OGH 12Os95/07y

OGH12Os95/07y27.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Maßnahmensache des Desmon N***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. Mai 2007, GZ 41 Hv 43/07b-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Desmon N***** wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in Wien unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruhte (§ 11 StGB), nämlich einer akuten Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, Personen gefährlich mit dem Tode bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1) am 27. November 2006 Umi B*****, nachdem er ihm einen Faustschlag in das Gesicht sowie Schläge und Tritte gegen den Körper versetzt hatte, durch die Äußerung „Dein Leben ist zu Ende" sowie durch die Mitteilung, er werde ihn abstechen, wobei er sich anschickte, ein Messer aus der Küche zu holen;

2) am 1. Dezember 2006 Wolfgang E***** und Mag. Thomas Sch***** durch die wiederholte Äußerung, er werde sie töten, wobei er eine drohende Körperhaltung einnahm,

und weil er hierdurch Taten beging, die ihm - wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen - als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zuzurechnen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. Dezember 2006 wurde RA Dr. G***** als Verfahrenshilfeverteidiger bestellt (ON 15).

Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 gab Rechtsanwältin Mag. S***** bekannt, dass sie den beigegebenen Verfahrenshilfeverteidiger für die gesamte Dauer des Verfahrens substituiere und ersuchte, Zustellungen direkt an sie vorzunehmen (ON 14).

Die schriftliche Urteilsausfertigung wurde demgegenüber der - offenbar nur zum Zwecke der Verrichtung der Hauptverhandlung eingeschrittenen (S 273) - weiteren Substitutin, Rechtsanwältin Dr. Sch*****, am 11. Juni 2007 zugestellt (S 317). In der Hauptverhandlung meldete der Betroffene Nichtigkeitsbeschwerde, nicht aber Berufung an (S 299). Die zunächst lediglich an diese Substitutin bewirkte Zustellung vermochte den Lauf der vierwöchigen Frist für die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde jedoch noch nicht in Gang zu setzen (vgl RIS-Justiz RS0071976; SSt 60/5). Fristauslösend war erst die - durch lose im Akt erliegenden Rückschein dokumentierte - Zustellung an die („ständige" Substitutin) Mag. S***** am 14. Juni 2007, welche wiederum die Rechtsmittelausführung rechtzeitig am 10. Juli 2007 persönlich überreichte (S 335).

Die Feststellung, dass sich der Betroffene „anschickte, in die Küche zu gehen und von dort ein Messer zu holen" (US 4), ist im Hinblick auf eine damit zum Ausdruck gebrachte Verstärkung der zuvor ausgestoßenen Todesdrohung keineswegs undeutlich (Z 5 erster Fall). Ob der Betroffene tatsächlich bereits am Weg war, sich eine Waffe zu beschaffen, ist angesichts der bereits gefallenen Drohung und der nach den Urteilsannahmen deswegen vom Tatopfer ergriffenen Flucht nicht mehr entscheidungswesentlich, sodass die darauf abstellenden Beschwerdeeinwände ins Leere gehen.

Das Vorbringen, wonach die Aussagen des Umi B***** zur Intention des Betroffenen, aus der Küche ein Messer zu holen (S 281 ff), mit einem Widerspruch behaftet seien, weil der Zeuge nach eigenem Bekunden nicht gewusst habe, was der Beschwerdeführer „wirklich vor hatte" (S 283), releviert keinen Begründungsmangel, sondern trachtet nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die aus dem genannten Beweismittel von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse durch für den Rechtsmittelwerber günstigere Sachverhaltsannahmen zu ersetzen. Soweit der Nichtigkeitswerber darauf aufbauend aus diesen (gewünschten) „Feststellungen" lediglich eine „einfache" Drohung nach § 107 Abs 1 StGB ableitet, hält er nicht an den für die Ausführung einer Subsumtionsrüge (Z 10) allein maßgeblichen Urteilsannahmen des erkennenden Gerichtes fest.

Die Behauptung, wonach die Feststellungen zum auch eine Drohung mit dem Tod umfassenden Vorsatz und zur Ernsthaftigkeit der Äußerungen überhaupt nicht oder nicht ausreichend begründet seien (Z 5 vierter Fall), unterlässt die gebotene Bezugnahme auf die Gesamtheit der Entscheidungsgründe (vgl RIS-Justiz RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394). Dazu verweist das Schöffengericht - mit den Gesetzen logischen Denkens oder allgemeiner Lebenserfahrung nicht in Widerspruch stehend (vgl RIS-Justiz RS0098671) - unter anderem auf Schlussfolgerungen aus den zuvor konstatierten äußeren Geschehensabläufen (US 7).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen setzte sich das Erstgericht auch ausführlich (US 6 f) mit der - nach einem gemischt objektiv-individuellen Maßstab zu beurteilenden (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 42 ff; Jerabek in WK2 § 74 Rz 33; Schwaighofer in WK2 [2006] § 105 Rz 63; 13 Os 91/04) - Eignung der Drohung auseinander, eine begründete Besorgnis einzuflößen.

Dass es trotz entsprechender Behandlung bislang zu keiner Distanzierung des Betroffenen von seinen wahnhaften Ideen (iS eines die Gefährlichkeit ausschaltenden Behandlungserfolgs) kam (US 6), ergibt sich dem Vorbringen zuwider unmissverständlich aus der vom Schöffengericht zur Begründung der Gefährlichkeitsprognose herangezogenen Expertise des psychiatrischen Sachverständigen (US 7; vgl S 199 bis 201 iVm S 293).

Im Zusammenhang mit der in der Subsumtionsrüge (Z 10) aufgestellten Behauptung eines Mangels an Feststellungen dahingehend, dass der Betroffene ernsthaft die Verwirklichung des angedrohten Übels angestrebt habe, legt die Beschwerde in keiner Weise dar, warum diese Annahme für die rechtliche Qualifikation nach § 107 Abs 2 erster Fall StGB entscheidend sein sollte.

Die in der Sanktionsrüge (Z 11) geäußerte Kritik, die Konstatierungen in Bezug auf die Gefährlichkeitsprognose gäben „nicht einmal den Gesetzeswortlaut" wieder und legten nicht eindeutig fest, dass weitere strafbare Handlungen mit schweren Folgen zu befürchten seien, übergeht die klaren, am Wortlaut des § 21 Abs 1 StGB orientierten Feststellungen (US 6 und US 8), welche die Tatrichter - entgegen dem Beschwerdevorbringen - ausdrücklich (US 7) auf das Gutachten des Sachverständigen stützten.

Abgesehen davon ist eine gefährliche Drohung mit dem Tod - wie schon in der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Urteiles aufgezeigt - eine Tat mit schweren Folgen und daher als Prognosetat iSd § 21 Abs 1 StGB geeignet (vgl RIS-Justiz RS0116500). Die vom Erstgericht in Übereinstimmung mit dem psychiatrischen Gutachten prognostizierten (im Verhältnis zu derartigen Drohungen) „analogen aggressiven Verhaltensweisen" (US 6; vgl auch US 8) rechtfertigen daher - den diesbezüglichen Ausführungen in der Sanktionsrüge zuwider - schon für sich die bekämpfte Maßnahme.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Im Hinblick auf das in der Sanktionsrüge erstattete Vorbringen wird trotz fehlender Anmeldung einer Berufung so vorzugehen sein, als wäre auch dieses Rechtsmittel (rechtzeitig) ergriffen worden (§ 290 Abs 1 letzter Satz StPO). Darüber wird der Gerichtshof zweiter Instanz zu entscheiden haben (§ 285i StPO iVm § 290 Abs 1 dritter Satz StPO).

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