OGH 2Ob75/07d

OGH2Ob75/07d27.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert L*****, vertreten durch Dr. Thomas Feichtinger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1) Johann O*****, 2) G***** Versicherung Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Franz Essl, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 58.837,56 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2007, GZ 2 R 227/06z-63, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. September 2006, GZ 91 Cg 139/02y-54, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit EUR 1.584,79 (darin enthalten EUR 264,13 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Am 17. 7. 1999 ereignete sich in Eugendorf ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Halter eines im Rahmen seines Einzelunternehmens verwendeten Klein-LKW (Kastenwagens) sowie die dabei ums Leben gekommene Theresia O***** als Lenkerin eines vom Erstbeklagten, ihrem Ehemann, gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW beteiligt waren. Die Verschuldensteilung von 7 : 3 zugunsten des Klägers ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Der Kläger hat die Haftpflichtversicherung nicht bloß für ein Fahrzeug, sondern für drei mit einem Wechselkennzeichen gemäß § 48 Abs 2 KFG betriebene Fahrzeuge, nämlich einen PKW und zwei LKW, darunter das Unfallfahrzeug, abgeschlossen.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung von EUR 58.837,56 sA als Schadenersatz aus dem Unfall. Im Klagsbetrag sind unter anderem Kosten für ein Mietfahrzeug in Höhe von EUR 4.912,68, weiterlaufende Aufwendungen von EUR 22.869,35 sowie ein Verdienstentgang von EUR 11.652,38 (gesamt somit EUR 39.434,41) enthalten. Der Kläger habe im Haftpflichtversicherungsvertrag für die drei Fahrzeuge lediglich insofern einen Verzicht auf den Ersatz von Mietwagenkosten und Verdienstentgang erklärt, als die Versicherung für den PKW abgeschlossen worden sei. Die Verzichtserklärung erfasse somit nicht die aus der Beschädigung des Unfallfahrzeuges resultierenden Mietwagenkosten und Verdienstentgangsansprüche. Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wandten - soweit für das Revisionsverfahren bedeutsam - ein, für die Mietwagenkosten bestehe schon deshalb kein Anspruch, da der Kläger keine Haftpflichtversicherung im Sinne der „Prämienvariante B" abgeschlossen habe.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit EUR 9.073,45 zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht. Es verurteilte die Beklagten zur Bezahlung von EUR 9.073,45 sA und wies das Mehrbegehren ab.

Das Erstgericht traf folgende für das Revisionsverfahren noch bedeutsame Feststellungen:

Zwischen 5. 8. 1999 bis 2. 2. 2000 nahm der Kläger (anstatt des Unfallfahrzeuges) für seine Arbeitstätigkeit ein Mietfahrzeug der Firma Mercedes Benz in Anspruch, für welches er pro Monat S 12.000 netto zu entrichten hatte. Bei ordnungsgemäßer Abwicklung hätte der Kläger insgesamt fünf Wochen kein Fahrzeug zur Verfügung gehabt. In dieser Zeit ist ihm ein Verdienstentgang von ATS 122.000 (EUR 8.866,09) entstanden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger habe einen Anspruchsverzicht gemäß § 21 KHVG abgegeben, weshalb er keinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs, der Mietwagenkosten sowie der weiterlaufenden Aufwendungen habe.

Das von sämtlichen Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, der Berufung der Beklagten hingegen teilweise. Das Berufungsgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit EUR 6.580,77 zu Recht, die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht. Es verurteilte die Beklagten daher zur Bezahlung von EUR 6.580,77 sA und wies das Mehrbegehren ab.

Rechtlich führte das Berufungsgericht aus: Die vom Kläger im Versicherungsantrag (Beilage ./T) angekreuzte Verzichtsklausel enthalte folgenden Einleitungssatz:

„Soweit eine KFZ-Haftpflichtversicherung für einen PKW oder Kombi mit Anspruchsverzicht (Variante A) beantragt wird, umfasst die Unterschrift des Kunden auch die nachstehende Verzichtserklärung:" (Es folgt die Erklärung, im Schadensfall auf Ansprüche auf Ersatz von Mietkosten eines Ersatzfahrzeuges sowie auf Ersatz des Verdienstentganges, der auf die Nichtbenützbarkeit des Fahrzeuges zurückzuführen ist, zu verzichten.)

