OGH 12Os78/07y

OGH12Os78/07y23.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Anil M***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Sunil M***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 23. Jänner 2007, GZ 152 Hv 129/06i-89, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde sowie die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Dem Angeklagten Sunil M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche (darunter des Nichtigkeitswerbers) und Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält - wurde Sunil M***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (A II) und der Verbrechen des Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Ab 1 StGB (B I und II) schuldig erkannt und unter Anwendung der §§ 28, 36 StGB nach § 142 Abs 1 StGB zu einer 10-monatigen, gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe sowie zu teilweisem Schadenersatz verurteilt.

Danach hat er in Wien

(A II) am 28. Mai 2006 bei der Städtischen Bücherei am Urban Loritz Platz in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Anil M***** als Mittäter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Roman K***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar ein Mobiltelefon Marke Nokia 6230i im Wert von 250 EUR sowie 40 EUR Bargeld, indem sie ihm mit Schlägen drohten, Sunil M***** ihn an einem Arm fixierte und Anil M***** ihn durchsuchte;

(B) zur Tatausführung des Anil M***** und zumindest eines weiteren Täters dadurch beigetragen, dass er diese durch seine Anwesenheit psychisch bestärkte, sich zum Eingreifen bereithielt sowie Aufpasserdienste leistete, und zwar hinsichtlich folgender Taten, bei denen die unmittelbaren Täter mit Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gewalt für Leib oder Leben (§ 89 StGB) anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz wegnahmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich (B I) am 5. Juni 2006 Marcello O***** auf der Mariahilferstraße einen iPod in nicht mehr feststellbarem Wert (A I 23), indem M***** ihn mit Schlägen und damit bedrohte, „ihm eine Knarre in den Mund zu halten", wobei Sunil M***** und zwei weitere, abgesondert verfolgte Personen das Opfer vor Eintreffen des Anil M***** anhielten und durch Umringen verhinderten, dass er davor weggehen konnte;

(B II)

zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Anfang Mai 2006 auf der Gumpendorfer Straße drei unbekannt gebliebenen Kindern ein Mobiltelefon Marke Samsung (A I 5), indem sie mit Schlägen drohten, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Mitte Mai 2006 bei der U-Bahn-Station Längenfeldgasse einem unbekannt gebliebenen Burschen ein Mobiltelefon (A I 12), indem sie drohten, diesen zu schlagen und am 22. Mai 2006 in der Burggasse Nikolas V***** 1.400 EUR Bargeld (A I 16), indem sie diesen durch Androhung von Schlägen und durch die Drohung, dass Anil M***** eine Pistole hätte, die er ihm in den Mund stecken würde, zu unmittelbaren Behebungen des Geldes nötigten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sunil M***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 10 und 11 StPO.

Bei der Geltendmachung der formellen Nichtigkeitsgründe verkennt der Beschwerdeführer weitgehend deren Anfechtungsumfang (vgl dazu grundlegend Fabrizy StPO9 § 281 Rz 41 - 49) und ergeht sich immer wieder in eigenständig beweiswürdigenden Überlegungen, wie sie allerdings nur das Einzelrichterverfahren in der Berufung wegen Schuld zulässt, nicht aber der kollegialgerichtliche Strafprozess. Soweit er sich nicht bereits damit einer Erwiderung entzieht, ist ihm zu entgegnen:

