OGH 10Ob87/07b

OGH10Ob87/07b9.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Bernhard H*****, Technischer Zeichner, und 2. Sabine H*****, Selbständige, beide *****, beide vertreten durch Dr. Anton Tschann, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen die beklagten Parteien 1. Josef B*****, Lokführer, und

2. Herta B*****, Kinderkrankenschwester, beide *****, beide vertreten durch Concin & Concin Rechtsanwälte GmbH in Bludenz, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 14. Juni 2007, GZ 4 R 64/07b-41, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 5. Jänner 2007, GZ 4 C 279/05i-37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 574,30 (darin EUR 95,72 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 2090, Grundbuch N*****, mit den Grundstücken 2480/1 und 2480/3, mit dem darauf - aufgrund des Baubescheides vom 8. 7. 1997 - errichteten Wohnhaus M*****. Daran grenzen im Südosten die Grundstücke 2481/1 und 2482/2 in EZ 1681, Grundbuch N*****, an, die im Miteigentum der Beklagten stehen.

Das Grundstück 2480/3 weist eine Fläche von 447 m² auf und liegt im Bau-Wohngebiet. Die Grundstücke 2481/1 und 2481/2 haben eine Fläche von 1582 m². Das Grundstück 2481/2 sowie eine Teilfläche des Grundstücks 2481/1 befinden sich im Bau-Wohngebiet; die zweite Teilfläche des Grundstücks 2481/1 ist Freihaltefläche. Das Wohnhaus der Beklagten war bereits errichtet, als die Kläger mit ihrem Bauvorhaben an die Beklagten herantraten. Nach Rücksprache mit den Beklagten änderten sie ihr ursprüngliches Bauvorhaben ab und verlegten den Zufahrtsweg. Andererseits haben die Beklagten drei kleinere und einen größeren Baum gefällt.

An der Grenze zwischen den Grundstücken 2480/3 und 2480/2 steht eine Ligusterhecke, die ca 2,8 bis 3 m hoch ist. An der Grundgrenze zwischen den Grundstücken 2481/1 und 2480/3 befindet sich eine ca 6 m hohe Thujenhecke. Im Anschluss daran sind 4 Tannen situiert, wobei die höchste Tanne eine Höhe von ca 15,6 m über dem Gelände auf Grundstück 2480/3 aufweist.

Die Thujenhecke war bereits vorhanden, als die Kläger mit ihrem Bauvorhaben begannen. Die damalige Höhe der Hecke ist nicht genau feststellbar; man konnte jedenfalls bei weitem nicht über sie schauen. Seither wurde die Thujenhecke zumindest einmal geschnitten. Vom Schattenwurf der Tannen bzw Thujenhecke ist insbesondere der südöstliche Teil des Grundstücks der Kläger betroffen. Im Erdgeschoss befinden sich das Wohnzimmer (mit einem Fenster und einer Terrassentüre), das Stiegenhaus sowie ein weiteres Zimmer im Bereich der Südostfassade. Im Dachgeschoss sind auf der Südostfassade keine Fenster eingebaut. Vor dem Wohnzimmer ist eine Terrasse mit Holzdielenbelag angelegt.

Eine Bepflanzungshöhe von ca 6 m bei der Thujenhecke und von bis zu 16 m bei den Tannen ist im Bau-Wohngebiet unüblich und ungewöhnlich und als ortsunüblich einzustufen. Die Thujenhecke wirkt in Verbindung mit den Tannen nicht wie eine Abgrenzung zum Nachbarn, sondern wie eine „grüne hohe Wand". Dabei erreicht die Höhe der Bepflanzung weit über das Maß hinaus, das für einen Sichtschutz erforderlich ist. Die Beschattung stellt eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Nutzung des Grundstücks der Kläger dar.

Auf dem Grundstück, das vor dem Wohnhaus der Kläger gelegen ist, gibt es den Bewuchs betreffend eine ähnliche Situation.

Derzeit liegt infolge einer Kiesaufschüttung keine Versumpfung bzw Vermoosung der Fläche zwischen dem Gebäude der Kläger und der Grundstücksgrenze vor. Unter der Voraussetzung, dass die mit Kies aufgeschüttete Fläche wiederum mit Rasen bepflanzt wird, würde es aufgrund der Beschattung zu einer Vermoosung im Bereich ca 1 bis 1,5 m von der Hecke in Richtung Grundstück der Kläger kommen, wobei dies von verschiedenen Faktoren (Untergrund, Absickern des Regenwassers) abhängt.