Wie sich aus dem Versicherungsantrag ergebe, habe der Kläger das „Grundpaket" mit „Variante A Verzicht auf Mietwagenersatz gemäß Erklärung auf der Rückseite" gewählt. Dementsprechend sei das unmittelbar darunter platzierte Kästchen für die „Variante B Anspruch auf Mietwagenersatz" unangekreuzt geblieben. Der Kläger habe unbekämpft gelassen, dass für diesen Versicherungsvertrag ein PKW-Prämientarif vereinbart worden sei. Dieser Tarif müsse den sich aus der Wahl der „Variante A" ergebenden 20-%igen Prämiennachlass (§ 21 Abs 1 KHVG) berücksichtigt haben. Diese finanzielle Vergünstigung habe im Ergebnis nicht nur für den PKW, sondern aufgrund der Einheitlichkeit des Versicherungsverhältnisses zwangsläufig auch für die beiden LKW bestanden. Damit müsse aber konsequenterweise auch der dem Prämiennachlass zugrunde liegende Verzicht auf alle drei Fahrzeuge bezogen werden, würde doch sonst die Möglichkeit eröffnet, über ein Wechselkennzeichen ein oder zwei weitere Fahrzeuge unter Inanspruchnahme eines Prämiennachlasses zu versichern, ohne dass für sie die dem Nachlass zugrundeliegende Gegenleistung (Abstandnahme von Ansprüchen von Mietwagenkosten und Verdienstentgang) erbracht würde. An dieser Einschätzung könne auch der vom Kläger für seinen Standpunkt ins Treffen geführte Einleitungssatz der Verzichtsklausel nichts ändern. Diese Formulierung nehme offenkundig auf den Sonderfall eines Wechselkennzeichens, mit dem sowohl ein PKW als auch ein oder zwei LKW betrieben würden, nicht bedacht.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil noch keine Rechtsprechung zur Frage existiere, ob ein Vorausverzicht im Sinn des § 21 Abs 1 KHVG alle auf ein Wechselkennzeichen zugelassenen Fahrzeuge betreffe oder auch nur für eines davon wirksam sein könne. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Berufungsurteil dahingehend abzuändern, das über die zugesprochenen EUR 6.580,77 eine weitere Klagsforderung von EUR 27.604,09, somit eine Klagsforderung von insgesamt EUR 34.184,86 sA zugesprochen werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels des Vorliegens einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Eine entscheidungsrelevante Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Verzichtet der Versicherungsnehmer rechtswirksam auf Ansprüche auf Ersatz von Mietkosten eines Ersatzfahrzeuges einschließlich eines Taxis und des Verdienstentganges wegen der Nichtbenützbarkeit des Fahrzeuges, die ihm gegen Personen zustehen, die durch einen Haftpflichtversicherungsvertrag für ein unter § 59 Abs 1 KFG 1967 fallendes Fahrzeug versichert sind, so gebührt ihm ein Nachlass von 20 vH von der vereinbarten Prämie (§ 21 Abs 1 KHVG). Bei diesem sogenannten „Spalttarif" verzichtet der Versicherungsnehmer als künftiger Geschädigter im Voraus in Form eines Vertrags zugunsten Dritter (Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1323 Rz 31 f). Dies ist zulässig und wirksam (SZ 48/22 = ZVR 1975/113; Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1323 Rz 32; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 Rz 21).

Im vorliegenden Fall ist fraglich, ob der Kläger in seinem Haftpflichtversicherungsvertrag nur für seinen PKW oder auch für die beiden ebenso versicherten Klein-LKW, wovon einer das Unfallfahrzeug war, einen Verzicht im Sinn des § 21 Abs 1 KHVG abgegeben hat. Der Oberste Gerichtshof ist zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht „jedenfalls", sondern nur dann berufen, wenn die zweite Instanz Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtete oder für die Rechtseinheit und Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind (RIS-Justiz RS0121516 [T3, T6]).

Hier hat das Berufungsgericht in erster Linie nicht Allgemeine Versicherungsbedingungen, sondern eine individuelle Urkunde, nämlich den in bestimmter Weise ausgefüllten Versicherungsantrag ausgelegt. Seine Argumentation ist durchaus vertretbar und enthält keine krasse Fehlbeurteilung des Einzelfalls. Angesichts dessen, dass es sich hier - wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat - um einen Sonderfall (drei mit Wechselkennzeichen zu verwendende versicherte Kraftfahrzeuge, von denen eines ein PKW, zwei LKW sind) handelt, kommt der Auslegung der Verzichtsklausel im gegebenen Zusammenhang auch keine erhebliche Bedeutung für die Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung zu.

Dass es an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur konkreten oder einer ähnlichen Klausel mangelt, genügt nicht für die Anrufbarkeit des Obersten Gerichtshofes (RIS-Justiz RS0121516 [T4]). Die vom Kläger begehrten weiterlaufenden Aufwendungen kann er nicht ersetzt bekommen, weil sie durch den Unfall nicht verursacht wurden (vgl Geigel, Haftpflichtprozess24, 3/95; Koziol, Haftpflichtrecht I3, 2/121 ff; vgl auch 2 Ob 72/94, 8 Ob 27/87).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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