Beim Schuldspruch A II verfehlt der Rechtsmittelwerber den Nichtigkeitsgrund des inneren Widerspruches (Z 5 dritter Fall), der nur dann vorliegt, wenn das Urteil verschiedene Tatsachen feststellt, die einander wechselseitig ausschließen oder wenn die gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art nach den Denkgesetzen nebeneinander nicht bestehen können, nicht jedoch bei (behaupteter) Divergenz zwischen Feststellungen und Beweisergebnissen. Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer formale Begründungsmängel hinsichtlich seiner Tathandlungen und des Wertes des geraubten Telefones mit der (jene ohnedies bejahenden) Aussage des Opfers und dessen nicht wertkongruenten Schadenersatzforderungen auch nicht im Sinne einer Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) aufzuzeigen.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) zu diesem Faktum vermag mit den Hinweisen auf die stets leugnende Einlassung des Beschwerdeführers, seine schwere Wirbelsäulenerkrankung (die das Halten eines anderen „unwahrscheinlich" macht) und die mehrdeutigen Aussagen seines Bruders („er ist meistens daneben gestanden"), mit einer nicht aktenmäßig gestützten, sohin unbeachtlichen „Vermutung" zum Tathergang, der Beurteilung des Nicht-Zuordnens der Tathandlungen durch das Opfer als „merkwürdig" sowie dem neuerlich den Anfechtungsrahmen verlassenden schlichten Bestreiten einer Drohung im Sinne des § 142 Abs 1 StGB (vgl demgegenüber US 18 f) - verbunden mit abstrakten Spekulationen zum Gewalteinsatz - keine erhebliche Bedenken an den diesem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen zu erwecken.

Die Schuldsprüche mit unbekannt gebliebenen Opfern (A I 5 und 12 iVm B II) fasst der Nichtigkeitswerber anfechtungsmäßig zusammen und verbindet Mängel-, Tatsachen- und Subsumtionsrüge (Z 5, 5a, 10). Soweit es ihm „merkwürdig erscheint", wenn ein Einzelner drei Personen bedroht haben soll (Faktum A I 5), bringt er allerdings überhaupt keine Nichtigkeitsgrund zur Darstellung. Die Forderung nach einer Unterstellung dieses Faktums unter § 142 Abs 2 StGB entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt (US 4, 14) und ist mit rein spekulativen (teilweise auf die aktuell erzielten Hehlereierlöse gestützten Überlegungen) zum Beutewert inhaltlicher Erwiderung nicht zugänglich. Dem Vorwurf der Undeutlichkeit zuwider wurde die Mittäterschaft des Beschwerdeführers formell unbedenklich festgestellt (US 12 bis 16). Die anhand von Lehre und Rechtsprechung angestellten abstrakten, vom Fall jedoch gelösten rechtlichen Ausführungen bedürfen keiner näheren Erörterung. Dies gilt ebenso für die Ausführungen zu Freisprüchen mangels rechtlich relevanter Beitragshandlungen zu anderen Rauben, aus denen der Rechtsmittelwerber auf die Bedenklichkeit der Fakten schließt, die wegen physischer und psychischer Tatbeträge zu Schuldsprüchen führten. Die Behauptung mangelnder Feststellungen eines psychischen Tatbeitrages zum Faktum A 5 übergeht US 4 und 14 („... der Zweitangeklagte unterstützte die Drohung der beiden dadurch, dass er seine Zugehörigkeit zu ihnen und somit auch ihre zahlenmäßige Überlegenheit demonstrierte ....") im Zusammenhang mit der Darstellung der im Wesentlichen gleichbleibenden generellen Vorgangsweise in US 12, 13 und 26. Es widerspricht nicht der Logik und der Empirie und ist daher nicht unzureichend begründet, wenn die Tatrichter aus gerade an ihn gerichteten Bitten der Opfer (auf teilweises Belassen der Beute) auf seine Beteiligung am Faktum A I 5 schlossen (US 20). Der allgemein gehaltene Hinweis, Feststellungen zu Beitragshandlungen seien „in keiner Weise durch das Beweisergebnis des Verfahrens gedeckt", ist keine Entwicklung einer Tatsachenrüge aus den Akten. Aufpasserdienste setzen überdies keine aktuell abzuschirmenden möglichen „Störer" voraus.

