).

Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Der Zusammenhang des Versicherungsfalles mit dem Ziehen des Anhängers durch ein Kraftfahrzeug erschöpft sich hier darin, dass der Anhänger, der sich auf der abschüssigen Straße selbständig in Bewegung setzte, drei Tage zuvor mit dem Traktor an diese Stelle gebracht wurde und von dort auch wieder weggebracht werden sollte. Dies genügt nach dem Verständnis eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers aber noch nicht, um den durch ein selbständiges Wegrollen ausgelösten Versicherungsfall auf den Vorgang des Ziehens des Anhängers durch den Traktor zurückzuführen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin kann auch die bloße Absicht, einen Anhänger nur vorübergehend abzustellen und dann - sei es auch mit demselben Zugfahrzeug - wieder abzuholen, einen Kausalzusammenhang im Sinn der genannten Versicherungsbedingung zwischen dem „Zugvorgang" und dem Wegrollen des Anhängers, weil sich dessen Bremse löste, nicht herstellen. Ließe man es genügen, dass ein Anhänger vor dem Versicherungsfall von einem Kraftfahrzeug gezogen wurde oder danach wieder gezogen werden soll, wäre - wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - eine Deckung aus der Haftpflichtversicherung des Zugfahrzeuges regelmäßig zu bejahen und der Anwendungsbereich einer Anhänger‑Haftpflichtversicherung sehr stark eingeschränkt. Dass Kollisionsschäden, die von einem (zumal schon drei Tage lang) vom Zugfahrzeug abgekoppelten Anhänger, der sich auf einem abschüssigen Straßenstück selbständig in Bewegung setzt, verursacht werden, nicht mit dem Ziehen des Anhängers durch ein Kraftfahrzeug zusammenhängen, liegt auf der Hand und kann nicht ernsthaft bezweifelt werden. Daran vermögen auch die - für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer keineswegs naheliegenden - Überlegungen der Revisionswerberin zum Vorliegen eines Betriebsunfalles im Sinn des § 1 EKHG (insbesondere dass auch ein zum Entladen abgestellter Anhänger noch „in Betrieb" sei [SZ 41/73; vgl ZVR 1971/55]) nichts zu ändern.

Da die Klausel des Art 21 Pkt. 2.1. AKHB 2004 nach Wortlaut, Sinn und Zweck von einem durchschnittlich versierten Versicherungsnehmer in einem Schadensfall wie dem vorliegenden nicht anders als im Sinn der Interpretation des Berufungsgerichtes verstanden werden kann, ist die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin ausdrücklich hingewiesen.

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