An der Südostfassade des Hauses der Kläger bzw auf dem Platz zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze ist in etwa folgende Beschattungssituation gegeben:

Am 21. März bzw 23. September wäre nach der Lage des Objekts Sonnendauer von Sonnenaufgang (6.00 Uhr) bis 14.30 Uhr gegeben. Durch die Bäume ist im Zeitraum von 8.00 Uhr bis 10.30 Uhr die Südostfassade beschattet. Dabei sind das Wohnzimmer 1,5 Stunden, die Terrassentüre 1,25 Stunden, das Stiegenhausfenster 1 Stunde und das Zimmerfenster 1,25 Stunden beschattet. Überdies erfolgt eine Teilbeschattung durch die Thujenhecke von etwa 9.00 Uhr bis 10.00 Uhr. Der Platz zwischen dem Gebäude und der Grundstücksgrenze ist im Zeitraum von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr vollflächig beschattet. Die Benützung der Fläche ist in diesem Zeitraum stark eingeschränkt. Am 21. Juni beginnt die Sonnendauer um 7.00 Uhr und endet um 13.45 Uhr. Auf der Südostfassade ist im Zeitraum von 8.00 Uhr bis 10.30 Uhr eine Beschattung durch die Bäume gegeben, wobei das Wohnzimmerfenster zwei Stunden, die Terrassentüre 0,5 Stunden und das Stiegenhausfenster 0,5 Stunden beschattet sind. Das rechte Zimmer ist demgegenüber nicht beschattet. Der Platz zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze ist im Zeitraum von 9.00 Uhr bis 11.00 Uhr fast vollflächig beschattet; die Benützung der Fläche ist in diesem Zeitraum stark eingeschränkt.

Am 21. Dezember beginnt die Sonnendauer auf die Südostfassade um 8.13 Uhr und endet um 15.13 Uhr. Im Zeitraum von 8.13 Uhr bis 13.00 Uhr kommt es zu einer wandernden Beschattung durch die Thujenhecke, wobei das Wohnzimmerfenster 2,75 Stunden, die Terrassentüre 2,5 Stunden, das Stiegenhausfenster 2,25 Stunden und das Zimmerfenster 1,75 Stunden beschattet sind. Bei einer Heckenhöhe von 3 m wäre die Südostfassade nicht beschattet. Der Platz zwischen Gebäude und Grundstücksgrenze ist ebenfalls im Zeitraum von 8.13 Uhr bis 13.00 Uhr auf der gesamten Fläche mit wanderndem Schatten beschattet. Die Benützung der Fläche ist eingeschränkt. Bei einer Heckenhöhe von 3 m wäre eine vollflächige wandernde Beschattung auf dem Platz ebenfalls gegeben, jedoch nicht auf der Südostfassade und den Fenstern im Erdgeschoss.

Die wesentliche Beeinträchtigung durch die aus der Bestockung resultierende Beschattung besteht in der Zeit von Dezember bis März. Während man in der Mittagszeit in den Sommermonaten kein künstliches Licht benötigt, schaut dies im Winter anders aus. Je nach Tätigkeit ist insbesondere im Zeitraum Mitte Oktober bis Februar künstliches Licht im Wohnzimmer zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr, teilweise bis 10.00 Uhr erforderlich.

Die Äste der Tannen überragen die Grundstücksgrenze. Das Abschneiden bzw Auslichten dieser Äste führt in lichttechnischer Sicht zu keiner spürbaren Verbesserung der Situation.

Die Kläger begehren, die Beklagten schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, durch die auf ihren Grundstücken befindlichen Fichten und Thujenhecke den Grundstücken der Kläger das Licht so weit zu entziehen, als damit das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten werde und es insbesondere durch das Erfordernis, künstliches Licht tagsüber einzuschalten, und durch die Vermoosung des Rasens zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung der Grundstücke der Kläger komme.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass die einen Unterlassungsanspruch rechtfertigenden Voraussetzungen nicht vorlägen, da keine krasse Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes vorliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass das auf § 364 Abs 3 ABGB gestützte Unterlassungsbegehren nur bei einer massiven Beeinträchtigung der Nutzungs- und Verwendungsmöglichkeiten berechtigt sein könne; nach der Absicht des Gesetzgebers müsse es zu unzumutbaren Folgen kommen. Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit sei das Empfinden eines durchschnittlichen Liegenschaftseigentümers in einer vergleichbaren Lage. Sei der Schattenwurf durch die verwendeten Pflanzen so intensiv, dass es auch für einen solchen Eigentümer nicht mehr auszuhalten sei, dann liege Unzumutbarkeit vor. Auch wenn das optische Erscheinungsbild durch die ungewöhnlich hohe Bestockung beeinträchtigt sei und überdies die Einwirkungen das ortsübliche Maß überschreiten würden, sei im konkreten Fall keine unzumutbare Beeinträchtigung gegeben, weil die Verwendungs- und Nutzungsmöglichkeit des Grundstückes der Kläger nicht massiv vermindert sei. Insbesondere in Wintermonaten sei es nicht unüblich, auch auf künstliches Licht angewiesen zu sein. Die mögliche Vermoosung zwischen Gebäudefassade und Grundstücksgrenze sei vernachlässigbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,--, nicht aber EUR 20.000,-- übersteige und dass die Revision zulässig sei. Es verneinte eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, sah eine bekämpfte Feststellung nicht als entscheidungsrelevant an und lehnte die in der Berufung vertretene Auffassung, die in § 364 Abs 3 ABGB geforderte unzumutbare Beeinträchtigung müsse mit der im § 364 Abs 2 ABGB geforderten wesentlichen Beeinträchtigung gleichgesetzt werden, unter Hinweis auf die Entscheidung 8 Ob 99/06a ab. Ob eine Beeinträchtigung zwar wesentlich, aber noch nicht unzumutbar sei, hänge von der Abwägung der Interessen des Baumeigentümers an der Begrünung seines Wohnraums und dem Interesse des Beeinträchtigten an der uneingeschränkten Nutzung seines Grundstücks im konkreten Einzelfall ab; dabei sei ein objektiver Beurteilungsmaßstab anzulegen.