Mit Betonung der Freisprüche von diversen Anklagepunkten, der Rollen der anderen Täter, der leugnenden Einlassung des Beschwerdeführers sowie mit abstrakten rechtlichen Überlegungen zur Mittäterschaft und der axiomatisch anmutenden Behauptung „eine physische Tatunterstützung durch den Zweitangeklagten ist sachlich einfach auszuschließen" kann die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch A I 23 iVm B I nicht durchdringen (vgl US 6, 18, 21). Durch Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz zum Wert der Beute - sodass von einem minderschweren Raub auszugehen wäre - wird die intendierte Subsumtionsrüge (Z 10) nicht prozessordnungsgemäß (also durch Vergleich der tatsächlichen Urteilsannahmen mit dem Gesetz) ausgeführt. Der verschiedene Umfang der Beitragshandlungen laut US 6 und 18 bedeutet keinen Widerspruch im Sinne der Z 5 dritter Fall (vgl Mayerhofer StPO5 § 281 Z 5 E 101). Zur Sinnhaftigkeit von Aufpasserdiensten kann auf die Erörterungen im vorherigen Absatz verwiesen werden.

Zum Schuldspruch A I 16 iVm B II wird auch die Verpflichtung des Zweitangeklagten zum Ersatz von 1.400 EUR an die Bank Austria Creditanstalt angefochten und deren Aufhebung konkret beantragt. Dies ist nicht Darstellung einer Nichtigkeit, sondern eine Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche; eine solche hat der Angeklagte indes nie angemeldet (vgl ON 91). Dass die Tathandlungen ausschließlich in einem - Aufpasserdienste vermeintlich überflüssig machenden - Bankfoyer stattfanden, ist urteilsfremd (US 16 f). Wieder verkennt der Angeklagte Sinn und Umfang derartiger Tatbeiträge. Die apodiktische Prämisse: „Darüber hinaus hat der Zweitangeklagte in keinem der Fälle jemals Aufpasserdienste geleistet", gefolgt von allgemein abstrakten Rechtsausführungen, entzieht sich meritorischer Erwiderung. Die Rechtsmittelpassage: „Es hat der Zweitangeklagte auch aus eigenem zugegeben, bei diesem Tatvorgang anwesend gewesen zu sein, nur deshalb wurde der ursprünglich Angeklagte Thomas U***** laut Urteilsseite 10 auch freigesprochen. Dieser war ursprünglich angeklagt. Auch dies unterstützt die erheblichen Zweifel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5a StPO" (BS 13), entzieht sich im Nichtigkeitsverfahren einer sachlichen Antwort. Zum wiederholten Mal den Anfechtungsrahmen verkennen die eigenständig beweiswürdigenden Spekulationen zum Tathergang.

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 11 bringt der Beschwerdeführer vor, die „gesamte Gewalt" sei von seinem Bruder Anil M***** ausgegangen, „der spontan irgendwelche Verbrechen beging", mit einer Ausnahme seien keine Vorteile des Sunil M***** aus den Tathandlungen entstanden, die Tat sei bei ursprünglich anders gedachter Gestaltung des Zusammenseins mit dem Bruder teilweise ohne längere Planung verübt worden, die Verurteilung in zwei Punkten gehe ausschließlich auf die Aussage des Rechtsmittelwerbers zurück. Er weist auf das Rückforderungsverhalten des Opfers zum Schuldspruch A II (vgl dazu bereits oben) hin, stellt Spekulationen an, wonach die „Kriterien für einen minderschweren Raub nach § 142 Abs 2 StGB fast erfüllt" scheinen und unternimmt letztlich einen abstrakten Vergleich mit der Strafe für einen nicht fallgegenständlichen Ladendiebstahl. Seine Ausführungen gipfeln schließlich in der Behauptung einer „unverhältnismäßigen" Strafe, sind der Sache nach reines Berufungsvorbringen und daher im Nichtigkeitsverfahren nicht entgegnungsbedürftig. Festzuhalten ist dazu lediglich, dass der Strafrahmen hinsichtlich des Jugendlichen Anil M***** zufolge § 5 Z 4 JGG iVm § 143 erster Strafsatz StGB bis siebeneinhalb Jahre Freiheitsstrafe reicht, hinsichtlich des jungen Erwachsenen Sunil M***** hingegen gemäß §§ 36 vorletzter Fall, 142 Abs 1 StGB sechs Monate bis zehn Jahre beträgt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher ebenso wie die unzulässige Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) sofort bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die implizierte Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe (§ 290 Abs 1 letzter Satz StPO) kommt somit dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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