OGH 14Os72/07f

OGH14Os72/07f28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stefan F***** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 10. April 2007, GZ 24 Hv 154/06m-22, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Zatlasch zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Freispruch und damit auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf das kassatorische Erkenntnis verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stefan F***** des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 25. Oktober 2006 in Linz vor Gericht als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt hatte, indem er in der Strafsache gegen Dr. Ingrid K***** (AZ 70 Ur 131/06x des Landesgerichtes Linz) vor dem Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Linz ausführte: „Über Vorhalt von ON 3, wonach mir entgegen meiner Anzeige vom 6. Oktober 2006 (ON 2) sehr wohl die erforderliche medizinische Behandlung zuteil geworden sei, gebe ich an: Das ist nicht wahr. ... Befragt, welche Motivation die Ärztin Dr. K***** gehabt hätte, die Urinproben zu fälschen: reine Willkür. Sie behandelt uns hier wie Sklaven." (ON 4).

Hingegen wurde er von der wider ihn erhobenen weiteren Anklage, er habe in Linz in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Linz vom 6. Oktober 2006, eingelangt am 10. Oktober 2006, Dr. Ingrid K***** dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigte, obwohl er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist, indem er darin unter anderem anzeigte: „Sie verweigert mir die ärztliche Hilfe, ... und sie manipuliert meine Urinproben" (AS 7), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Gegen den Freispruch richtet sich die aus der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, gegen den Schuldspruch jene des Angeklagten, die sich auf die Gründe der Z 5, 5a, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO stützt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Das Schöffengericht gelangte zu einem freisprechenden Erkenntnis, weil „nicht mit ausreichender Sicherheit erwiesen sei", dass der Angeklagte bereits am 6. Oktober 2006 bei Verfassen des Briefes an die Staatsanwaltschaft Linz über die Unrichtigkeit der gegen Dr. Ingrid K***** erhobenen Vorwürfe Bescheid wusste (US 3 letzter Absatz).

Wie die Mängelrüge zutreffend aufzeigt, bleibt diese Begründung offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall), weil das Erstgericht nicht klarstellte, weshalb die Verdachtslage einen sicheren Beweis nicht zuließ (EvBl 1995/147). Insbesondere legte es nicht dar, aus welchem Grund die als Geständnis im Sinne der vorliegenden Anklageschrift (US 4 zweiter Absatz) gewertete Verantwortung des Angeklagten (S 196 f) keinen sicheren Schluss auf die subjektive Tatseite ermöglichte. Weiters wird das als Geständnis interpretierbare Schreiben des Angeklagten vom 22. Februar 2007 (ON 19) nicht erörtert (Z 5 zweiter Fall).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:

Aus den Gründen der Z 5 fünfter Fall, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO wendet sich der Beschwerdeführer unter Verweis auf das Protokoll über seine Vernehmung gegen die Urteilsannahme, er sei am 25. Oktober 2006 im Verfahren gegen Dr. Ingrid K***** wegen Körperverletzung, Verleumdung und unterlassener Hilfeleistung, AZ 70 Ur 131/06x des Landesgerichtes Linz, vom Untersuchungsrichter als Zeuge einvernommen worden, räumt aber gleichzeitig ein, dass die Befragung zwar zunächst durch die Rechtspraktikantin Mag. Manuela Z***** alleine vorgenommen, danach aber in Anwesenheit des Untersuchungsrichters fortgesetzt wurde, vor dem er auch die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift bestätigte.

Damit wird aber inhaltlich die rechtliche Beurteilung dieser Befragung als förmliche Vernehmung zur Sache iSd § 288 Abs 1 StGB bekämpft, demnach eine verfehlte Subsumtion des Sachverhalts unter diese Gesetzesstelle geltend gemacht (Z 9 lit a). Weshalb aber fallaktuell die vom Nichtigkeitswerber gar nicht bestrittene globale Überprüfung der Richtigkeit seiner Aussage durch ein vernehmungsbefugtes Organ der Prozesshandlung nicht den Charakter einer gerichtlichen Vernehmung geben sollte, hiefür vielmehr eine vollständige Wiederholung der Aussage vor dem Richter erforderlich sein sollte (vgl Plöchl/Seidl in WK2 § 288 Rz 5), legt die Rüge nicht dar.

Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) rekurriert auf Art 6 MRK und Art 90 B-VG und behauptet, der Nichtigkeitswerber habe sich bei seiner im genannten Verfahren gegen Dr. Ingrid K***** am 25. Oktober 2006 erfolgten zeugenschaftlichen Vernehmung mangels Belehrung über das Entschlagungsrecht wegen der für ihn durch seine dem bezeichneten Verfahren zugrundeliegende Anzeige vom 6. Oktober 2006 wegen Körperverletzung, Verleumdung und unterlassener Hilfeleistung entstandenen Selbstbezichtigungsgefahr in einem Aussagenotstand nach § 290 StGB befunden, scheitert aber am Fehlen eines mit diesem Vorbringen korrespondierenden Bezugspunktes in den Urteilskonstatierungen.

Denn Grundvoraussetzung des geltend gemachten Entschuldigungsgrundes ist es, dass der Täter eine falsche Beweisaussage in der Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) abgelegt hat, gewisse in § 290 Abs 1 StGB taxativ aufgezählte schädliche Folgen von sich oder einem anderen abzuwenden (Fabrizy StGB9 § 290 Rz 2). Eine solche Absicht wurde aber vom Erstgericht nicht festgestellt; auch vermag der Beschwerdeführer keine Ergebnisse des Beweisverfahrens aufzuzeigen, die eine solche Konstatierung indiziert hätten.

Abgesehen davon war der Angeklagte von der „Verbindlichkeit zur Ablegung des Zeugnisses" (§ 290 Abs 1 vierter Halbsatz StGB) gar nicht befreit. Denn Aussagebefreiung wegen Selbstbelastungsgefahr (§ 152 Abs 1 Z 1 StPO) kann sich nur auf die mögliche Offenbarung einer außerhalb der gerichtlichen Aufarbeitung des Straffalls gesetzten Delinquenz, nicht aber auf ein „Aussagedelikt" (hier: § 297 StGB) im selben Verfahren beziehen (RIS-Justiz RS0097660; Plöchl/Seidl in WK2 § 290 Rz 13; Kirchbacher, WK-StPO § 152 Rz 16, § 246 Rz 68; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 226; Fabrizy StPO9 § 152 Rz 5).

Während der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten keine Berechtigung zukommt, war jener der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und - wie aus dem Spruch ersichtlich - mit Teilkassation des Urteils vorzugehen.

Mit ihren Berufungen waren die Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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