Auch wenn ein Interesse der Kläger an der ortsunüblich hohen Bepflanzung nicht vorliege, sei die Beeinträchtigung der Kläger doch nicht so gravierend, dass sie zu einer „unzumutbaren" iSd § 364 Abs 3 ABGB werde. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die gegenständliche Bepflanzung - wenn auch in geringerer Höhe - schon zum Zeitpunkt der Errichtung des Hauses der Kläger im Jahre 1997 vorhanden gewesen sei.

Die Revision sei zulässig, weil es zur Bestimmung des § 364 Abs 3 ABGB bisher nur eine Entscheidung (8 Ob 99/06a) des Höchstgerichtes gebe. Insbesondere die Frage, inwieweit das fehlende Interesse des beklagten Baumeigentümers an der Begrünung seines Wohnraumes durch eine ortsunüblich hohe Bepflanzung bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstückes eine Rolle spiele, sei eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision der Kläger mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 8 Ob 99/06a (EvBl 2007/83 = Zak 2007/234, 134 = immolex 2007/110, 219) ausführlich mit der Auslegung des Begriffs der „unzumutbaren Beeinträchtigung" in § 364 Abs 3 Satz 1 ABGB idF ZivRÄG 2004 (BGBl I 2003/91) auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf umfangreiche Literatur klargestellt, dass diese Voraussetzung nach den Intentionen des Gesetzgebers (RV 173 BlgNR 22. GP 12) strenger zu sehen ist als die „wesentliche Beeinträchtigung" der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks in § 364 Abs 2 ABGB, zumal der Schutz gegen negative Immissionen schwächer ausgestaltet sei als der Schutz gegen positive Immissionen. In der genannten Entscheidung wurden auch Beurteilungskriterien für die Unzumutbarkeit einer Immission aufgestellt. Vor allem wurden Relationen zwischen der beeinträchtigten Fläche und der zeitlichen Dauer des Entzugs von Lichteinfall hergestellt.

Diesen Vorgaben ist das Berufungsgericht gefolgt. Seiner rechtlichen Beurteilung legte es zugrunde, dass zeitlich und räumlich überwiegend (deutlich über 50 %) Sonnenlicht in die Südostfassade des Hauses und die daran anschließende Grundfläche (zu der die vor dem Wohnzimmer angelegte Terrasse gehört) einfällt und der Gefahr der Vermoosung des Rasens relativ geringe Bedeutung zukommt. Auf dieser Grundlage sah es - bei Abwägung der beiderseitigen Interessen - die durch den Schattenwurf herbeigeführte „wesentliche" Beeinträchtigung der Liegenschaft der Kläger noch nicht als derart gravierend an, dass sie „unzumutbar" iSd § 364 Abs 3 ABGB wäre. Dabei wurden auch die ortsunüblich hohe Bepflanzung und das fehlende Interesse der Beklagten daran in die Abwägung einbezogen. Die Auslegung des Begriffs „unzumutbar" begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044088). Von einer gesicherten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann bereits dann gesprochen werden, wenn nur eine einzige (veröffentlichte) ausführlich begründete, grundlegende Entscheidung vorliegt, der keine gegenteiligen entgegenstehen, insbesondere dann, wenn sie auch im Schrifttum nicht auf beachtliche Kritik gestoßen ist (vgl 4 Ob 8/98z = RdW 1998, 406; 4 Ob 222/04g; E. Kodek in Rechberger3 § 502 ZPO Rz 19) und der Rechtsmittelwerber keine substanziellen Zweifel an der Richtigkeit hervorzurufen vermag (Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 Rz 29). Dass jeder Fall für sich in gewissem Maße einzigartig ist, begründet noch keine Notwendigkeit, dass er unbedingt auch vom Obersten Gerichtshof zu entscheiden ist (vgl Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 Rz 70). In der Zwischenzeit ist im Übrigen auch noch die - bisher nicht veröffentlichte - Entscheidung 1 Ob 62/07k ergangen, in der die in 8 Ob 99/06a aufgestellten Grundsätze bekräftigt werden. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen, sodass ihre Revisionsbeantwortung der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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