Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 277,63 EUR (darin 46,27 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Auswirkungen einer Nichtigkeit des Beschlusses über die Feststellung des Jahresabschlusses auf den Beschluss auf Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft.
1. Nach den - in der Revision unwidersprochen gebliebenen - Ausführungen des Berufungsgerichts auf Sachverhaltsebene verlangte der Kläger, ein Kleinaktionär der Beklagten, mit Schreiben vom 2. 5. 2006 unter anderem die Übersendung des Berichts des Aufsichtsrats gemäß § 96 AktG, erhielt diesen jedoch vor der am 15. 5. 2006 stattgefundenen Hauptversammlung nicht übermittelt. In der Hauptversammlung erhob der Kläger unter anderem zu Tagesordnungspunkt 4 (Beschlussfassung über die Entlastung des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2004) Widerspruch zu Protokoll. Die Vorinstanzen erklärten unter anderem den in der Hauptversammlung (dennoch) gefassten Beschluss, den Mitgliedern des Aufsichtsrats die Entlastung zu erteilen, für nichtig.
2. § 96 Abs 1 AktG verpflichtet den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, den Jahresabschluss, den Vorschlag für die Gewinnverteilung und den Lagebericht des Vorstands zu prüfen und der Hauptversammlung darüber zu berichten. Das Ergebnis der Prüfung des Jahresabschlusses, des Gewinnverteilungsvorschlags des Vorstands und des Lageberichts bildet den Kern des dem Aufsichtsrat aufgetragenen Berichtes an die Hauptversammlung. Daneben hat der Aufsichtsrat auch noch über Art und Umfang seiner Überwachungstätigkeit während des Geschäftsjahrs sowie über die Identität des Abschlussprüfers und über allfällige Beanstandungen im Zuge der allgemeinen Überwachungstätigkeit und der Abschlussprüfung zu berichten. Speziell zum Gewinnverteilungsvorschlag des Vorstands hat sich der Aufsichtsrat dahin zu äußern, ob er der Hauptversammlung entweder die Annahme des vom Vorstand erstatteten Gewinnverwendungsvorschlags empfiehlt oder ob er einen eigenen Vorschlag unterbreitet (Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG4 [2006] §§ 95-97 Rz 59).
§ 125 Abs 5 AktG ordnet an, dass der Jahresabschluss und der Konzernabschluss nebst dem Bericht des Aufsichtsrats mindestens während der letzten 14 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung im Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre aufzulegen sind. Auf Verlangen ist jedem Aktionär spätestens 14 Tage vor dem Tag der Hauptversammlung eine Abschrift der Vorlagen zu erteilen. Trifft ein solches Verlangen eines Aktionärs später als 14 Tage vor der Hauptversammlung ein, so hat es der Vorstand so rasch als möglich zu erfüllen; er kann die Ausfolgung der Unterlagen nicht unter Hinweis auf die Frist des § 125 Abs 5 AktG verweigern (Kostner, Die Aktiengesellschaft [1984] 85; E. Gruber in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 125 Rz 34).
Dieser Verpflichtung ist der Vorstand der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht nachgekommen.
3. Nach § 195 Abs 1 AktG kann ein Beschluss der Hauptversammlung wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung durch Klage angefochten werden. Eine Verletzung des Gesetzes liegt hinsichtlich der Entlastung des Aufsichtsrats insbesondere dann vor, wenn die Bestimmungen des § 125 Abs 5 AktG nicht eingehalten worden sind, wobei das Gesetz nach seinem Wortlaut keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Gesetzes- oder Satzungsverletzung und dem angefochtenen Beschluss erfordert. Der Anfechtende braucht deshalb nicht den Beweis zu führen, dass der Beschluss auf einem solchen Verstoß beruht (7 Ob 703/89 = SZ 62/190).
Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang zwar bereits mehrfach ausgeführt, die Verleihung der Anfechtungsbefugnis an die Aktionäre und den Vorstand und die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat könne doch nur den Zweck haben, die Belange der Aktionäre und der Gesellschaft zu sichern und zu fördern. Es würde deshalb einer zweckentsprechenden Auslegung der Vorschriften über die Anfechtung, die auch im öffentlichen Interesse erlassen sind, widersprechen, eine Anfechtung durchgreifen zu lassen, wenn eine Gesetzes- oder Satzungsverletzung offensichtlich oder nachweisbar ohne Einfluss auf den Hauptversammlungsbeschluss gewesen sei. Der geklagten Gesellschaft müsse daher der Beweis der Einflusslosigkeit des Verstoßes gestattet werden (RIS-Justiz RS0049471). Allerdings ist der 4. Senat zuletzt in der E 4 Ob 101/06s mit eingehender Begründung von dieser Kausalitätstheorie abgewichen und hat sich - zumindest für den Fall der Beeinträchtigung des Rede- und Auskunftsrechts des Aktionärs - auf die Relevanztheorie berufen; danach käme es lediglich darauf an, ob durch den Verfahrensfehler Teilnahme- oder Informationsrechte des Aktionärs verletzt wurden.
Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz den Beweis der Einflusslosigkeit des Verstoßes gegen § 125 Abs 5 AktG nicht angetreten; auch im Revisionsverfahren lässt sie die diesbezüglichen Überlegungen des Berufungsgerichts unwidersprochen stehen. Bei dieser Sachlage ist auch nach der bisher in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vertretenen Kausalitätstheorie das Klagebegehren berechtigt; die Frage, ob im vorliegenden Fall - wie in der Entscheidung 4 Ob 101/06s - der Relevanztheorie zu folgen wäre, kann dahingestellt bleiben.
Damit haben die Vorinstanzen aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 195 Abs 4 iVm § 125 Abs 5 AktG den Beschluss der Hauptversammlung auf Erteilung der Entlastung des Aufsichtsrats zutreffend für nichtig erklärt. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kommt es nicht an. Die Revision war zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen. Der Kläger hat den Wert seines Interesses hinsichtlich des im Revisionsverfahren allein noch strittigen Anfechtungspunkts in der Klage mit 3.000 EUR angegeben. Dieser Wert war daher auch der Kostenentscheidung als Bemessungsgrundlage zugrunde zu legen; den Parteien ist es nicht erlaubt, im Revisionsverfahren von dieser Bewertung abzugehen.
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