OGH 15Os107/07k

OGH15Os107/07k11.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ihsan Ö***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 4. Mai 2007, GZ 43 Hv 13/06x-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ihsan Ö***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt im Sommer 2001, 2002 oder 2003 in Steinabrückl dadurch, dass er mit seinem Glied zunächst in die Scheide und sodann in den Anus der am 28. April 1994 geborenen Ebru S***** eindrang, mit einer unmündigen Person den Beischlaf und eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 5a und 8 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie schlägt fehl. Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung mehrerer Beweisanträge. Ihr zuwider durfte das Schöffengericht den Antrag auf Ausforschung und Vernehmung der Zeugin „Yeter" zu Recht abweisen, vermochte der Antragsteller doch nicht darzutun, warum die begehrte Beweisaufnahme das von ihm behauptete Ergebnis - ein nunmehr rund 15-jähriges Mädchen solle sich erinnern können, dass sie vor vier bis sechs Jahren nach jedem Ballspiel im Park mit ihrer Schulkollegin gemeinsam nach Hause gegangen sei und es nie vorgekommen sei, dass ihre Spielpartnerin beim Spiel von jemandem „weggerufen" worden sei - erwarten lasse, hat doch das Verfahren weder Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Heimweg der beiden Mädchen aus dem Park noch dafür erbracht, dass die begehrte Zeugin Wahrnehmungen über das - nach den Angaben der Zeugin Ebru S***** außerhalb des Spielplatzes erfolgte (S 109f, 263) - „Wegrufen" des Tatopfers gemacht habe (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 353). Es handelte sich daher um einen reinen Erkundungsbeweis.

Dies gilt auch für den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Ridvan Ö*****, der - soweit in der Beschwerde releviert und im gegebenen Sachzusammenhang von Bedeutung - ohne diesem Vorbringen zugrunde liegende verfahrensmäßige Anhaltspunkte zum Beweis dafür geführt worden war, dass er im Sommer 2001 außerhalb der Schulzeiten ständig ganztags zu Hause anwesend gewesen sei.

Der Antrag auf Vernehmung der zum Beweis dafür, dass der Angeklagte werktags nie vor 17,30 Uhr nach Hause gekommen sei und die Zeugin am Wochenende zuhause gewesen sei, geführten Zeugin Cena A***** wiederum legte nicht dar, welche Relevanz diesen Umständen für die Schuldfrage zukommen soll, zumal keine Verfahrensergebnisse vorlagen, die eine nähere Eingrenzung der Tatzeit ermöglicht hätten.

Schließlich wurde auch der Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass Schlafstörungen der Zeugin Ebru S***** auf das „familiäre Missverhältnis ihrer Eltern" zurückzuführen seien und sie daher „um die Aufmerksamkeit" ihrer Eltern „auf sich zu ziehen, unzutreffend von einer Vergewaltigung sprach", von den Tatrichtern zu Recht abgewiesen, handelt es sich doch bei der letztgenannten begehrten Schlussfolgerung um eine Frage der richterlichen Beweiswürdigung, nicht aber um ein einem Sachverständigenbeweis zugängliches Thema. Im Übrigen wurde ohnedies das Gutachten einer - in der Hauptverhandlung auch mit den im Antrag genannten Umständen konfrontierten - psychologischen Sachverständigen zur Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit der Zeugin eingeholt, die sich mit allen in diesem Zusammenhang in ihre Sachverständigenkompetenz fallenden Fragen auseinandergesetzt hat. Der Antrag vermochte keine Gründe iSd § 126 StPO darzutun, die Anlass zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen geboten hätten. Der Mängelrüge (Z 5) zuwider blieb die Urteilsbegründung nicht unvollständig. Das Schöffengericht berücksichtigte vielmehr die Verfahrensergebnisse zum Aufenthalt des Angeklagten und seiner Familie im Sommer 2002 und Sommer 2003 (S 321 letzter Absatz) und ging von einem wahrscheinlichen Tatzeitpunkt im Sommer 2001 aus (S 323). Auch die unterschiedlichen Zeugenangaben zu diesem Thema blieben nicht unbeachtet (S 321 f). Einer detaillierteren Erörterung bedurfte es schon in Hinblick auf das in § 270 Abs 2 Z 5 StPO normierte Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe nicht. Verfahrensergebnisse über das Verhalten des Tatopfers gegenüber der Familie des Angeklagten nach der Tat wurden im Urteil berücksichtigt (S 315 letzter Absatz). Weil Gegenstand des Zeugenbeweises nur Tatsachenwahrnehmungen, nicht aber Meinungen von Zeugen sein können, bedurfte die Äußerung der Zeugin Burcak S***** zur Beweissituation nach der Untersuchung ihrer Tochter keiner Erörterung. Die in der Beschwerde aufgezeigte, jedoch nicht mit einem Antrag auf Urteilsangleichung relevierte Divergenz hinsichtlich der Tatzeit zwischen verkündetem und ausgefertigten Urteil betrifft im konkreten Fall keinen für die Schuld- und Subsumtionsfrage bedeutsamen Tatumstand iSd § 260 Abs 1 Z 1 StPO, weshalb der Sache nach geltend gemachte Nichtigkeit aus Z 3 nicht vorliegt und es auch keiner Aufklärung nach § 285 f StPO über den tatsächlich verkündeten Tatzeitpunkt bedarf.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit den Hinweisen auf den nicht exakt, vielmehr nur alternativ festgestellten Tatzeitpunkt, das Fehlen eines medizinischen Tatnachweises, die Aussagen über das Verhalten des Tatopfers gegenüber der Familie des Angeklagten nach der Tat sowie die Angaben der Ebru S***** darüber, dass sie der Angeklagte nach der Tat nicht bedroht habe, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken, sondern erschöpft sich mit eigenständigen beweiswürdigenden Überlegungen weitgehend in einer Kritik an der Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Eine Anklageüberschreitung (Z 8) lag nicht vor, wurde der Angeklagte doch der in der (in der Hauptverhandlung modifizierten) Anklage übereinstimmend mit dem Urteil individualisierten Tat schuldig erkannt, die im Übrigen lediglich hinsichtlich der - im gegebenen Zusammenhang sowohl für die rechtliche Beurteilung als auch mangels Anhaltspunkten für mehr als eine gleichartige strafbare Handlung zur Abgrenzung gegenüber anderen Taten bedeutungslosen - Tatzeit eine Modifikation erfuhr (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 8 E 10a). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO).

Stichworte